- Mit ihrer Rede im Bundestag hatte Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht für einen Eklat gesorgt.
- Parteiaustritte folgten, die Gefahr einer Spaltung der Linksfraktion stand im Raum.
- Der Streit wurde nun besänftigt, doch der Konflikt schwelt weiter.
Linkspolitikerin
Das hatte für Furore gesorgt und hohe Wellen geschlagen: Sowohl aus anderen politischen Lagern als auch aus der Linkspartei selbst wurde der 53-Jährigen vorgeworfen, Ursache und Wirkung zu verdrehen und sich nicht an die Fraktionsmeinung zu halten. Diese verurteilt den Krieg in der Ukraine scharf und trägt viele Sanktionen mit.
Fabio de Masi und Ulrich Schneider traten aus
Aus Protest trat das bekannte Parteimitglied und Chef des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, aus der Partei aus.
Parteimitglieder sammelten Unterschriften für den Ausschluss von Wagenknecht aus der Fraktion und für den Rücktritt der Fraktionsspitze, acht Abgeordnete stellten einen Antrag zur Maßregelung von Wagenknecht. Anfang der Woche dann die Nachricht: Der Antrag wurde zurückgezogen, es gibt einen Kompromiss. Der lautet: Abgeordnete müssen beim Reden im Namen der Fraktion deren Linie vertreten.
Experte sieht Lage "angespannt bis kritisch"
Ist die Gefahr einer Spaltung damit gebannt? Politikwissenschaftler Hendrik Träger, Experte für die Linkspartei, ist skeptisch: "Der Zustand von Partei und Fraktion bleibt angespannt bis kritisch", sagt er. Den Fraktionsbeschluss erachtet er als reinen Formelkompromiss. "Es ist ein Burgfrieden, der verschiedene Teile der Fraktion besänftigen soll", schätzt er.
Das Problem der Linken sei damit nicht gelöst. "Das Problem ist nicht nur die Rede von Sahra Wagenknecht", sagt Träger.
Amira Mohamed Ali: "Wir sind eine komplizierte Partei"
Die Linke kranke an strategisch ungeklärten Fragen und stehe vor vielfältigen Herausforderungen. Bereits vor der Fraktionssitzung hatte
In den Worten von Politikwissenschaftler Träger klingt das so: "Die Partei und die Fraktion sind sehr heterogen. Das gilt für Positionen bei inhaltlichen und strategischen Fragen". Beispielsweise führe die Frage, ob die Linke auf Bundes- und Landesebene regieren wolle, immer wieder zu Reibereien. Ebenso berge die Frage nach verlorenen Wählerinnen und Wählern Konfliktpotenzial.
"Wie gewinnt man sie als Linke zurück? Wie weit geht man insbesondere auf diejenigen zu, die man an die AfD verloren hat?", zeigt Träger auf. Diejenigen Wähler, die die Linkspartei an die AfD verloren habe, hätten die Linke zuvor nicht aus ideologischer Nähe, sondern aus Protest und Unzufriedenheit mit den anderen Parteien gewählt. "Dieses Protestnarrativ nutzt sich ab, je länger die Linke in Parlamenten vertreten und an Regierungen beteiligt ist", sagt Träger.
Zuletzt war die Linkspartei bei fast allen Wahlen im Sinkflug. In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Saarland ist sie inzwischen nicht mehr im Parlament vertreten. Bei der Bundestagswahl fuhr sie nur 4,9 Prozent ein. "Sie ist überhaupt nur wegen drei Direktmandaten in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen", erinnert Träger.
Wackelt der Status als Fraktion?
Diese Fraktion ist fragil: "Die Linke hat den Fraktionsstatus nur sehr knapp erreicht. 37 Mandate sind für eine Fraktion nötig, die Linke hat 39", erklärt Träger. Würden also nur drei Abgeordnete die Fraktion verlassen, wäre die Linke im Bundestag nur noch eine parlamentarische Gruppe mit weniger Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten. "Und damit definitiv bedeutungsloser", ordnet der Experte ein.
In dieser Situation muss es sich die Linke gut überlegen, ob sie anstrebt, sich von Wagenknecht zu trennen oder ihr einen Maulkorb zu verpassen. "Sie ist Fluch und Segen zugleich", sagt Träger. Auf der einen Seite habe sie rhetorisches Talent, sei deutschlandweit bekannt und eine Wahlkampflokomotive. Andererseits sorge sie immer wieder für Diskussionen. Dabei sind es meist Themen, an denen die Risse der Linken besonders deutlich werden. In der Vergangenheit hatte sich Wagenknecht beispielsweise bei der Migrations- und der Corona-Politik von der Fraktionslinie abgesetzt.
"Ohne Wagenknecht würde die Linke sich sicherlich Diskussionen ersparen, aber auch ein wichtiges öffentlichkeitswirksames Zugpferd verlieren. Und so viele rhetorisch versierte Redner hat die Linke nicht", meint Träger.
Träger: "Es reicht nicht, gegen etwas zu sein"
Die Tatsache, dass die Fraktionsmitglieder sich nun an die Fraktionslinie zu halten hätten, empfindet Träger als Hinweis auf einen schwelenden Konflikt. "Das ist eigentlich ein Allgemeinplatz. Es ist, als würde man ein Hinweisschild an eine Ampel heften, wie diese funktioniert", beschreibt er.
Um nicht in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen, müsse die Linke offene Fragen beantworten. Die Folgen des Kriegs in der Ukraine in Deutschland böten aktuell eine gute Gelegenheit dazu. "Die inhaltliche Note fehlt. Es reicht eben nicht, einfach gegen etwas zu sein. Man sollte als Oppositionspartei, die auf Landesebene regiert, auch inhaltliche Vorschläge machen", findet Träger. Sonst bestehe das Risiko ungebrochen fort, dass die Linke niedrige und schlechte Wahlergebnisse einfährt.
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