- Trotz leichter Verluste erreicht die AfD bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wieder ein Ergebnis über 20 Prozent.
- Sie hat sich im deutschen Parteiengefüge etabliert, meint Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder.
- Das Ergebnis in Sachsen-Anhalt taugt jedoch in seinen Augen nicht als Stimmungstest für die Bundestagswahl.
Herr Schroeder, einige Umfrageinstitute haben für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt bis zuletzt ein knappes Rennen zwischen CDU und AfD prognostiziert, nun trennen beide Parteien mehr als 16 Prozentpunkte. Warum lagen die Demoskopen so daneben?
Wolfgang Schroeder: So stark polarisierte Wahlen wie die in Sachsen-Anhalt sind grundsätzlich sehr schwer zu prognostizieren. Da kann man den Meinungsforschern nicht unbedingt einen Vorwurf machen. Viele Wähler haben sich offensichtlich sehr spät noch einmal umentschieden und taktisch gewählt.
Um einen Wahlsieg der AfD zu verhindern?
Genau. Für das gute Ergebnis der CDU sind überzeugte Demokraten, die nicht wollten, dass die AfD das ganze Land in Geiselhaft nehmen kann, verantwortlich. Diese Wähler kamen von den Sozialdemokraten, Linken und aus dem Lager der ehemaligen Nichtwähler. Viele von ihnen haben sich kurzfristig entschieden, lieber Ministerpräsident
SPD und Linke in Sachsen-Anhalt versuchen ihre schwachen Ergebnisse auch damit zu erklären, dass ihre potenziellen Wähler das Kreuz lieber bei Reiner Haseloff gemacht haben. Zu Recht?
Teilweise lässt sich das Abrutschen der SPD und Linken so erklären. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Gruppe der Stammwähler, die immer für die gleiche Partei stimmen, ständig kleiner wird. Wenn es eng wird, spielt für viele Menschen die klassische politische Farbenlehre keine große Rolle mehr. Zusätzlich hat Herrn Haseloff der Ministerpräsidentenbonus natürlich auch geholfen.
Hat er die AfD eindämmen können?
Ein wenig. Es ist die vierte Landtagswahl in Folge, bei der die AfD mit einem Stimmenrückgang konfrontiert ist. Etwa 22.000 Wähler sind in Sachsen-Anhalt von der AfD zur Union gegangen. Das konnte aber nicht verhindern, dass die AfD mit mehr als 20 Prozent der Stimmen wieder ein sehr gutes Ergebnis geholt hat – und zwar trotz aller inneren Verwerfungen und der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ihr Ergebnis bei der Landtagswahl 2016 hatte sie auch der Flüchtlingskrise zu verdanken. Das jetzige zeigt: Die AfD hat sich in deutschen Parlamenten etabliert.
Wie bewerten Sie ihr Ergebnis im Hinblick auf die Bundestagswahl?
Sie ist eine stabile Kraft im deutschen Parteiengefüge und ganz offensichtlich in der Lage, einen Teil der Bevölkerung zu repräsentieren, der mit den bislang tonangebenden Parteien nicht zufrieden ist.
Selbst bringt sie sich auch immer wieder als Regierungspartei ins Gespräch. Ist die AfD regierungsfähig?
Sie ist weder koalitions- noch regierungsfähig. Die AfD ist eine Erpressungspartei. Für sie steht im Hinblick auf jedes theoretisch mögliche Bündnis fest: Entweder übernehmt ihr unsere Themen oder ihr werdet untergehen. Dem wird sich auf absehbare Zeit keine der anderen Parteien in Deutschland unterwerfen.
Marco Wanderwitz, Ostbeauftragter der Bundesregierung, hat die guten Ergebnisse der AfD in Ostdeutschland kürzlich mit der "Diktatursozialisierung" der Menschen dort erklärt. Nun aber hat die AfD in Sachsen-Anhalt ihr bestes Ergebnis gerade bei den jungen Menschen geholt, die eben nicht in der DDR sozialisiert worden sind. Überrascht Sie das?
Bisher war die Neigung, AfD zu wählen, tatsächlich in den mittleren Jahrgängen am größten, etwa in der Altersgruppe zwischen 35 und 60. Dass nun in Sachsen-Anhalt auch in der Altersgruppe so viele der 25- bis 34-Jährigen der AfD ihre Stimme gegeben haben, überrascht mich. Das muss man sich genauer anschauen.
Der AfD-Co-Vorsitzende Jörg Meuthen meint, dass für seine Partei "ein stärkeres in die Mitte rücken, ein weniger krasser Protestkurs erfolgversprechender gewesen wäre". Wäre die AfD erfolgreicher, wenn sie sich weniger extrem geben würde?
Ich finde es sehr schwierig, vom Ergebnis in Sachsen-Anhalt Rückschlüsse auf den Wählerwillen in anderen Bundesländern oder im Bund zu ziehen. Der Wahlkampf dort war sehr speziell auf den Kontext in Sachsen-Anhalt zugeschnitten und Landtagswahlen sind eben keine kleinen Bundestagswahlen.
Wie das nach der Bundestagswahl im Herbst auch kommen könnte, hat die CDU in Sachsen-Anhalt nun gleich mehrere Koalitionsoptionen. Wohin könnte die Reise gehen?
Prognosen sind zu diesem Zeitpunkt natürlich Kaffeesatzleserei. Rein programmatisch könnte für die CDU eine sogenannte Deutschland-Koalition mit SPD und FDP eine interessante Alternative zum bisherigen Bündnis mit SPD und Grünen sein. Eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es sicher nicht geben.
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