Trump oder Harris: Im November stimmen die US-Amerikaner über einen neuen Präsidenten ab. Sollte Trump als Sieger aus der Wahl hervorgehen, sieht Experte Sascha Pöhlmann weitreichende Folgen. Er erklärt, in welchen Bereichen sich Deutschland vorbereiten kann und muss und welche Illusionen man sich hierzulande nicht machen darf.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Noch knapp vier Monate, dann stimmen die Menschen in den USA über einen neuen Präsidenten ab. So oder so: Das Wahlergebnis wird ein Novum. Erstmals könnte mit Kamala Harris eine Frau an der Spitze des Landes stehen – doch auch eine erneute Wahl von Donald Trump ist möglich, dann stünde erstmals ein verurteilter Straftäter an der Spitze der USA.

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Noch ist die Wahl offen, in aktuellen Umfragen liegt Trump wenige Prozentpunkte vorne. So überraschend wie 2016 käme sein Wahlsieg in jedem Fall nicht mehr. Das bedeutet auch: Mehr Zeit zum Vorbereiten. "Das sollte Deutschland nämlich in jedem Fall tun", sagt Amerika-Experte Sascha Pöhlmann. Er hat dabei vor allem vier Bereiche im Blick: Wirtschaft, Verteidigung, Diplomatie und Kommunikation.

Mit einem Präsidenten Trump drohen Zölle in der Handelspolitik

Auszüge aus Trumps Wahlprogramm lassen für die deutsche Wirtschaft nichts Gutes ahnen: "Unser Warenhandelsdefizit ist auf über 1 Billion Dollar pro Jahr angewachsen. Die Republikaner werden Grundzölle auf im Ausland hergestellte Waren unterstützen", heißt es darin. Damit hat Trump vorrangig China im Blick, doch er könnte auch die EU meinen.

Allein im Mai dieses Jahres exportierten die EU-Staaten Waren im Wert von rund 44,2 Milliarden Euro in die USA. "Zölle könnten die Wirtschaftsbeziehungen und den Handel sehr einschränkenden oder könnten es für eine europäische Wirtschaft unprofitabel machen, in die USA zu exportieren", sagt Pöhlmann. Besonders Deutschland als Exportnation würde das sehr treffen.

Die USA waren im ersten Quartal dieses Jahres Deutschlands wichtigster Handelspartner, nicht mehr, wie bislang, China. "Trump schreibt sich eine Art Protektionismus auf die Fahnen und auf solche Zölle kann man sich kaum vorbereiten. Es bleibt höchstens, möglichst viele Freihandelsabkommen mit dem Rest der Welt abzuschließen", sagt Pöhlmann.

Letztlich seien die USA aber ein so starker Handelspartner, dass man den Schaden immer spüren würde. "Andere Partner könnten noch viel problematischer sein – China und Russland können keine Alternative sein." Auch mit einem schärferen Kurs bei der Einwanderungspolitik rechnet der Experte. "Darunter würde auch der wissenschaftliche und ökonomische Austausch leiden – so wie es auch mit Großbritannien beim Brexit war", sagt Pöhlmann.

Probleme im Energiebereich

Treffen könnte es Deutschland auch im Energiebereich. Flüssiggas, sogenanntes LNG, bezieht Deutschland vorrangig aus den USA. Der Gesamtanteil an den deutschen Gasimporten beläuft sich laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft [PDF] auf etwa 13,5 Prozent. Pöhlmann erläutert: "Im Energiebereich ist die Antwort das, was man schon vor Jahrzehnten hätte tun sollen: Mehr auf erneuerbare Energien setzen."

Deutschland habe durch den Ukrainekrieg bereits reagiert, müsse diesen Weg aber weiter verstärkt vorantreiben. "Es sollte nicht die Lösung sein, woanders nach Gas zu suchen, um nur für einen Moment billiger zu kaufen."

Trump und die Verteidigung Europas

Ein Hauptaugenmerk sollte aus Sicht von Pöhlmann auf dem Bereich der Verteidigung liegen. In seinem Wahlprogramm schreibt Trump recht harmlos: "Die Republikaner werden sicherstellen, dass unsere Verbündeten ihren Verpflichtungen nachkommen, in unsere gemeinsame Verteidigung zu investieren."

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In seinen Wahlkampfreden hörte sich das mitunter aber schon ganz anders an: Er werde die Nato-Länder nicht "beschützen", wenn sie "die Rechnungen nicht bezahlen", so oder so ähnlich ist der Tenor bei Trumps Wahlkampfveranstaltungen. "Weltpolizei" wollen die USA schon länger nicht mehr sein, auch die Zukunft der Ukraine-Hilfen ist unter einem möglichen Präsidenten Trump mehr als unklar.

Sein Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance schrieb in der "New York Times": Die Ukraine brauche "mehr Kriegsmaterial, als die USA zur Verfügung stellen können". Die Wiederherstellung der Grenzen von 1991 sei eine "Illusion". Die Ukraine müsse sich endlich einer Defensivstrategie verschreiben und verhandeln.

