Der Bundeskanzler will mit Opposition, Ländern und Kommunen einen Deutschland-Pakt schließen und das Land reformieren. Das Echo fällt unterschiedlich aus: Viel Neues hat Olaf Scholz nicht verkündet. Aber die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist da.

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Ist Olaf Scholz ein guter Redner? Darüber kann man geteilter Meinung sein – auch weil sein rhetorisches Feuer mal mehr und mal weniger brennt. Der Bundeskanzler kann heute emotional und morgen wieder einschläfernd reden. Er ist aber häufig gut darin, prägnante Begriffe in die Debatte einzubringen. Die "Bazooka" hat er in einer Rede schon in die Hand genommen, die "Zeitenwende" ausgerufen und den "Doppel-Wumms" versprochen. Das neueste Beispiel: der Deutschland-Pakt.

Olaf Scholz: Deutschland muss "schneller, sicherer und moderner" werden

In der Generaldebatte im Bundestag hat Scholz ihn am Mittwoch vorgeschlagen: Ein Deutschland-Pakt solle das Land "schneller, sicherer und moderner" machen.

Des Kanzlers Vorschlag: Die Bundesregierung solle zusammen mit Opposition, Ländern und Kommunen den Bau von Verkehrstrassen, Wohnungen und Stromtrassen beschleunigen, die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben, die Einwanderung von Fachkräften und die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern erleichtern.

Das alles müsse man gemeinsam auf den Weg bringen, sagte Scholz im Bundestag: "Viele im Land warten geradezu sehnsüchtig auf einen solchen Schulterschluss."

Politikwissenschaftler Uwe Jun: "Ein rhetorisch-strategischer Appell"

Strukturell habe Scholz kaum Neues vorgeschlagen, findet der Politikwissenschaftler Uwe Jun. "Im Grunde gibt es doch längst eine Art Deutschland-Pakt", sagt der Professor von der Universität Trier im Gespräch mit unserer Redaktion. "Der Bund beschließt Gesetze, die in vielen Fällen die Länder und Kommunen ausführen. So funktioniert die Politik in Deutschland schon seit längerem."

Das Ganze sei auch als rhetorisch-strategischer Appell an staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen, sagt Jun: Möglichst viele sollen mitwirken. "Der Bundeskanzler könnte bei Nicht-Einigung darauf verweisen, dass er die Hand ausgestreckt habe, die nicht ergriffen wurde."

Viel Unzufriedenheit mit Berlin

Die Zusammenarbeit im föderalen System Deutschlands ist für die Bundesregierung ein heikler Punkt. Denn in Landesregierungen, Kreisen und Städten herrscht Unzufriedenheit über Berlin: Länder und Kommunen dringen seit Monaten auf eine stärkere finanzielle Unterstützung des Bundes bei der Unterbringung und Integration von Asylbewerbern. Der Bund ist bisher aber nicht dazu bereit, seine Mittel aufzustocken.

Auch das Wachstumsgesetz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stößt auf Skepsis: Es soll zwar die lahmende Konjunktur ankurbeln, würde aber Länder und Kommunen um Einnahmen bringen.

NRW-Ministerin Ina Scharrenbach: "Die nächste Wortfloskel"

"Der Doppel-Wumms verpufft, die Zeitwende verschoben, jetzt bringt der Bundeskanzler mit dem Deutschland-Pakt die nächste Wortfloskel in die Umlaufbahn", sagt Ina Scharrenbach auf Anfrage unserer Redaktion. Die CDU-Politikerin ist in Nordrhein-Westfalen Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung.

"Schöne Namen und Farben, in Wahrheit Eingriffe in die Kassen von Ländern und Kommunen und ein ewiger Tanz um die Probleme statt die Lösungen."

Ina Scharrenbach

"Seit Monaten wird zwischen den Ländern und dem Bund an dem großen Thema der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung gearbeitet. Die Bundesregierung hätte längst springen können. Ist sie aber nicht", kritisiert Scharrenbach.

Bei der Digitalisierung wolle der Bund 377 Millionen Euro für die Umsetzung eines Gesetzes kürzen, das den Online-Zugang zur Verwaltung verbessern soll. "So sieht der Deutschland-Pakt von Scholz aus: Schöne Namen und Farben, in Wahrheit Eingriffe in die Kassen von Ländern und Kommunen und ein ewiger Tanz um die Probleme statt die Lösungen", so die CDU-Politikerin.

Bodo Ramelow will Einladung annehmen

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat in der Vergangenheit den Umgang der Ampelkoalition mit den Ländern scharf kritisiert. Nun zeigt sich der Linken-Politiker allerdings versöhnlicher. "Wir bauen in Thüringen zwar keine U-Bahnen, aber so manches Infrastrukturvorhaben zieht sich zäh dahin und die Digitalisierung geht zu langsam voran. Die Transformationsprozesse, mit denen wir in allen Bundesländern zu tun haben, gehen weit darüber hinaus", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion.

Wenn der Bund mit dem Pakt helfe, Ungleichheiten zwischen den Bundesländern abzubauen, sieht Ramelow darin eine Herausforderung und eine Chance: "Gerade weil die Krise auch bei vielen Unternehmen zu zusätzlichen Belastungen führt, ist es sinnvoll, den bürokratischen Aufwand, der mit vielen Projekten verbunden ist, mit einem wirksamen Moratorium zu reduzieren. Dafür nehmen wir die ausgesprochene Einladung der Bundesregierung zum Deutschland-Pakt an."

Zustimmung von Arbeitgebern und Gewerkschaften

Die Diagnose von Scholz jedenfalls trifft auf Zustimmung: Die Infrastruktur Deutschlands ist vielerorts veraltet und verschlissen, die Digitalisierung verläuft träge. Und der Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft kommt zu langsam voran, weil die Bürokratie bremst.

Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, sieht die Bundesregierung unter Handlungsdruck. "Die Abstiegsangst vieler Menschen ist doch real und beruht auf einer realistischen Einschätzung der Lage des Landes", sagte Wolf unserer Redaktion. "Wir brauchen eine echte Angebotspolitik." Das heißt aus seiner Sicht: weniger Bürokratie, niedrigere Steuern und Abgaben, bezahlbaren Strom, mehr Fach- und Arbeitskräfte, bessere Bildung, bessere Infrastruktur, schnellere Digitalisierung.

Wie der Plan heiße, sei egal, findet Wolf. "Es kommt dabei auf starke, umfassende, teilweise radikale Maßnahmen an. Und diese müssen allesamt in diesem Jahr starten, bestenfalls umgesetzt sein."

Als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet auch Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), den Deutschland-Pakt. Weitere müssten dringend folgen. Schnellere Genehmigungen, eine Digitalisierung der Verwaltung und Sonderabschreibungen für Unternehmen würden aus seiner Sicht aber nicht reichen. "Wir brauchen jetzt zügig weitere Investitionen der öffentlichen Hand in eine moderne Infrastruktur und zielgenaue Entlastungsmaßnahmen für die Wirtschaft. Die Bundesregierung muss auch in dieser Hinsicht ihren Takt erhöhen", sagt Körzell unserer Redaktion.

Die Hand ist also ausgestreckt – und viele sind gewillt, sie zu ergreifen. Jetzt kommt es darauf an, was der Kanzler und seine potenziellen Mitstreiter daraus machen.

Verwendete Quellen:

  • Stellungnahmen von Ina Scharrenbach, Bodo Ramelow und Stefan Körzell
  • Gespräch mit Politikwissenschaftler Prof. Dr. Uwe Jun
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