Großbritanniens Premierminister Boris Johnson riskiert eine Rebellion in den eigenen Reihen, weil er bezüglich der irischen Grenzfrage bereits mit der EU vertraglich festgezurrte Absprachen nicht mehr einhalten möchte. Parteikollegen wollen sich in einer Abstimmung gegen Johnson stellen.

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Wegen seiner Änderungspläne zum längst gültigen Brexit-Abkommen droht dem britischen Premierminister Boris Johnson eine Rebellion in den eigenen Reihen.

Bis zu 30 Abgeordnete seiner Konservativen Partei wollen nach einem Bericht der "Times" (Freitag) gegen das Änderungsgesetz stimmen, mit dem Johnson Teile des von ihm unterzeichneten Deals aushebeln will. Der Premier verfügt im Unterhaus über eine Mehrheit von 80 Stimmen. Die Regierung gehe davon aus, dass sie ihr Gesetz durchbekomme, hieß es.

Johnson will mit dem "Binnenmarktgesetz" den 2019 mit der EU vereinbarten Austrittsvertrag in wesentlichen Punkten ändern. Dabei geht es um Sonderregeln für das britische Nordirland, die eine harte Grenze zum EU-Staat Irland und neue Feindseligkeiten dort verhindern sollen.

Irlands Finanzminister Paschal Donohoe sagte, die Einhaltung des Vertrags sei "Voraussetzung" für jede weitere Vereinbarung. Die EU-Kommission forderte London auf, die Pläne bis Ende September zurückzuziehen, was die britische Regierung aber sofort ablehnte.

Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz mahnte Großbritannien zur Vertragstreue. "Verträge müssen geachtet werden, das weiß jeder", sagte der SPD-Politiker am Rande eines EU-Treffens in Berlin.

Deutscher Botschafter in London ist entsetzt

Der deutsche Botschafter in London, Andreas Michaelis, schrieb bei Twitter: "In mehr als 30 Jahren als Diplomat habe ich keine so schnelle, absichtliche und tiefgreifende Verschlechterung einer Verhandlung erlebt."

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire stellte klar, dass die EU von ihrer Forderung nach gleichen Wettbewerbsbedingungen nicht abrücken werde: "Wir werden nichts akzeptieren, das den Binnenmarkt gefährden oder schwächen würde."

Gernot Blümel: Dank Boris Johnson in der "Murmeltier"-Schleife

Österreichs Ressortchef Gernot Blümel sagte, er fühle sich an den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" erinnert. Darin ist ein Mann in einer Zeitschleife gefangen. "Irgendwann wird man sich überlegen müssen von britischer Seite, wie ernst man das Ganze meint."

Das Vorgehen der Regierung schädige Großbritannien enorm, sagte Ex-Premierminister Gordon Brown von der Labour-Partei dem Sender BBC in dessen Frühstücksfernsehen. Brown sprach in seiner scharfen Kritik von einem "Eigentor". Der Premierminister könne kein Abkommen aushandeln, es unterzeichnen und dann brechen.

Von Montag an soll über das Gesetz im Unterhaus debattiert werden. Auch aus dem Oberhaus könnte Johnsons Plan scharfer Wind entgegenwehen.

Die EU bereitet sich auf den schlimmsten Fall vor

Die Verhandlungen über den für 2021 geplanten Vertrag über die künftigen Beziehungen stecken ohnehin fest. Die EU will nun die Vorbereitungen für einen "No Deal" intensivieren: Gelingt kein Vertrag, droht zum 1. Januar ein harter wirtschaftlicher Bruch, mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen.

Der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan schlug für diesen Fall "Brexit-Bonds" der Europäischen Investitionsbank vor, um kleinen Unternehmen zu helfen.

Wohl nicht zufällig verkündete Großbritannien am Freitag sein erstes, fertiges Handelsabkommen mit einem Drittstaat für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase - mit Japan. Der Pakt wurde innerhalb von vier Monaten ausgehandelt. Handelsministerin Liz Truss sprach von einem "historischen Moment". Johnson ließ verlauten, Großbritannien werde außerhalb der EU wirtschaftlich aufblühen.

Abkommen über zollfreien Handel mit Japan

Das Abkommen soll Zölle auf Waren aus beiden Staaten verhindern und es Unternehmen ermöglichen, leichter Beschäftigte aus dem anderen Land einzustellen. Nach offiziellen Zahlen der britischen Regierung macht der Handel mit Japan aber weniger als ein Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts aus. (dpa/hau)

Premier Johnson droht mit hartem Bruch nach Brexit-Übergangsphase

Premierminister Boris Johnson geht mit einer Drohung in die letzte Phase der Brexit-Verhandlungen: Bis Mitte Oktober müsse es eine Einigung mit der EU geben - ansonsten werde es keinen Deal geben.
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