Der Hisbollah-Chef sei "der Terrorist schlechthin" gewesen, sagt Israels Premier über den vom israelischen Militär getöteten libanesischen Schiiten-Führer. Libanon hat indes eine dreitägige Staatstrauer für Nasrallah angeordnet. Aus Angst vor einer Eskalation des Konflikts fliehen mehr als 50.000 Menschen aus dem Libanon in das Bürgerkriegsland Syrien.

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Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die gezielte Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah als "Abrechnung mit einem Massenmörder" bezeichnet. "Er war nicht nur irgendein Terrorist, sondern der Terrorist schlechthin", sagte Netanjahu vor Medienvertretern in Tel Aviv. Es war seine erste öffentliche Äußerung, nachdem das israelische Militär den libanesischen Schiiten-Führer am Freitag in Beirut getötet hatte.

Nasrallah sei eine Art Turbo der vom Iran geschaffenen "Achse des Bösen" gewesen, führte er weiter aus. Der Hisbollah-Chef habe sich der Ermordung zahlloser Israelis, hunderter Amerikaner und dutzender Franzosen schuldig gemacht. "Solange Nasrallah am Leben gewesen wäre, hätte er die (militärischen) Fähigkeiten, die wir der Hisbollah genommen haben, schnell wiederhergestellt", fuhr er fort. "Deshalb habe ich die Order gegeben – und Nasrallah ist nicht mehr unter uns."

Netanjahu warnt: "Wer uns angreift, den greifen wir an"

Ministerpräsident Netanjahu hat außerdem den Iran vor einem Angriff auf Israel gewarnt. "Und an das Regime der Ajatollahs sage ich: Wer uns angreift, den greifen wir an", sagte er vor Medienvertretern in Tel Aviv mit Blick auf die Führung in Teheran. "Es gibt keinen Ort im Iran oder im Nahen Osten, den Israels langer Arm nicht erreichen kann."

Der Iran unter Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei gilt als Schutzmacht und wichtigster Verbündeter der schiitischen Hisbollah-Miliz. Staatsoberhaupt Chamenei ordnete nach der Tötung Nasrallahs bei einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort von Beirut Staatstrauer an. Unter den Opfern des Luftschlags vom Freitag war auch der iranische Brigadegeneral Abbas Nilforuschan, der stellvertretende Kommandeur für Operationen der Revolutionsgarde.

Allerdings ist längst nicht klar, ob der Iran der Hisbollah zu Hilfe eilen wird. Die neue iranische Regierung unter Präsident Massud Peseschkian kämpft mit einer schweren Wirtschaftskrise und strebt eine Wiederannäherung an den Westen an. Obwohl Irans militärische Führung nach der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in Teheran Ende Juli Vergeltung angekündigt hatte, blieb diese bis heute aus.

Tötung von Hisbollah-Geheimdienstlers

Die Tötung Nasrallahs sei auch ein Fortschritt mit Blick auf die erstrebte Rückkehr zehntausender Israelis in den Norden des Landes, sagte Netanjahu. Sie mussten ihr Zuhause verlassen, weil die Hisbollah den Landesteil seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr mit Raketen, Granaten und Drohnen beschießt. Die Hisbollah gibt an, dabei aus Solidarität mit der palästinensischen Hamas im Gazastreifen zu handeln.

Nach dem Tod von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat Israels Militär eigenen Angaben zufolge außerdem einen hochrangigen Geheimdienstkader der libanesischen Schiiten-Miliz getötet. Durch einen gezielten Luftangriff sei Hassan Chalil Jassin, der Leiter einer Geheimdienstabteilung, die an der Planung von Raketenangriffen auf Israel mitwirkt, in einem südlichen Vorort von Beirut "eliminiert" worden, teilte die Armee mit. Jassin soll persönlich an der Planung und Vorbereitung von Angriffen auf israelische Zivilisten und Soldaten beteiligt gewesen sein.

Libanon ordnet Staatstrauer für Nasrallah an

Die libanesische Regierung hat inzwischen eine dreitägige Staatstrauer für den getöteten Hisbollah-Chef angeordnet. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete, während der Staatstrauer von Montag bis Mittwoch sollten die Flaggen an öffentlichen Einrichtungen auf halbmast hängen. Fernseh- und Radiosender würden ihre Programme an das "schmerzhafte Ereignis" anpassen, hieß es.

Darüber hinaus soll an dem Tag, an dem Nasrallahs Beerdigung stattfindet, die Arbeit in allen öffentlichen und privaten Einrichtungen eingestellt werden, wie NNA berichtete. Die Hisbollah hat bisher nicht bekanntgegeben, wann Nasrallah beerdigt werden soll.

Mehr als 50.000 Menschen fliehen nach Syrien

Infolge der andauernden israelischen Angriffe im Libanon sind nach Angaben der Vereinten Nationen bisher mehr als 50.000 Menschen ins Bürgerkriegsland Syrien geflohen. In Abstimmung mit beiden Regierungen seien Hilfsaktionen im Gange, um allen Bedürftigen zu helfen, teilte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, auf X mit. Zudem seien mehr als 200.000 Menschen im Libanon Binnenflüchtlinge.

Im Libanon leben nach Regierungsangaben rund 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge und weitere Syrer, die keine Flüchtlinge sind. In Syrien herrscht seit 2011 ein Bürgerkrieg. Mehr als 350 000 Menschen wurden getötet, etwa 13 Millionen weitere wurden innerhalb Syriens vertrieben oder sind in andere Länder geflohen. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.

Familien von US-Diplomaten verlassen Libanon

Infolge der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz hat die US-Regierung die Ausreise von Angehörigen ihrer Diplomaten im Libanon angeordnet. Grund sei die unsichere und unvorhersehbare Lage in der Hauptstadt Beirut, erklärte das US-Außenministerium.

Familienmitglieder von US-Regierungsmitarbeitern müssen demnach das Land verlassen, sofern sie nicht selbst für die Regierung arbeiten. Allen Mitarbeitern, deren Aufgaben als nicht essenziell eingestuft werden, wurde die Ausreise genehmigt.

Genauso wie Deutschland und viele andere westliche Staaten fordern auch die USA ihre Staatsbürger dringend dazu auf, den Libanon zu verlassen. (dpa/ bearbeitet von best)

Hisbollah: Hochgerüstete Miliz an Israels Nordgrenze

Die Hisbollah ist nicht leicht zu fassen: Sie ist im Libanon soziale Bewegung, politische Partei und radikale Miliz. Sie ist mit dem Iran und der radikalislamischen Palästinenserbewegung Hamas verbündet. Ihr Anführer Hassan Nasrallah ist jetzt bei einem israelischen Angriff im Libanon getötet worden, wie die Hisbollah bestätigte.
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