Die EU will im Wettbewerb mit den USA und China konkurrenzfähig werden. Dafür werden dringend Investitionen benötigt. Doch woher sollen die kommen?
Wind- und Solarenergie, Künstliche Intelligenz und Batterien: Europäische Unternehmen liegen bei vielen sogenannten Zukunftstechnologien hinter der Konkurrenz aus den USA und China zurück. Die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag in Brüssel eine grundsätzliche Strategie, mit der die EU langfristig wettbewerbsfähiger werden soll. Im Mittelpunkt der Pläne steht der gemeinsame Finanzmarkt.
Wie steht es um die europäische Wirtschaft?
Das Wirtschaftswachstum in der EU schwächelt: Die europäische Wirtschaftsleistung wuchs im vergangenen Jahr nur leicht um 0,5 Prozent, unter anderem gebremst durch das fehlende Wachstum in Deutschland. Für das laufende Jahr rechnet Brüssel aktuell ebenfalls nur mit einer EU-Wachstumsrate von 0,9 Prozent.
Die geringe Kaufkraft der Haushalte, die strikte Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und eine sinkende Exportnachfrage drücken nach Angaben der EU-Kommission das Wachstum. Unternehmen klagen über hohe Energiepreise und die günstige Konkurrenz aus China, die etwa in der Solar- und Windindustrie europäische Firmen vom Markt verdrängt.
Was hat das mit den Finanzmärkten zu tun?
Um zu wachsen, brauchen Unternehmen Zugang zu Investitionen. Auf dem Papier gilt in der EU der Grundsatz eines freien und gemeinsamen Marktes - was die Finanzmärkte betrifft, gelten in den Mitgliedstaaten jedoch unterschiedliche Regeln für die Besteuerung oder die Insolvenz eines Unternehmens. Jedes EU-Land hat zudem eine eigene Bankenaufsicht, in Deutschland ist das die Bafin.
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In der Realität ist es deshalb häufig kompliziert, über Ländergrenzen hinweg Unternehmensanteile zu verkaufen oder Geld anzulegen. Gerade Startups, die digitale Technologien entwickeln oder mit erneuerbaren Energien arbeiten, bekommen in der EU daher deutlich weniger Startkapital als etwa in den USA - und wandern im Zweifel ab.
Was soll sich ändern?
Die EU-Länder wollen "die Bedingungen für institutionelle, private und grenzüberschreitende Investitionen verbessern", wie es in der gemeinsamen Gipfelerklärung heißt. Für Kleinanleger sollen grenzüberschreitende Spar- und Rentenanlagen entwickelt werden. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich zudem für EU-weit einheitliche Regeln für den Energie- und Telekommunikationsmarkt einsetzen, um mehr Wachstum zu ermöglichen.
In der Gipfelerklärung sprechen sich die EU-Staaten zudem für eine Angleichung des Insolvenzrechts für Unternehmen aus. Eine ähnliche Absichtserklärung für die bislang unterschiedlichen Steuersysteme wurde auf Druck einer Reihe kleinerer Mitgliedstaaten wie Estland, Irland und Luxemburg jedoch gestrichen.
Erklärtes Ziel ist es außerdem, die Finanzmarktaufsicht langfristig anzugleichen und effizienter zu machen. Kleine Mitgliedstaaten sind allerdings gegen den Vorschlag Frankreichs, die Aufsicht bei der europäischen Behörde ESMA mit Sitz in Paris zu zentralisieren. In der Gipfelerklärung ist von einer Anpassung "unter Berücksichtigung der Interessen aller Mitgliedstaaten" die Rede.
Wie soll Unternehmen noch geholfen werden?
Die Staats- und Regierungschefs wollen sich für verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien und den Ausbau des Stromnetzes einsetzen, um den Zugang zu günstigem Strom zu sichern. Investitionen in Künstliche Intelligenz und strategisch wichtige Rohstoffe sollen gefördert werden. Die EU-Kommission hat angekündigt, bürokratische Berichtspflichten für Unternehmen abzubauen.
Brüssel erlaubt den EU-Ländern zudem Milliardenhilfen für Unternehmen, die ihre Produktion elektrifizieren oder auf grünen Wasserstoff umstellen wollen. In diesem Zusammenhang gab die EU-Kommission in der vergangenen Woche grünes Licht für eine Industrieförderung der Bundesregierung im Umfang von insgesamt 2,2 Milliarden Euro.
Was ist für die Landwirtschaft vorgesehen?
Angesichts anhaltender Bauernproteste in mehreren europäischen Ländern hatte die EU-Kommission weitreichende Ausnahmen von Umweltauflagen und Kontrollen vorgeschlagen. Die Staats- und Regierungschefs sprachen sich erneut dafür aus, die geplanten Zugeständnisse möglichst rasch zu beschließen. Über die Maßnahmen wird in der kommenden Woche im Europaparlament abgestimmt.
Wie geht die EU gegen China vor?
Im Fall mehrerer chinesischer Unternehmen laufen in Brüssel Untersuchungen wegen mutmaßlich wettbewerbsverzerrender staatlicher Subventionen. Die Kommission wirft Peking vor, mit massiven Staatshilfen den Wettbewerb auf dem EU-Markt zu beeinflussen - zum Nachteil europäischer Unternehmen. Die Ermittlungen betreffen etwa Hersteller von Elektroautos, Solarzellen und Windturbinen.(afp/jst)
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