Hat Karl Lauterbach Druck auf das RKI gemacht, die Risikobewertung in der Pandemie nicht zu senken? Medienberichte legen das nahe. Der Gesundheitsminister verteidigt sein Vorgehen – doch die FDP verlangt Konsequenzen.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gerät wegen seines Agierens in der Corona-Krise unter verschärfte Attacken des früheren Koalitionspartners FDP. "Der Rücktritt ist unvermeidlich, wenn es bei Karl Lauterbach noch irgendetwas wie politischen Restanstand geben sollte", sagte der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki der Deutschen Presse-Agentur.

Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann forderte ebenfalls Lauterbachs sofortigen Rücktritt und die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag zur Corona-Pandemie. "Daran führt kein Weg mehr vorbei."

Hintergrund der Äußerungen sind jüngste Medienberichte über Differenzen zwischen dem Robert Koch-Institut (RKI) und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) über die generelle Corona-Risikobewertung. Ein vom RKI vorgesehenes Herunterstufen von "sehr hoch" auf "hoch" im Februar 2022 sei "vom BMG verwehrt" worden, hieß es in Protokollen des RKI-Krisenstabs, die im Sommer bereits von einer Journalistin öffentlich gemacht worden waren.

"Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR berichteten jetzt unter Berufung auf vorliegende E-Mails, dass Lauterbach selbst sich in diesem Sinne persönlich eingeschaltet habe.

Lauterbach rechtfertigt sein Vorgehen

Der SPD-Politiker verteidigte sein Vorgehen mit Blick auf den Bericht erneut. "Hätten wir im Februar 2022 die Risikostufe bereits herabgesetzt, als zum Teil noch Hunderte Menschen am Tag an Covid gestorben sind, wäre das ein Fehler gewesen", schrieb er am Mittwoch auf der Plattform X.

Der "Süddeutschen Zeitung", NDR und WDR sagte Lauterbach, das RKI sei eine nachgeordnete Behörde, über die er die Fachaufsicht habe. "Fachaufsicht bedeutet nicht Abnicken. Wenn ich das einfach unterzeichnet hätte, vielen Dank für die Nachricht, dass Sie jetzt runterstufen wollen, dann wäre die Fachaufsicht nicht gut gelaufen." Eine politische Beeinflussung "durch sachfremde Überlegungen" sei hingegen nicht vorgekommen.

FDP erhebt schwere Vorwürfe gegen Lauterbach

Kubicki warf Lauterbach vor, er habe die Öffentlichkeit belogen, als er in der Pandemie erklärte, das RKI könne völlig frei auf wissenschaftlicher Grundlage entscheiden. "Auch die RKI-Wochenberichte, die die Corona-Risikoeinstufung beinhalteten, haben eine Unabhängigkeit des Institutes vorgegaukelt, die faktisch nicht bestand." Nichts habe dort auf direkte Einwirkung aus dem Ministerbüro hingedeutet. "Das RKI diente als wissenschaftliche Kulisse für das sehr egoistische Streben des SPD-Ministers."

Eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Politik im Bundestag ist in dieser Wahlperiode nicht zustande gekommen. Der FDP-Gesundheitspolitiker Ullmann sagte, seine Fraktion habe vor zwei Jahren noch gedacht, dass eine Enquete-Kommission zur sachlichen Aufarbeitung das beste Mittel wäre, um das Land widerstandsfähiger für die nächste Pandemie zu machen.

Union, SPD und Grüne hätten das aber nicht gewollt. Die SPD und Lauterbach wollten "alles verhindern, damit nicht ans Licht kommt, wie der Minister in vollkommener Selbstherrlichkeit sich über alle Fakten und Expertenmeinungen hinwegsetzt." (dpa/bearbeitet von thp)

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