Am Samstagabend töteten US-Truppen bei einem Einsatz in Nordwest-Syrien den IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi. Das Oberhaupt der Terrormiliz war bereits vor dem Einsatz einige Male für tot erklärt worden. Dieses Mal beweisen DNA-Proben den Tod des Dschihadisten.
Triumphe hat
Mit 20 Minuten Verspätung tritt Trump dann am Sonntagmorgen im Weißen Haus ans Rednerpult. "Vergangene Nacht haben die Vereinigten Staaten den weltweit führenden Terroristen seiner gerechten Strafe zugeführt", sagt er. Bei einer Operation von US-Spezialkräften in Nordwest-Syrien sei der Anführer der Terrormiliz IS, Abu Bakr al-Bagdadi, getötet worden.
Trump verfolgt Einsatz live
Als "Commander in Chief" hat Trump den gefährlichen Einsatz live im Lagezentrum des Weißen Hauses verfolgt. Mit acht Hubschraubern seien die amerikanischen Truppen in der Nacht zu Sonntag ins Einsatzgebiet in Nordwest-Syrien geflogen, sagt er - auch über Territorium, das von Russland beziehungsweise der Türkei kontrolliert werde. Beide Länder seien von dem Einsatz, nicht aber von dessen Ziel informiert gewesen.
Nach Trumps Darstellung entwickeln sich nach der Landung Gefechte, zahlreiche IS-Kämpfer werden getötet, einige ergeben sich. Unter den Toten sind demnach auch zwei Ehefrauen Al-Bagdadis, die Sprengstoffwesten trugen, die aber nicht gezündet wurden. Al-Bagdadi sei in einen Tunnel geflohen, der aber keinen Ausgang gehabt habe. Er habe sich in die Luft gesprengt und drei Kinder mit in den Tod gerissen. "Er ist wie ein Hund gestorben. Er ist wie ein Feigling gestorben", sagt Trump - "winselnd und weinend und schreiend".
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der US-Präsident nun ausgerechnet in Syrien einen seiner seltenen außenpolitischen Erfolge verkündet. Seit Wochen steht Trump in der Kritik, weil er die US-Truppen aus Nordsyrien abgezogen hat. Damit bereitete er der Offensive der türkischen Armee gegen die Kurdenmiliz YPG den Weg - also gegen den Verbündeten der USA im Kampf gegen den IS. Der Tod Al-Bagdadis beweist auch, wie wichtig die US-Soldaten in Syrien sind - die Trump lieber heute als morgen nach Hause bringen möchte.
IS-Anführer bereits mehrfach für tot erklärt
Für tot erklärt worden war der Mann mit dem Kampfnamen Abu Bakr al-Bagdadi mehr als einmal. Auch Gerüchte über angebliche Verletzungen des Anführers der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bei Luftangriffen machten immer wieder die Runde - Beweise aber blieben stets aus. Stattdessen förderten solche Meldungen den Ruf Al-Bagdadis als "unsichtbarer Scheich", der den Bomben seiner Feinde entgeht. Immer mehr galt er als der mysteriöse Terrorführer, der sein Reich des Bösen aus dem Verborgenen lenkt.
Dieses Mal aber soll es Gewissheit geben. Trump sagt, Experten hätten noch vor Ort mit DNA-Tests bestätigt, dass es sich bei dem Toten um Al-Bagdadi handelt. Damit stirbt der meistgesuchte und gefürchtetste Terrorist weltweit, auf den die USA ein Kopfgeld von 25 Millionen US-Dollar (22,6 Mio Euro) ausgesetzt hatten. Und die Terrormiliz verliert ihren Kopf, unter dessen Führung sie große Teile des Iraks und Syriens überrannt und dort ein staatsähnliches Gebilde aufgebaut hatte. Mit Al-Bagdadi hatte der IS selbst dem Terrornetz Al-Kaida den Rang abgelaufen. Die Terrormiliz stieg zur mächtigsten Gruppe der globalen Dschihad-Bewegung auf.
