• SPD und Union haben noch einmal nachverhandelt und am Freitag wurde ihre EEG-Novelle durch den Bundesrat abgenickt.
  • Wirtschaftsminister Altmaier preist die Reform in hohen Tönen, spricht von einem "klaren Zukunftssignal für mehr Klimaschutz und Erneuerbare".
  • Experten sehen das anders.

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Noch einmal ist an ihr herumgedoktert worden - und noch vor Weihnachten wurde sie beschlossen: die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der GroKo. Seit Union und SPD das letzte große energiepolitische Vorhaben dieser Legislaturperiode Ende September auf den Weg gebracht haben, hat sich der Reformvorschlag Kritik eingefangen.

Als "insgesamt unzureichend" hatte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer die Novelle bezeichnet, auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) vermisst ein klares Bekenntnis zur Energiewende.

Ganz andere Töne von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der sieht naturgemäß ein "klares Zukunftssignal für mehr Klimaschutz und mehr Erneuerbare". Wer hat Recht und welchen Beitrag zur Energiewende kann das Gesetz leisten?

Erstmals gesetzliche Verankerung

Die Antwort liegt vermutlich - wie so oft - irgendwo in der Mitte. "Das Gesetz hat Vor- und Nachteile", sagt Volkswirt Niklas Gogoll von der Universität Bayreuth und lobt zunächst: "Es ist ziemlich positiv, dass wir erstmalig eine gesetzliche Verankerung von Treibhausgasneutralität haben."

Denn das EEG setzt sich als neues Langfristziel die Treibhausgasneutralität vor 2050 des in Deutschland erzeugten und verbrauchten Stroms. "Das betrifft also auch importierten Strom", kommentiert Gogoll. Bis 2030 sollen außerdem 65 Prozent des deutschen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden.

Dafür hat die Koalition Ausbaupfade definiert: Beispielsweise soll die installierte Leistung bei Wind an Land von heute 54 Gigawatt (GW) auf 71 GW erhöht werden, bei Photovoltaik von heute 52 GW auf 100 GW im Jahr 2030.

Energiewende in Deutschland: Ausbauziele reichen nicht

Für Prof. Dr. Andreas Löschel leistet das einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Der Volkswirt ist Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" der Bundesregierung. "Die gesetzlichen Verankerungen bringen Verlässlichkeit in der Perspektive", findet Löschel.

Dennoch sieht er Probleme: Denn seit dem Aufsetzen der EEG-Novelle haben sich neue Entwicklungen ergeben: Die EU wird ihr Klimaziel für 2030 verschärfen – um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 sollen die Treibhausgasemissionen sinken, bislang galt ein Ziel von minus 40 Prozent.

"Jetzt weiß man schon am Anfang der EEG-Novelle, dass das, was man sich vorgenommen hat, voraussichtlich nicht mehr ausreichen wird, um die ambitionierteren Ziele zu erreichen", sagt Experte Löschel. Auch aus Sicht von Gogoll hätte man die Ausbauziele deutlich nachschärfen müssen. "Die Ausbauziele reichen nicht aus, wenn man ausschließlich auf die erneuerbaren Energieträger setzt", so der Energiepolitik-Experte.

Sinkende Stromnachfrage "unwahrscheinlich"

Weiterer Knackpunkt: Die Erwartungen zum Bruttostromverbrauch der Bundesregierung. "Sie geht davon aus, dass wir eine leicht sinkende Stromnachfrage haben. Vor dem Hintergrund der nicht vermeidbaren Sektorkopplung ist dieses Szenario sehr unwahrscheinlich. Im Wärme- und Transportbereich muss sehr viel mit Elektrizität gearbeitet werden", sagt Gogoll.

Auch Löschel erwartet einen höheren Stromverbrauch. "Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung wird einen Mehrverbrauch an Strom nach sich ziehen, auch die Industrie dürfte stärker elektrifizieren als in den Szenarien der Bundesregierung heute angenommen wird", sagt er.

Die Bundesregierung rechne mit zehn Millionen E-Fahrzeugen für 2030, seiner Einschätzung nach könnten die Zahlen auch deutlich darüber liegen. "Zusammengenommen könnte der Stromverbrauch somit schnell zehn Prozent höherliegen als augenblicklich angenommen. In der Logik der prozentualen Zielsetzungen bräuchte man einen entsprechenden Aufwuchs", erklärt Löschel.

Ausbau könnte verschleppt werden

Die Mängelliste der Experten geht noch weiter. Gogoll kritisiert, dass gewerbliche Solaranlagen künftig ab einer Leistung von mehr als 500 Kilowatt in die Ausschreibung gehen müssen. Bis 2025 soll die Untergrenze sogar auf 100 Kilowatt abgesenkt werden. So sieht es zumindest der erste Entwurf vor.

"Es gibt das Verfahren schon bei der Windenergie, dabei werden die Ausschreibungen über Bürgerenergiegesellschaften gehandhabt. Sie werden bevorzugt behandelt und müssen noch nicht genehmigt sein", erklärt Gogoll. Dadurch gäbe es teilweise Zuschläge für Anlagen, die möglicherweise überhaupt nicht genehmigt und gebaut würden. "Das verzögert den Ausbau bereits bei der Windenergie und es ist zu befürchten, dass es bei der Solarenergie ähnlich sein wird", sagt der Experte.

