Im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) liefert Deutschland nun schweres Kriegsgerät an die Kurden im Irak. Die Bundesregierung begeht damit einen Tabubruch. Am Ende könnten sich die Waffen auch gegen Deutsche richten.
Erstmals schickt Deutschland Waffen in ein Krisengebiet. Die irakischen Kurden werden mit 40 Maschinengewehren, 500 Panzerabwehrraketen, mehreren tausend Sturmgewehren und 10.000 Handgranaten aus den Beständen der Bundeswehr ausgerüstet. Damit folgt die Bundesregierung auch anderen Ländern im Kampf gegen die IS-Terroristen.
Zuvor hatte auch schon der schiitische Iran die Kurden mit Waffenlieferungen gegen die sunnitischen Islamisten unterstützt. Ebenso die USA, die zudem im Irak Luftangriffe fliegen. Auch Kanada, Albanien und die EU-Länder Frankreich, Großbritannien, Italien und Kroatien wollen militärisches Material in die Region senden. Dänemark schickt ein Hercules-Flugzeug.
"Deutschland wird durch die Lieferungen Kriegspartei"
Die Bundesregierung will mit ihrem Beschluss einen Völkermord verhindern und die Gefahr von terroristischen Anschlägen in Europa verringern. Doch das Risiko, dass die Waffen in die falschen Hände fallen könnten, ist groß. "Dass solche Kleinwaffen, über die nun gesprochen wird, weitergereicht oder erbeutet werden, ist selbstverständlich überhaupt nicht zu verhindern und wird geschehen", sagt der Politikwissenschaftler Dr. Sebastian Huhnholz vom Geschwister-Scholl-Institut der Universität München. "Wie gefährlich das allerdings ist und für wen, lässt sich gar nicht vorhersehen."
Sechs Bundeswehrsoldaten sind derzeit im Irak. Sie sollen die Verteilung der Kriegsgeräte organisieren. Zudem sollen laut Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) keine Waffenlager in der Kurden-Region angelegt werden.
"Deutschland wird durch die Lieferung unweigerlich Kriegspartei", gibt Huhnholz zu bedenken. "Das kann man politisch begründen und viele werden es moralisch vertreten können. Ich fürchte jedoch, dass unsere politischen Entscheidungsträger die Verantwortung abschieben werden, sollte es zu Konsequenzen dieser indirekten Konfliktintervention kommen, insbesondere zu kleineren und spontanen Anschlägen auf Deutsche oder sogar innerhalb Deutschlands."
Was passiert mit den Waffen?
In der Vergangenheit gab es genug Beispiele, wie wenig Kontrolle es über Rüstungslieferungen gibt. Die Extremisten der IS selbst haben viele Waffen aus US-amerikanischer Produktion an sich gebracht. Sie waren eigentlich für die irakische Armee bestimmt. Viele Soldaten sind vor den Terroristen aber geflohen oder zu ihnen übergelaufen.
Beim Bürgerkrieg in Libyen wurden die Rebellen unter anderem von Frankreich mit Waffen beliefert. Nach dem Umsturz exportierte Libyen nach einem Bericht der Vereinten Nationen das Kriegsmaterial in andere Krisengebiete wie Mali oder Syrien. Das gigantische Kriegsarsenal in vielen Regionen im Nahen Osten und in Afrika facht viele Konflikte erst richtig an.
Politikwissenschaftler Huhnholz kritisiert deswegen, dass Waffenexporte generell kaum kontrollierbar seien: "Es wird ja auch derzeit wieder gern so getan, als sei eine unkontrollierte Weitergabe im Sinne einer Zweckentfremdung der aus deutscher Produktion stammenden Waffen außergewöhnlich schädlich, während man das Gros unserer gewöhnlichen, also enorm umfangreichen und lukrativen Waffenexporte irgendwie im Griff habe."
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