Schon ein "Like" unter einem Terror-Post soll ausreichen, um eine Ausweisung anzuordnen: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat einen Gesetzesentwurf vorgestellt, demnach das Gutheißen und Billigen von terroristischen Taten im Netz künftig strenger verfolgt werden soll. Für Extremismus-Expertin Miriam Katharina Heß bleiben gleich an mehreren Stellen Fragen offen.
Vorstoß von Innenministerin
Wie das Innenministerium erklärte, kann in Zukunft "ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt" zu einem besonders schweren Ausweisungsinteresse führen. Für eine Abschiebung bräuchte es dann keine strafgerichtliche Verurteilung mehr.
Hasspostings im Netz
Mit der Gesetzesverschärfung reagiert das SPD-geführte Innenministerium auf Hasspostings in den Sozialen Medien. Faeser (SPD) äußerte sich: "Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor. Auch in Deutschland wurden die Terrorangriffe der Hamas auf Israel auf widerwärtigste Weise in sozialen Medien gefeiert. Genauso menschenverachtend ist, wie die furchtbare islamistische Messerattacke in Mannheim, bei der der junge Polizeibeamte Rouven Laur getötet wurde, im Netz verherrlicht wurde."
Das Billigen von Straftaten ist jetzt schon strafbar. Künftig umfasst eine terroristische Straftat aber nicht mehr nur große Terrorereignisse wie zum Beispiel der Anschlag auf Charlie Hebdo in Frankreich oder auf den Breitscheidplatz in Berlin, sondern einzelne Taten, die nicht im Rahmen einer übergeordneten Organisation verübt wurden.
Gesetzentwurf in der Kritik
Rechtsexperten melden aber noch Zweifel an, ob der jetzige Gesetzentwurf in der aktuellen Form Bestand hat. Im Zentrum der Kritik steht dabei die Frage, ob aus einem "Like" eine Gefährdung für den deutschen Staat abgeleitet werden kann und ob die Verhältnismäßigkeit gegeben ist, wenn mit derart repressiven Maßnahmen reagiert wird.
Auch Extremismus-Expertin Miriam Katharina Heß sieht den Gesetzentwurf kritisch. "Es scheint zunächst so, als wolle die Regierung mit diesen Gesetzesvorhaben konsequenter im Umgang mit islamistischem Extremismus wirken, um den Eindruck einer repressiveren Politik zu machen", sagt sie. Doch aus Sicht der Expertin sind inhaltlich noch viele Fragen offen.
"Es wird zum Beispiel nicht darauf eingegangen, dass unterschiedliche soziale Medien unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten bieten. Technisch ist die Fixierung aufs "Liken" unter Umständen nicht ganz sauber", sagt sie.
Klare Definitionen schaffen
Heß hält es für sinnvoller, an einem anderen Punkt anzusetzen. "Generell ist es begrüßenswert, wenn Online-Radikalisierung und Extremismus im Netz mehr ins Bewusstsein der Politik und auch auf das Radar der Ministerien rücken. Allerdings sehe ich es kritisch, dies direkt mit aufenthaltsrechtlichen Dimensionen zu verknüpfen. So wird Islamismus zum Problem von Menschen ohne deutschen Pass gemacht", sagt sie.
Sie plädiert dafür, mehr über Inhalte zu sprechen. Heißt: "Im Bereich Rechtsextremismus liegen viele Dinge deutlich klarer. Es ist zum Beispiel inhaltlich genauer definiert, wo Volksverhetzung anfängt. Im Bereich Islamismus ist das noch nicht so klar", erklärt Heß.
Es fehlt an Personal
Doch auch hier müsse beantwortet und definiert werden: "Was ist Verherrlichung? Was ist Volksverhetzung? Wo beginnt ein Straftatbestand und wo ist es noch freie Meinungsäußerung, auch, wenn sie uns nicht gefällt?", so Heß. Islamismus werde oft als Sammelbegriff genutzt, unter dem derzeit an manchen Stellen auch Solidarität mit der palästinensischen Seite im Krieg in Gaza gefasst würden.
Eine weitere Frage, die sich aus Sicht der Expertin stellt: Wo soll das Personal herkommen? Sie sagt: "Durch Gesetzesentwürfe wie diesen würden plötzlich sehr viel mehr Fälle auftauchen, die theoretisch strafrechtlich beziehungsweise in diesem Fall aufenthaltsrechtlich relevant sind. Dafür fehlen aus meiner Sicht die Mittel und die Expertise." Zwar gebe es immer wieder Ideen und Vorstöße von zum Beispiel Online-Streifen, Realität sei das aber noch nicht.
Wohl kaum mehr Abschiebungen
"Es sind noch viele Fragen offen: Wie will man der Menge gerecht werden und wie soll die Beurteilung nachvollziehbar stattfinden?", sagt Heß. Dass die Gesetzesverschärfung zu mehr Abschiebungen führt, bezweifelt sie stark. Bereits jetzt bleibt die Politik weit hinter den von Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigten "Abschiebungen im großen Stil" zurück. Dabei scheitert es nicht unbedingt am Willen der Bundesregierung – in vielen Fällen nehmen Herkunftsländer ihre Staatsbürger nicht zurück.
Heß sagt dazu: "Wenn man die Billigung oder Verherrlichung von Terrorismus im Netz auf diese Weise ahndet, hätten wir vermutlich sehr schnell sehr viel mehr Personen, die rechtswidrig in Deutschland sind. Ausweisung ist nicht gleich die Abschiebung – in der Theorie schon, aber in der Praxis funktioniert das nicht."
Ihre Befürchtung: Eine Situation mit noch mehr ausreisepflichtigen Personen im Land könnte zu noch mehr gesellschaftlicher Polarisierung führen. "Aktuell scheint der Gesetzesentwurf noch zu großen Teilen ein Produkt von Wahlkampf, der relativ übereilt und öffentlichkeitswirksam vorgestellt wurde, um so Unmut in der Bevölkerung zu beschwichtigen", urteilt Heß.
Über die Person
- Miriam Katharina Heß ist Fachreferentin bei der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) e.V. und Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) e.V. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die Prävention und Bekämpfung von islamistischem Extremismus und Terrorismus.
Verwendete Quellen
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