Scholz oder doch besser Pistorius? Mehr und mehr SPD-Mitglieder fragen sich, ob die Partei wirklich mit dem unbeliebten Kanzler in den Wahlkampf ziehen soll – neuerdings auch öffentlich.

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Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich Boris Pistorius als SPD-Kanzlerkandidaten für die auf den 23. Februar vorgezogene Neuwahl des Bundestags. Erst am Freitag hat eine Forsa-Umfrage dies wieder gezeigt: 57 Prozent sprachen sich für den amtierenden Verteidigungsminister aus, nur 13 Prozent für Bundeskanzler Olaf Scholz. Ist die SPD also dabei, aufs falsche Pferd zu setzen?

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat eingeräumt, dass es in seiner Partei eine Debatte über den idealen Kanzlerkandidaten gibt. "Ja, Grummeln ist da. Natürlich gibt es auch diese Stimmen", sagte Mützenich am Dienstag im ZDF-"heute journal".

SPD-Vorstand steht hinter Scholz – zumindest offiziell

Nach jetzigem Stand will die SPD ihren Kanzlerkandidaten erst auf einem Parteitag Ende Januar oder Anfang Februar küren. Auch der Parteivorstand hat in seiner ersten Sitzung nach dem Ampel-Aus am Montag darauf verzichtet, Scholz formell zu nominieren – und damit die Debatte um den richtigen Kandidaten weiterlaufen lassen.

Bisher trauen sich nur einzelne SPD-Politiker aus der dritten und vierten Reihe öffentlich zu sagen, dass die Partei aus ihrer Sicht nur mit Pistorius eine Chance hat, den Rückstand zur Union aufzuholen. Doch es werden mehr. So sagte Robert Alferink, SPD-Vorsitzender in Osnabrück, wo Pistorius einst Oberbürgermeister war, dem "Spiegel": Niemand wolle Scholz in den Rücken fallen, aber zur Wahrheit gehöre, dass "sicher eine große Mehrheit" der SPD-Mitglieder in der Stadt, Pistorius für den besseren Kandidaten hielten.

Ähnlich äußerte sich demnach Rüdiger Erben, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt. "Ich nehme auch an der SPD-Basis wahr, dass immer mehr Leute sich über einen Kanzlerkandidaten Pistorius freuen würden. Das Grummeln ist mit den Händen zu greifen."

Kommunal- und Landespolitiker werben für Pistorius

Gegenüber dem "Stern" sprach sich Andreas Bausewein, Ex-Oberbürgermeister von Erfurt, für Pistorius aus, ebenso die Landräte Thomas Will aus Groß-Gerau (Hessen) und Matthias Jendricke aus Nordhausen (Thüringen).

Losgetreten haben die Welle Markus Schreiber und Tim Stoberock, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. "Mit ihm (Boris Pistorius, Anm. d. Red.), der seit längerem der beliebteste deutsche Politiker ist, als unserem Kanzlerkandidaten, sind unsere Chancen stärkste Partei zu werden oder jedenfalls deutlich besser abzuschneiden, sehr viel größer", schrieben sie am Montag auf Instagram.

Obwohl Scholz in den vergangenen drei Jahren gute Politik gemacht habe, sei es ihm nicht gelungen, die Menschen mitzunehmen und Führungsstärke zu kommunizieren. "Wir glauben, dass das negative Bild, das die Menschen im Land von ihm haben, nicht mehr zu reparieren ist." Sie fordern Scholz auf, zugunsten von Pistorius auf die Kandidatur zu verzichten.

Die Parteispitze beteuert unterdessen, dass sie mit Scholz in den Wahlkampf ziehen will. "Da bin ich fest von überzeugt", so Mützenich im ZDF. Scholz sei durch den Bruch der Ampel-Koalition nun freier und könne im Wahlkampf zeigen, was mit einem sozialdemokratischen Kanzler möglich sei.

Schreiber und Stoberock sagten der Deutschen Presse-Agentur (dpa), sie hätten ihre Bedenken auch gegenüber dem Landesvorstand der Hamburger SPD geäußert. Es habe darauf allerdings keine Resonanz gegeben.

Pistorius: "Es gibt keine Rufe"

Pistorius selbst versucht bislang nach Kräften, das Thema zu meiden. Auf mögliche Ambitionen angesprochen, betont er stets seine Loyalität gegenüber Scholz. Auf die Frage, ob ihn persönlich Rufe erreicht hätten, zu kandidieren, antwortete er im Gespräch mit der dpa mit einem klaren "nein". Nicht ganz ernst gemeinte Rückfrage: "Schlafen Sie denn bei offenem Fenster?" Pistorius darauf: "Nur wegen der frischen Luft. Es gibt keine Rufe." In einer künftigen Regierung wäre er gern weiter Verteidigungsminister, so Pistorius.

Im frisch eröffneten Bundestagswahlkampf wird es vier Kanzlerkandidaten geben, so viele wie noch nie: Die Union hat sich auf Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) festgelegt. Die Grünen wollen am Wochenende auf ihrem Parteitag Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten küren. Und der AfD-Vorstand wird voraussichtlich am 7. Dezember Parteichefin Alice Weidel ins Rennen schicken. (mcf)

Verwendete Quellen:

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