Von "Komplikation in letzter Minute" ist die Rede: Die an diesem Donnerstag erwartete Freilassung Dutzender Geiseln im Gazastreifen verzögert sich laut israelischen Medienberichten.
Die zwischen Israel und der islamistischen Hamas vereinbarte Freilassung von Geiseln aus dem Gazastreifen verzögert sich offenbar. Laut übereinstimmenden israelischen Medienberichten dürfte sie nicht vor Freitag erfolgen. Die Zeitung "Haaretz", der TV-Sender N12 und die "The Times of Israel" beriefen sich dabei auf Äußerungen von Israels Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi.
Die Hamas hatte am Vortag noch erklärt, die vereinbarte Kampfpause solle am Donnerstag um 9.00 Uhr MEZ beginnen. Entsprechend war der erste Austausch von in Israel entführten Geiseln gegen palästinensische Häftlinge noch für denselben Tag erwartet worden. Derweil gab es laut Israels Armee am Donnerstagmorgen wieder Raketenalarm im Grenzgebiet.
Armeesprecher: Rückführung der Geiseln kann dauern
"Die Gespräche über die Freilassung unserer Geiseln schreiten voran und werden laufend fortgesetzt", wurde Hanegbi am Mittwochabend zitiert. Die "Times of Israel" zitierte Hanegbi mit den Worten: "Die Freilassung wird gemäß der ursprünglichen Vereinbarung zwischen den Parteien beginnen, und nicht vor Freitag." Das israelische Militär bereite die Umsetzung der ersten Phase der Vereinbarung zwar vor, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwochabend. Die Rückführung der in den abgeriegelten Küstenstreifen verschleppten Menschen könne allerdings Zeit in Anspruch nehmen und in mehreren Etappen ablaufen.
Ein israelischer Beamter erklärte die Verzögerung laut "Times of Israel" zufolge damit, dass entgegen der bisherigen Auffassung der israelischen Seite sowohl Israel als auch die islamistische Hamas zunächst ein Dokument zur Ratifizierung des Abkommens unterzeichnen müssten, damit es in Kraft treten könne. Das Dokument werde hoffentlich innerhalb der nächsten 24 Stunden unterzeichnet, sodass die ersten Geiseln am Freitag freigelassen werden könnten. Die "Jerusalem Post" sprach von einer "Komplikation in letzter Minute".
Beide Seiten hatten sich zuvor auf eine maximal zehntägige Feuerpause in Israel und dem Gazastreifen geeinigt. Teil der Vereinbarung ist ein Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Insassen israelischer Gefängnisse.
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Israels Luftwaffe führt Schlag gegen Hisbollah aus
Die in Verbindung zur Hamas stehende und ebenfalls mit Israel verfeindete Hisbollah-Miliz im Libanon, die sich seit Beginn des Gaza-Krieges vor knapp sieben Wochen immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen mit Israels Militär liefert, ist der "Jerusalem Post" zufolge nicht Teil des Abkommens.
Die Zwischenfälle an der Grenze zum Libanon, die zu eskalieren drohen, hätten keinen Einfluss darauf. Unterdessen griff Israel nach eigenen Angaben in der Nacht zu Donnerstag Ziele der proiranischen Miliz im Libanon an.
Sicherheitskreise: Elite-Mitglieder der Hisbollah getötet
Das israelische Militär meldete, Kampfflugzeuge hätten Infrastruktur der Schiiten-Miliz attackiert. Die Hisbollah gab bekannt, dass mindestens fünf ihrer Mitglieder getötet worden seien. Darunter sei der Sohn des Vorsitzenden des parlamentarischen Blocks der Hisbollah im libanesischen Parlament, Mohamed Raad. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus libanesischen Sicherheitskreisen erfuhr, handelte es sich um Mitglieder der Elite-Brigade der Hisbollah, Al Radwan. Demnach wurde ein Haus im Dorf Beit Yahoun in Südlibanon getroffen.