In Verteidigungsfragen sieht Experte Pöhlmann nur einen Weg: "Deutschland muss sich europäisch vorbereiten", sagt er. Nur im Verbund mit der Europäischen Union sei eine vernünftige Vorbereitung überhaupt möglich. "Die Nato-Mitgliedsstaaten abseits der USA müssen mehr tun. Es braucht eine europäische Strategie und es reicht nicht, wenn nur die Bundeswehr mehr Geld bekommt", stellt er klar.

Droht unter Trump ein US-Ausstieg aus der Nato?

Sich auf eine "europäische Strategie" zu einigen, dürfte indes kein leichtes Unterfangen werden: Zugpferd Frankreich ist derzeit beispielsweise mit einer innenpolitischen Krise beschäftigt. "Die EU ist schon immer ein kompliziertes Konstrukt, aber es wäre zu hoffen, dass unzuverlässigere USA dazu führen würden, dass man sich stärker zusammenrauft", sagt Pöhlmann. Er hält es aber auch für möglich, dass sich Rechtspopulisten in der EU über Trump in den USA freuen würden und sich so ein neues Bündnis formieren würde.

Die USA schultern in der Nato eine überproportional hohe Last. Der Anteil der USA an den Verteidigungsausgaben aller Nato-Mitglieder liegt bei 67 Prozent – während der US-amerikanische Anteil am BIP aller Bündnis-Mitglieder nur bei 53 Prozent liegt. Einem Austritt aus der Nato hat die Biden-Regierung versucht vorzubeugen: Durch ein Gesetz von Dezember 2023 bräuchte Trump auch die Zustimmung des Kongresses.

Trotzdem warnt Pöhlmann davor, einen solchen Schritt für ausgeschlossen zu halten. "Trump wären die Probleme anderer Länder egal, wenn er sich durch eine Entscheidung innenpolitisch Sympathie erkaufen kann. Das hat er bereits beim Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen gezeigt."

Trump könnte relevante Posten im Verteidigungsbereich mit Leuten besetzten, die einfach "Ja" sagen zu allem, was er behauptet – entsprechende Pläne sind bekannt. "Dann würden unter Umständen schlaue Militärs fehlen, die einen Austritt aus der Nato verhindern würden", erläutert Pöhlmann. Zur Vorbereitung in Deutschland gehöre auch: "Sollte es zu einem Präsidenten Trump kommen, dürfe man nicht davon ausgehen, dass er irgendwas nicht machen wird, weil es unsinnig oder unverantwortlich wäre."

Er rechnet damit, dass solche Aktionen in der zweiten Amtszeit sogar "noch mehr zu befürchten" wären. "Zum einen, weil Trump sich nicht mehr um eine Wiederwahl sorgen muss und zum anderen, weil er den Staatsapparat schon ein Stück weit mit Unterstützern umgeformt hat", sagt Pöhlmann und verweist auf die Besetzung des Supreme Courts.

Der Oberste Gerichtshof ist mehrheitlich von konservativen Richtern besetzt. Zuletzt wurde die Neutralität von zwei von ihnen angezweifelt. Bei dem ultrakonservativen Richter Samuel Alito wurden umstrittene Flaggen gesichtet, die häufig von Trump-Unterstützern und nationalistischen Christen verwendet werden. Und die Ehefrau von Richter Clarence Thomas gilt als glühende Trump-Anhängerin.

Experte warnt vor "Bruch" in der transatlantischen Beziehung

Insgesamt hält Pöhlmann es für notwendig, in der Vorbereitung Kommunikationskanäle zu schaffen und offenzuhalten, um im Gespräch zu bleiben. "Es ist zu befürchten, dass sonst ein Bruch herbeigeführt wird, bei dem weniger geredet wird, sondern erst mal Fakten geschaffen werden", warnt er.

Solche Kommunikationskanäle beinhalteten sowohl die offiziellen Wege über die Diplomatie und Gespräche auf höchster Ebene als auch Wirtschaftsverbände oder kulturelle Austauschbeziehungen. "Die transatlantischen Beziehungen beruhen auf vielen sehr feingliedrigen Aspekten, jeder davon ist ein potenzieller Kommunikationskanal", erläutert der Experte. Diese seien aber oft auch verwundbar, etwa wenn es um Fördermittel geht, von denen sie abhängen.

Keine Illusionen machen

Pöhlmann warnt vor einer weiteren Illusion: "Man darf auch nicht davon ausgehen, dass der Spuk vorbei wäre, wenn Trump eine Amtszeit machen und danach abgewählt würde." Man rede es sich schön, wenn man jetzt nur von einer verzerrten Wirklichkeit der republikanischen Partei ausgehe, die schnell wieder in einen harmlosen Konservatismus zurückfindet.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

"Man hat gesehen: Die populistische Strategie funktioniert. Das bleibt ein langfristiges Problem", sagt er. Trump habe die Achsen der Partei langfristig verschoben – ehemals rechte Konservative wie Mitt Romney und Liz Cheney würden heute als Stimme der Vernunft gelten. "Wenn man in der republikanischen Partei etwas werden möchte, muss man heute Trumpianer sein – vermutlich auch über Trump hinaus", sagt Pöhlmann.

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Sascha Pöhlmann lehrt amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der TU Dortmund. Zu seinen Schwerpunkten zählen Populismus und Politik.

Verwendete Quellen:

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