Die FDP soll das Ende der Ampel-Koalition gezielt geplant haben. Überraschend veröffentlicht die Partei einen Fahrplan dazu nun selbst - und muss sich herbe Kritik gefallen lassen.
Die Veröffentlichung eines detaillierten Papiers der FDP zum Ausstieg aus der Ampel-Regierung sorgt bei den Ex-Koalitionspartnern für Empörung. SPD-Generalsekretär
Miersch kritisierte es gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) als "zynisch", dass die FDP in dem Papier für den Zeitpunkt des Ampel-Bruchs in ihrem Papier das Wort "D-Day" benutzt und den nachfolgenden Wahlkampf als "offene Feldschlacht" bezeichnet. "Die FDP-Führung hat die Verwendung dieser Begriffe stets bestritten", betonte er.
FDP schreibt von "D-Day" und "Feldschlacht"
In dem Papier taucht die Formulierung D-Day mehrfach auf. Bekannt ist sie vor allem in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg - am 6. Juni 1944, dem "D-Day", begann die Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. In einem Interview bei RTL/ntv hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte betont: "Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden."
Djir-Sarai bemühte sich in der "Welt" nach der Veröffentlichung des Papiers um Schadensbegrenzung: "Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier." Einen Grund zurückzutreten, sehe er nicht.
FDP hat "nichts zu verbergen"
Auf X schrieb die FDP zuvor: "Wir haben nichts zu verbergen." In einer dazu veröffentlichten Erklärung von Djir-Sarai hieß es: "Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns sogenannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte." Er sprach von einer Skandalisierung der Vorbereitung auf Szenarien. "Wenn die gesamte deutsche Medienlandschaft zu diesem Zeitpunkt bereits über das Ende der Ampel spekulierte, dann ist es nur professionell, sich auf diese Option einzustellen."
SPD-Chef
Die FDP hat ihr Papier zu möglichen Ausstiegsszenarien aus der Ampel-Koalition selbst veröffentlicht, nachdem das Nachrichtenportal "Table.Briefings" darüber berichtet hatte. Das achtseitige Dokument - offensichtlich eine Powerpoint-Präsentation - ist überschrieben mit "D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen".
Diskussion über "idealen Zeitpunkt" zum Koalitionsausstieg
Darin ist zum Beispiel davon die Rede, dass der "ideale Zeitpunkt" und ein "avisierter Ausstieg" aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es mit der Entlassung von FDP-Chef
In dem Papier wird abgewogen: Der Ausstieg zu diesem Zeitpunkt berge Risiken wegen der gleichzeitig stattfindenden US-Präsidentschaftswahl. Um sich von dem Ereignis "etwas zu entkoppeln", könne ein Ausstieg zu Beginn der 45. Kalenderwoche am 4. November erfolgen. Bei einer Verschiebung nach hinten werden andere Hindernisse angeführt: die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, der geplante Grünen-Parteitag und ein eigener Parteitag, der vorbereitet und zu dem eingeladen werden müsste.
Vorbereitetes Lindner-Statement
Festgehalten wird auch ein "Kernnarrativ" - also eine Hauptbotschaft, mit der der Ausstieg verknüpft werden könnte. Fundamentale Gegensätze in der Wirtschaftspolitik zwischen Rot-Grün und der FDP seien nicht durch Kompromisse zu überbrücken. Die Bundesregierung sei selbst zum größten Standortrisiko geworden. "Die deutsche Bevölkerung sollte in vorgezogenen Neuwahlen entscheiden, welchen Weg Deutschland zukünftig geht", heißt es weiter. Auch ein vorbereitetes Statement von Lindner ist bereits enthalten und Szenarien, wann, wo und über welche Kanäle man den Ampel-Bruch am besten verkünden könnte.
FDP spricht von "Arbeitspapier"
Die FDP bezeichnet das Dokument als "Arbeitspapier", das vom Bundesgeschäftsführer der Partei zum ersten Mal am 24. Oktober erstellt worden sei, veröffentlicht nun in der letzten Version vom 5. November. "Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition", heißt es.
"Zeit"-Recherche über "kalkulierten Bruch" hatte Diskussionen ausgelöst
Nach dem Ampel-Aus hatte eine Recherche der "Zeit" große Diskussionen über Ursachen und Urheber des Koalitionsbruchs ausgelöst. In mehreren Treffen der engsten FDP-Führung wurden demnach seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt. In dem Bericht war die Rede von der Existenz eines "Drehbuchs für den Regierungssturz" und Erwägungen für einen "kalkulierten Bruch" der Koalition, "SPD und Grüne so weit zu reizen, bis der Kanzler die FDP-Minister hinausschmeißt".
Kampf um Deutungshoheit
Vor allem zwischen SPD und FDP tobt bereits ein Kampf um die Deutungshoheit, inwiefern das Zerwürfnis von einer Seite provoziert worden ist. So sprach Lindner von einer "Entlassungsinszenierung" durch den Kanzler. Scholz ließ erkennen, womöglich hätte er die Entscheidung zur Entlassung Lindners früher treffen müssen. "Es ist kein Geheimnis, dass ich darüber auch schon einmal vorher nachgedacht habe, als es im Sommer trotz der vielen Stunden, die wir zusammen verbrachten, einfach nicht gelingen wollte, sich auf den Bundeshaushalt für 2025 zu einigen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" Mitte November. (dpa/bearbeitet von thp/nap/fte/cgo)
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