Bessere Bildung bis 2035. Das wollen die drei Kultusministerinnen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein mit ihrem gemeinsamen Vorstoß erreichen. Damit möchten sie auch die Länder- und Parteigrenzen aufweichen. Föderalismus Adé?

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Es ist eine bunte Runde, die sich am Montagmorgen in der Bundespressekonferenz in Berlin eingefunden hat: die drei Bildungsministerinnen Theresa Schopper (Grüne), Stefanie Hubig (SPD) und Karin Prien (CDU), gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Wübben Stiftung Bildung, Markus Warnke.

Die Ministerinnen sind nicht nur aus drei unterschiedlichen Bundesländern (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein), sondern auch Mitglieder von drei unterschiedlichen Parteien. Sie haben sich zusammengetan für einen neuen Ansatz in der Bildungspolitik.

"Transformationsprozesse brauchen klare Ziele", sagt Warnke zu Beginn in die Runde. Mit dem gemeinsamen Vorschlag, wie Bildung in Deutschland bis 2035 verbessert werden kann, sollen Grenzen aufgehebelt werden. "Über Zuständigkeiten, Legislaturen, sowie über Partei- und Ländergrenzen hinaus". Seine Stiftung hat die Ministerinnen bei ihrem Vorhaben unterstützt.

Föderalismus Adé? Neuer Bildungsansatz

Mit dem derzeitigen Zustand der Bildung in Deutschland könne man nicht zufrieden sein, sagt Stefanie Hubig aus Rheinland-Pfalz. "Das müssen und wollen wir ändern." Allerdings gelinge das nur, wenn man sich auch parteiübergreifend auf gemeinsame Ziele einigen könne. Hubig nennt dieses Vorhaben "kooperativen Föderalismus".

Sie ist bekennender Fan des Föderalismus. Denn wenn der Bund Projekte mitfinanziere, habe er auch ein Recht auf Mitsprache. Die Länder wiederum sollten weiterhin um den besten Weg konkurrieren. Der Föderalismus soll mit diesem Ansatz also keineswegs reformiert oder gar abgeschafft werden.

Die Ministerinnen sind dennoch der Meinung: Es geht besser als beim derzeit stockenden Digitalpakt 2.0. Hier sind die Fronten zwischen Bund und Ländern seit Monaten verhärtet. Es hakt an der finanziellen Beteiligung.

Karin Prien aus Schleswig-Holstein macht in der Pressekonferenz auf Frage unserer Redaktion deutlich: Mit einem anderen Kopf im Bundesbildungsministerium als bisher, wäre es einfacher. "Das ist eine Haltungsfrage", sagt sie. Föderalismus lebe davon, dass jeder im Rahmen seiner Zuständigkeiten gemeinsame Ziele erreichen will. Das sollte die Herangehensweise sein. Nicht etwa, die Bundesländer vorzuführen.

Damit spielt die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und ehemalige Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) auf die oftmals knirschende Zusammenarbeit mit der vormaligen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) an, die sich bei den Ländern vor allem beim Digitalpakt 2.0 nicht besonders beliebt gemacht hatte.

"Bessere Bildung 2035": Worum es im Detail geht

"Bildung ist auch für unser Wirtschaftswachstum zentral", sagt Prien zudem. Leider käme dieses Thema im Wahlkampf derzeit dennoch zu kurz. Deshalb haben sich die drei Ministerinnen dazu entschieden, den gemeinsamen Ansatz jetzt der Öffentlichkeit vorzustellen – in der Hoffnung, einen Diskurs darüber anzustoßen.

Doch was verspricht der Vorschlag konkret?

Die drei Ministerinnen haben sich auf "wenige, aber dafür klare gemeinsame Ziele" geeinigt, erklärt Hubig am Montag. Auf Basis der bestehenden bundesweiten Bildungsstandards, die die KMK zuletzt 2022 weiterentwickelt hatte, sind das:

  • Bildungsminimum absichern: 50 Prozent weniger Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht erreichen (Ziel des Startchancen-Programm)
  • Bildungsniveau steigern: 20 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler, die die Regelstandards in Deutsch und Mathematik erreichen oder übertreffen
  • Leistungsspitze fördern: 30 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler, die die Optimalstandards in Deutsch und Mathematik erreichen
  • Stärkung der Bildungsgerechtigkeit: Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzen, identifiziert über den sozialen Gradienten im IQB-Bildungstrend, sinkt um 20 Prozent. Der IQB-Bildungstrend ist ein nationales Bildungsmonitoring.
  • Abschlüsse absichern: 50 Prozent weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne ersten Schulabschluss

Das alles gehe natürlich nicht über Nacht, macht Hubig klar. Deshalb haben sich die drei Frauen auf einen Umsetzungszeitraum von zehn Jahren geeinigt.

Jede Ministerin hätte für ihr Bundesland einen anderen Schwerpunkt. Theresa Schopper aus Baden-Württemberg betont am Montag, dass sie alle zwar nicht überall einer Meinung wären, aber dennoch gemeinsame Anknüpfungspunkte gefunden hätten. Das allein hätte schon zu einem neuen Ansatz in der KMK beigetragen.

Die festgelegten Indikatoren sollen anhand verschiedenster Maßnahmen erreicht werden, an denen sich die Ministerinnen auch messen lassen wollen, wie Schopper ausführt. So haben sie sich beispielsweise die frühkindliche Bildung vorgeknöpft, in der verstärkt auf das Aushebeln von Sprachbarrieren gesetzt werden soll. Aber auch die Schnittstelle der Grundschule: In der vierten Klasse sollte es im besten Fall einen sogenannten Ausgangslagentest geben, um festzustellen, auf welchem Lernstand die Kinder jeweils sind.

Dadurch sollen sowohl die Kinder konsequent gefördert werden, die noch Nachholbedarf haben, als auch jene, die durch besondere Leistungen auffallen.

Hat der neue Ansatz eine Zukunft?

Der gemeinsame Ansatz der Kultusministerinnen stellt in dieser Form ein Novum in der Geschichte des deutschen Bildungsföderalismus dar, in dem er bestehende Grenzen aufweicht, sie jedoch nicht abschafft. Bislang stehen drei Ministerinnen hinter dem Vorhaben. Es gilt, die anderen 13 Kultusministerinnen und -minister der KMK ins Boot zu holen. Außerdem braucht es für eine gemeinsame Umsetzung den Bund.

Ob der neue Ansatz eine Zukunft – über die bestehende Legislatur hinaus – hat, lässt sich daher wohl frühestens nach der Bundestagswahl im Februar sagen.

Verwendete Quellen:

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