Viel Einigkeit und einige klare Streitpunkte - so präsentieren sich die Kandidaten für den SPD-Vorsitz zum Start ihrer großen Deutschlandtour. Gleich am Anfang gab es eine Überraschung.

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Mit Aufrufen zu mehr sozialer Gerechtigkeit und höherer Glaubwürdigkeit sind die Kandidaten für den SPD-Parteivorsitz ins Rennen gegangen. Bei ihrer ersten gemeinsamen Vorstellung am Mittwoch in Saarbrücken traten aber auch Differenzen zutage - unter anderem in der Steuerpolitik und bei der Frage, ob die SPD in der großen Koalition bleibe soll. Für eine Überraschung sorgte das Kandidatenduo Simone Lange und Alexander Ahrens: Es zog zum Start der Deutschlandtour der Kandidaten zurück.

Die Flensburger Oberbürgermeisterin und der OB von Bautzen kündigten an, stattdessen den Ex-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, der gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken antritt, zu unterstützen. "Wir sind nicht weg, wir werden weiter Wahlkampf machen", sagte Lange. Bis 12. Oktober werden nun 15 Kandidaten, sieben Duos und ein Einzelbewerber, bei weiteren 22 Regionalkonferenzen bei der Basis um Stimmen werben.

Ziel: Vertrauen zurückgewinnen

Vizekanzler Olaf Scholz, der gemeinsam mit der Brandenburgerin Klara Geywitz antritt, sagte, er trete für einen höheren Spitzensteuersatz und eine "ordentliche Vermögensteuer" ein. "Aber wir müssen auch Steuern senken für die im unteren Einkommensbereich, für die, die normal verdienen", sagte er. Der Bundestagsabgeordneten Hilde Matheis reicht dies nicht. "Lasst uns offensiv für eine Vermögensteuer, für eine Erbschaftsteuer und für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes kämpfen", sagte sie.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius rief die Genossen dazu auf: "Wir müssen die Geschlossenheit der Partei zurückgewinnen." Dazu gehöre, "dass wir aufhören müssen, uns ständig mit uns selbst zu beschäftigen. Davon haben die Sozialdemokraten die Nase voll". Sie wollten, dass die Partei Ziele definiere und umsetze. Und: "Erst wenn wir anfangen, wieder solidarisch miteinander umzugehen, dann werden die Menschen uns wieder vertrauen".

Appell für Umfassende Erneuerung

"Ich glaube nicht, dass es der SPD an Konzepten fehlt und dass es uns an Glaubwürdigkeit fehlen würde", sagte der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, der mit Nina Scheer im Rennen ist. Das Problem sei, dass die SPD immer wieder gute Dinge fordere - "und kurz danach machen wir dann eine Koalition, wo nichts davon umgesetzt wird". Er plädierte für einen Austritt aus der GroKo.

Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping, im Duo mit Pistorius, will, dass die SPD "Brückenbauer" ist. "Wir wollen keine Flügelkämpfe in der SPD, wir wollen ein Miteinander." Und: "Wir haben aus Ostdeutschland viel mitzubringen in die Politik. Wir möchten, dass es eine gesamtdeutsche Politik gibt."

Die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, rief zu einer umfassenden Erneuerung der Partei auf. "Das ist nur möglich, wenn wir es gemeinsam machen." Denn die Partei befinde sich "in einer existenziellen Krise". Es brauche ein "klares erkennbares Profil", um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Dazu müsse man sich auf die Grundwerte zurückbesinnen.

Großer Zulauf bei Auftaktveranstaltung

Scholz betonte: "Nur ein starker Sozialstaat und ein starkes Europa und eine starke sozialdemokratische Partei können dafür sorgen, dass die Welt nicht auseinanderdriftet, dass wir zusammenhalten und dass es eine gute Zukunft gibt. Dafür brauchen wir eine starke, eine stolze SPD."

Die SPD freute sich über den großen Zulauf bei der Auftaktveranstaltung: "Die Hütte ist voll, die Menschen sind interessiert", sagte der Interimschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Im Saal waren rund 700 Zuschauer gekommen, Zehntausende waren übers Internet live dabei.

Die Suche nach einem neuen Vorsitz war nötig geworden, nachdem Andrea Nahles im Juni vom Partei- und Fraktionsvorsitz zurückgetreten war. Kommissarisch übernahmen Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Schäfer-Gümbel den Parteivorsitz.

Fokus auf Favoriten

Mit Spannung wird das Abschneiden der Favoriten erwartet. Vizekanzler und Finanzminister Scholz tritt gemeinsam mit Klara Geywitz an, die bei der Landtagswahl am Sonntag ihr Mandat im Landesparlament verloren hatte. Mit dem Ex-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Walter-Borjans, der gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken antritt, hat Scholz inhaltlich einen direkten Konkurrenten. Scholz steht eher für eine Fortsetzung der großen Koalition und einen Haushaltskurs der Schwarzen Null. Walter-Borjans, der sich mit dem Ankauf sogenannter Steuersünder-CDs einen Namen gemacht hatte, positionierte sich kritisch zur GroKo und offen für kreditfinanzierte Investitionen.

Doch auch anderen Kandidaten werden von Beobachtern Chancen eingeräumt. Als weitere Duos treten an: Pistorius und Köpping; Schwan und Parteivize Stegner; Europa-Staatsminister Michael Roth und die Ex-NRW-Familienministerin Christina Kampmann; die Bundestagsabgeordneten Lauterbach und Scheer; Mattheis und der Verdi-Chefökonom Dierk Hirschel sowie als Einzelbewerber der Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner.

Dann folgt eine Mitgliederbefragung online und per Brief. Erhält niemand mehr als 50 Prozent der Stimmen, gibt es eine Stichabstimmung. Das Ergebnis soll von den Delegierten des SPD-Parteitags Anfang Dezember in Berlin bestätigt werden.   © dpa

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