Es besteht Sorge, dass sich der Gaza-Krieg auf den Libanon ausweiten könnte. Die Hisbollah gilt als einflussreicher und deutlich schlagkräftiger als die Hamas. Zudem gilt die Hisbollah als wichtigster nichtstaatlicher Verbündeter des Irans und zählt zur selbst ernannten "Widerstandsachse", einer Front von Milizen mit dem Ziel, Irans Erzfeind Israel zu bekämpfen.
Biden: Machen uns für Freilassung aller Geiseln stark
US-Präsident Joe
Biden habe in einem Telefonat mit Ministerpräsident
Israels Armee: Tunnel unter Schifa-Krankenhaus freigelegt
Die israelische Armee hat unterdessen nach eigenen Angaben weitere Teile eines mutmaßlichen Hamas-Tunnelsystems unter dem Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen freigelegt. Das Militär veröffentlichte am Mittwochabend Videos und Bilder, auf denen weitere Eingänge zu Tunneln sowie unterirdische Räume und Verstecke zu sehen waren. Die israelischen Streitkräfte vermuten unter dem größten Krankenhaus im Gazastreifen eine Kommandozentrale der Hamas.
Erst vor wenigen Tagen entdeckte das Militär während des umstrittenen Einsatzes in der Klinik einen Schacht, der nach Angaben der Armee zu einer Tunnelstrecke führt, an dessen Ende sich nach 55 Metern eine "explosionssichere" Tür befand. Wie die Armee nun bekannt gab, befinden sich hinter der erst kürzlich aufgebrochenen Tür ein klimatisierter Raum und ein Badezimmer sowie weitere Schächte. Nach Angaben des Militärs erstreckt sich das Tunnelsystem unter dem gesamten Krankenhausgebäude sowie weiteren Gebäuden in der Gegend.
Nach Einschätzung des Militärsprechers Hagari sind die Ergebnisse der Erkundung Beweise für die "bewusste Vorgehensweise der Hamas, unter Krankenhäusern zu agieren". Die Klinik sei gezielt als Waffenlager und Kommandozentrale der Hamas genutzt worden. Die Hamas bestreitet dies. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Israel: Alle Hamas-Führer sind dem Tod geweiht
Netanjahu hatte zuvor erklärt, der Krieg im Gazastreifen gegen die Hamas werde nach Umsetzung der Vereinbarung über eine Feuerpause weiter fortgesetzt. Sein Verteidigungsminister Joav Galant sagte laut der "Times of Israel" am Mittwochabend, alle Hamas-Führer würden getötet. "Der Kampf ist weltweit: Vom Bewaffneten im Feld bis hin zu denen, die sich in Luxusjets vergnügen, während ihre Abgesandten gegen Frauen und Kinder vorgehen - sie sind dem Tod geweiht".
In einem ersten Schritt geht es bei der Abmachung zwischen Israel und der Hamas um den Austausch von 50 israelischen Geiseln und 150 palästinensischen Häftlingen innerhalb von vier Tagen. In einem zweiten Schritt sollen abermals in kleineren Gruppen bis zu 50 weitere israelische Geiseln gegen bis zu 150 weitere palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden. Erst wenn die Geiseln in Israel seien, würden die Familien benachrichtigt, um "keine falschen Hoffnungen" bei den Angehörigen der im Gazastreifen Festgehaltenen zu wecken, die befreit werden sollen, schrieb die "Jerusalem Post" am Donnerstag.
Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen hatten am 7. Oktober im Süden von Israel beispiellose Massaker verübt, rund 1200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln nach Gaza verschleppt, darunter auch Deutsche. Von den 240 Verschleppten wurden bislang vier weibliche Geiseln von der Hamas freigelassen. Eine junge Soldatin konnte vom Militär befreit werden. Die Armee fand zudem die Leichen zweier Frauen. Wie viele insgesamt noch am Leben sind, ist unklar.
Was am Donnerstag wichtig
Unklar ist, ob die vereinbarte Feuerpause wie zunächst erwartet in Kraft gesetzt wird oder wie von israelischen Medien berichtet frühestens Freitag in Kraft tritt. An dem Tag soll den Berichten nach dann die Freilassung erster Geiseln sowie die Entlassung palästinensischer Häftlinge in Israel beginnen. (dpa/tha)
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