Vorteile bringt die Novelle seiner Meinung nach aber vor allem im privaten Bereich: "Vor allem für kleinere Anlagen sind einige Verbesserungen vorgesehen. Es gibt zum Beispiel EEG-Umlagebefreiungen für Photovoltaikanlagen bis 30 kW-Peak – ohne Verbrauchsgrenze." Eine Hürde für den Ausbau der Photovoltaik (PV) auf Hausdächern ist damit genommen: Vermieter müssen künftig nicht mehr fürchten, mit dem Verkauf von PV-Strom an ihre Mieter komplett gewerbesteuerpflichtig zu werden.

Erneuerbare in den Markt bringen

"Außerdem sind Mieterstromzuschläge angehoben worden, gleichzeitig sind Quartierslösungen nun möglich, es gibt eine Umlagebefreiung für grünen Wasserstoff und die finanzielle Beteiligung von Gemeinden ist verbessert worden", führt Gogoll aus. Gerade die Fortschritte in Sachen Mieterstrom seien ein wesentlicher Schritt in Richtung dezentraler Stromversorgung.

Den großen Wurf aber sehen beide Experte in der Novelle trotz dieser Verbesserungen insgesamt nicht. "Das EEG 2021 ist ein wichtiger Zwischenschritt, in seiner jetzigen Form schafft es das Gesetz aber noch nicht wirklich, die erneuerbaren Energien in den Markt zu bringen", sagt Löschel. Das perspektivische Ziel, aus der Förderung herauszukommen sei noch in weiter Ferne.

"Im Gegenteil: Für die Anlagen, die jetzt aus der Förderung ausscheiden, werden zusätzliche Förderungen geschaffen", so Löschel. Die Novelle schafft eine Regelung für den Weiterbetrieb von Anlagen, die bald aus der EEG-Vergütung fallen. Die Gesetzesreform sieht vor, dass diese Anlagen ihren Strom weiter einspeisen und über Direktvermarkter verkaufen können. Zusätzlich erhalten sie eine Aufschlag.

Energiepreisreform gefordert

Die Förderung ist in Löschels Augen aber insgesamt ein großer Knackpunkt: "Wir brauchen eine Energiepreisreform", fordert er. Die Umlage für Erneuerbare müsse mittelfristig komplett wegfallen, damit günstiger erneuerbarer Strom in die verschiedenen Verwendungen kommt.

"Das beste Mittel, um die erneuerbaren Energien in den Markt zu bringen ist eine höhere nationale CO2-Bepreisung im Strombereich", sagt Löschel. Denn sie führe dazu, dass der Preis auf den Strommärkten steigt und so erneuerbare Investitionen attraktiver würden. Ganz ohne zusätzliche Förderung.

Gogoll bringt weitere Kritik an: "Es ist ein Unding, dass Großkonzerne rückwirkend von der EEG-Umlage befreit werden sollen". Damit spricht er einen Paragrafen in der Novelle an, demnach Unternehmen, die in den vergangenen Jahren mit Verweis auf das sogenannte Scheibenpachtmodell die Zahlung von Milliarden Euro EEG-Umlage verweigert haben, dafür gerichtlich nicht mehr belangt werden sollen. Das betrifft beispielsweise Evonik und Daimler.

Strategie für Koalitionsverhandlungen?

Löschel sieht weiteren Reformbedarf: "Aktuell ist die Subventionierung unabhängig von der tatsächlichen Nachfrage nach erneuerbarem Strom und unabhängig von der Netzsituation." Der Ausbau der Erneuerbaren müsse deshalb noch besser mit dem Netzausbau synchronisiert werden.

Die Bundesregierung hat sich das zumindest vorgenommen: Gemeinsam mit der EEG-Novelle hat sie eine Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes mit Regelungen zum Ausbau der Stromnetze beschlossen. Löschel meint: "Die EEG-Novelle hat die richtigen Themen angepackt. Die dicken Bretter sind aber noch nicht gebohrt. Nach der Wahl wird es darum gehen, die Energiepreisreform beherzt anzugehen und höhere CO2-Preise sicher zu stellen. Ein solches System kann aus der langfristigen Subventionierung heraus kommen."

Gogoll hat dahingehend noch eine weitere Theorie: "Es ist vorstellbar, dass die Novelle noch nicht so ambitioniert ist, weil man sich Verhandlungsmasse für Koalitionsverhandlungen im nächsten Jahr offenhalten möchte". Insbesondere wenn es Verhandlungen mit den Grünen gäbe, könnte hier noch einmal nachgebessert werden.

Über die Experten:

Niklas Gogoll ist Volkswirtschaftswissenschaftler an der Universität Bayreuth. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Energie- und Umweltökonomik sowie Energie- und Wirtschaftspolitik.
Prof. Dr. Andreas Löschel ist Inhaber des Lehrstuhls für Mikroökonomik, insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er ist seit 2011 Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" der Bundesregierung.

Verwendete Quellen:

  • Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: "Gesetz zur Änderung des EEG und weiterer energierechtlicher Vorschriften. Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie."
  • Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: "Altmaier: 'EEG Novelle 2021 klares Zukunftssignal für mehr Klimaschutz und mehr Erneuerbare'. EEG Novelle 2021 im Kabinett verabschiedet."
  • Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.: "BEE-Positionspapier zu aktuellen und künftigen Auswirkungen des § 51 EEG auf die Energiewende."

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