Al-Bagdadi stand seit 2010 an der Spitze des IS, hielt sich aber stets im Verborgenen. Dann tauchte er im Juli 2014 plötzlich in einer Moschee im irakischen Mossul auf und hielt dort die Freitagspredigt. Mit dem dazu verbreiteten IS-Video präsentierte er sich der Welt als alleiniger Führer des "Islamischen Kalifats", das der IS kurz vorher ausgerufen hatte. Er selbst nannte sich "Kalif Ibrahim".
Dschihad statt Fußball
Bei seinem Aufstieg half ihm seine Ausbildung als Islamgelehrter, die er im Irak erhalten hatte. Al-Bagdadi wurde am 1. Juli 1971 als Ibrahim Awwad Ibrahim al-Badri in der irakischen Stadt Samarra geboren und studierte zu Zeiten von Diktator Saddam Hussein in Bagdad. Es heißt, als junger Mann habe er nicht nur den Fußball geliebt, sondern sei auch ein ausgezeichneter Spieler gewesen.
Doch statt zum Sport zog es ihn nach dem Sturz Saddam Husseins durch US-Truppen im Jahr 2003 immer mehr zum Extremismus hin - und ausgerechnet die USA trugen einen erheblichen Teil dazu bei. 2004 geriet Al-Bagdadi in US-Gefangenschaft, wohl mehr aus Zufall. Längere Zeit verbrachte er damals in dem berühmt-berüchtigten US-Gefängnis "Camp Bucca", das auch den Spitznamen "Terror-Akademie" trug, weil sich dort die Extremisten gegenseitig ideologisch befeuerten.
Eine verhängnisvolle Entwicklung. "Hätte es kein amerikanisches Gefängnis im Irak gegeben, gäbe es jetzt keinen (IS)", erzählte eine früherer Häftling dem "Guardian". Als Al-Bagdadi wieder freikommt, verfügt er über beste Beziehungen zu radikalen Kreisen, die ihm den Weg bahnen zum Vorläufer des IS. Dieser setzt den unbändigen Hass der Gruppe gegen Andersgläubige unter Al-Bagdadis Führung in brutale Schreckensherrschaft um. Videos von Enthauptungen ausländischer Gefangener verbreiten sich weltweit, Tausende Frauen kommen als Sex-Sklavinnen in Gefangenschaft.
Auf einer Stufe mit Osama bin Laden
Zum Schluss stand Al-Bagdadi auf einer Stufe mit Al-Kaida-Chef Osama bin Laden, der als Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington galt. Ein US-Spezialkommando hatte bin Laden 2011 in Pakistan aufgespürt und getötet - bei einem ebenso streng geheimen Nachteinsatz wie nun gegen Al-Bagdadi in der islamistisch beherrschten Hochburg Idlib.
Ein Ende des IS dürfte der Tod des "Kalifen" aber nicht bedeuten. Die Terrorgruppe ist dezentral organisiert, strenge Hierarchien gibt es nicht. Wenig ist darüber bekannt, wie die Macht beim IS verteilt ist - und ob sie allein auf Al-Bagdadi zugeschnitten war. Und als Abu Musab al-Sarkawi, einer von Al-Bagdadis Vorgängern an der IS-Spitze, 2006 bei einem US-Luftangriff im Irak ums Leben kam, sollte die mächtigste Zeit der Terrormiliz auch erst noch vor ihr liegen. Al-Bagdadis Tod könnte ihr jetzt dabei helfen, neue Anhänger zu gewinnen und zu Terroranschlägen aufzurufen.
Der IS mag weite Gebiete in seinem einstigen Herrschaftsgebiet im Irak und in Syrien verloren haben und als militärisch besiegt gelten - nach einem Bericht der US-geführten Anti-IS-Koalition vom Juni halten sich dort aber noch zwischen 14.000 und 18.000 IS-Anhänger auf, darunter 3000 Ausländer. Analysten warnen, dass diese nur den passenden Zeitpunkt für ihren nächsten Aufstand abwarten. © dpa
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