• Vier Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete haben öffentlich erklärt, der Auflösung des Landtags nicht zustimmen zu wollen, wie es ihre Partei zusammen mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung vereinbart hat.
  • Damit fehlt genau eine Stimme, um eine vorzeitige Neuwahl in die Wege zu leiten.
  • Eine am Mittwoch einberufene Fraktionssitzung der CDU dürfte die Wogen nicht geglättet haben im Gegenteil.

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Der Termin für die Auflösung des Thüringer Landtags steht. Ob aber tatsächlich am 19. Juli die dafür nötige Mehrheit zusammenkommt, ist alles andere als klar. Damit wackelt auch die geplante Neuwahl im Herbst.

Die Abstimmung zur Auflösung, bei der eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist, muss spätestens im Juli abgeschlossen sein, um fristgerecht die Neuwahlen am 26. September zu organisieren (zeitgleich zur Bundestagswahl). Auf diesen Zeitplan hatte sich die rot-rot-grüne Minderheitsregierung zusammen mit der oppositionellen CDU Anfang Mai verständigt.

Doch in der Landtagsfraktion der Christdemokraten rumort es, einige CDU-Politiker wollen sich nicht an die Absprachen halten. Die vier Abgeordneten Christina Tasch, Michael Heym, Maik Kowalleck und Jörg Kellner haben sich am Mittwoch öffentlich gegen die mit Linkspartei, SPD und Grünen geplante Neuwahl gestellt. Sie wollen die Auflösung blockieren, wie zuerst das "Freie Wort" und die "Thüringer Allgemeine" berichteten.

Genau eine Stimme fehlt zur Selbstauflösung

In ihrer Erklärung heißt unter anderem, seit der Verabschiedung des Landesetats für 2021 hätten die vier Abgeordneten ihre "Bedenken gegen eine Selbstauflösung hervorgebracht und klar kommuniziert, dass wir diesen Weg nicht gehen werden". Sie sehen "keinen Anlass für vorgezogene Neuwahlen".

Die offen vorgetragene Absage kommt einem Paukenschlag gleich – denn damit wird die nötige Zweidrittel-Mehrheit, 60 von 90 Abgeordnete, genau um eine Stimme verfehlt. Das Dreier-Regierungsbündnis kommt zusammen auf 42 Abgeordnete, die CDU-Fraktion besteht aus 21 Parlamentariern – macht in Summe 63. FDP und AfD wollen nach bisherigen Angaben eine Landtagsauflösung nicht aktiv betreiben.

In der Thüringer CDU rumort es schon seit Monaten

Bereits im März stand die Abstimmung in der CDU zum ersten Mal zur Debatte, Anfang Mai wandten sich dann vier Abweichler in einem Brief an CDU-Fraktionschef Mario Voigt. Und nun der Schritt an die Öffentlichkeit. Tasch, Heym und Co. sorgen für weitere Spannungen in der eigenen Partei und für Unmut bei den Regierungsparteien.

"Die CDU-Landtagsfraktion hat sich heute erneut mit breiter Mehrheit für die Auflösung des Landtags und für Neuwahlen ausgesprochen", betonen Voigt und CDU-Landeschef Christian Hirte in einer Pressemitteilung am Mittwochnachmittag.

Das klingt eindeutig, ist es aber nicht: Denn in einer Art Probeabstimmung hätten drei Abgeordnete erklärt, "dass sie der Auflösung des Landtags nach heutigem Stand nicht zustimmen wollen". Die übrigen 17 anwesenden Abgeordneten hätten den Beschluss hingegen mitgetragen. Eine Abgeordnete habe zudem aus gesundheitlichen Gründen gefehlt – höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei um Christina Tasch, da die gesamte Fraktion nur zwei weibliche Mitglieder hat.

Weiter heißt es in dem Statement, das unserer Redaktion vorliegt, in "intensiven Diskussionen" sei deutlich geworden, "dass die vorzeitige Auflösung des Landtags für keinen Abgeordneten eine leichte Entscheidung ist." Es bleibt jedoch noch Zeit, weitere klärende Gespräche zu führen". "Das Land braucht Neuwahlen", sagen Voigt und Hirte.

Fraktionschef Voigt hatte in der Vergangenheit immer wieder versucht, mit ähnlichen Aussagen Linkspartei, SPD und Grüne zu beschwichtigen und zugleich die eigenen Reihen geschlossen zu halten. Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Hey ist das zu wenig. Er forderte Voigt und Hirte auf, "Klarheit zu schaffen und die notwendige Mehrheit jenseits von AfD und FDP vereinbarungsgemäß sicherzustellen". Hey erwartet von der Thüringer CDU "sehr rasch ein klares Signal", wie er unserer Redaktion auf Anfrage sagte.

Weitreichende Folgen, wenn Landtag aufgelöst wird

Bleibt also der 19. Juli als Termin für die Abstimmung zur Auflösung bestehen?

"Ja", sagt Hey, "denn die offene Kooperation von CDU und FDP mit der AfD im letzten Jahr hat die Vertrauensbasis des Thüringer Landtags tief erschüttert und eine Neuwahl daher unumgänglich gemacht". Wie Linkspartei und Grüne auch, stehe die SPD zu ihrem Wort.

Hey verwies auf die weitreichenden Folgen, die die Auflösung des Verfassungsorgans Parlament mit sich bringt. "Einen Antrag ohne klare Aussage der CDU und damit also mit offenem Ausgang zu stellen wird dieser politischen und verfassungsrechtlichen Bedeutung nicht gerecht."

Laut einer gemeinsamen Erklärung vom Mittwoch haben die Fraktionschefs von Linkspartei, SPD und Grüne Voigt "zu einem dringlichen Gespräch" eingeladen.

Hoffnung auf klare Mehrheiten nach der Wahl

Bereits seit Wochen verlangen die Regierungsparteien von ihm eine Vorab-Zusage, dass alle 21 CDU-Abgeordneten im Juli der Selbstauflösung zustimmen. Der CDU-Fraktionschef lehnt einen solchen Schritt ab: "Ich halte nicht viel von dieser üblichen linken Arroganz, wo man immer versucht zu diktieren", sagte er am Dienstagmorgen in einem Interview mit dem MDR.

Die oppositionelle CDU-Fraktion hatte sich nach der schweren Regierungskrise 2020 mit der rot-rot-grünen Minderheitskoalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) auf eine vorgezogene Landtagswahl verständigt. In der Hoffnung auf klare Mehrheiten im Parlament, allerdings haben sich laut aktuellen Umfragen die Prozentzahlen für alle im Landtag vertretenen Parteien im Vergleich zur Wahl 2019 nur minimal verschoben. Regulär würde der Landtag erst 2024 neu gewählt.

In Thüringen wäre es die erste Landtagsauflösung seit der Wiedervereinigung. Auch bundesweit ist solch ein Schritt, bei dem Abgeordnete ihr Mandat quasi zurückgeben und sich vorfristig den Wählern stellen, eher selten.

Mit Material von dpa.

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