Frank Plasberg hat sich am Montag aus der Sommerpause zurückgemeldet. Von Urlaubserholung ist bei "Hart aber fair" aber keine Spur: Stattdessen reden sich die Gäste den Frust von der Seele.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Die Ferienzeit neigt sich dem Ende zu und damit auch die Sommerpause der Polit-Talkshows. Die Welt stand aber natürlich nicht still in den vergangenen Wochen. Erst recht nicht in diesem verrückten Corona-Jahr. Und so nimmt sich Frank Plasberg bei seiner ersten Sendung von "Hart aber fair" nach der Pause gleich eine ganze Menge vor.

Es geht um alles, was schieflief oder noch Kummer bereitet in diesem Sommer: Steigende Infektionszahlen, verpatzte Coronatests in Bayern, große Verunsicherung vor dem Schulstart – und dazu noch die Frage, wie mit Menschen umzugehen ist, die das ganze Virus und seine Bekämpfung in Zweifel ziehen. Viel Diskussionsstoff für nur 75 Minuten.

Wer sind die Gäste?

  • Peter Tschentscher: Der Erste Bürgermeister von Hamburg kritisiert die Pannen an den bayerischen Teststationen, wo Reiserückkehrer sehr lange auf ihre Ergebnisse warten mussten. "Wenn man eine scharfe Ansage macht, muss man auch wissen, wie's umgesetzt wird", sagt der SPD-Politiker. Das lässt sich als Spitze gegen seinen bayerischen Amtskollegen Markus Söder verstehen. Allgemein bezweifelt Tschentscher die derzeitige Strategie im Umgang mit Reiserückkehrern: "Wildes Drauflos-Testen" sei nicht sinnvoll.
  • Christina Berndt: Die Idee, Reiserückkehrer genauer in Augenschein zu nehmen, kam ein bisschen spät, kritisiert die Wissenschaftsredakteurin der Süddeutschen Zeitung. "Vor allem aber war es schlecht geplant." Man brauche eine "vernünftige Strategie in allen Bereichen".
  • Michael Hüther: Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln wehrt sich gegen den Eindruck, die gestiegenen Infektionszahlen seien allein darauf zurückzuführen, dass die Deutschen wieder ins Ausland reisen. "Es ist doch nicht die Reise an sich – es ist das Verhalten im Ausland." Wer derzeit auch durch deutsche Städte und Vororte gehe, sehe überall wieder feiernde Menschen. "Wir müssen das Verhalten in den Blickpunkt nehmen."
  • Nele Flüchter: Die zweifache Mutter hat die Initiative "Familien in der Krise" gegründet. Ihre Einladung hatte im Vorfeld in sozialen Medien zum Teil zu Kritik geführt, da die Initiative dort in die Nähe von Corona-Leugnern gestellt wurde. Flüchter kritisiert, dass ihr Sohn in Nordrhein-Westfalen auch im Unterricht einen Mund-Nase-Schutz tragen muss. "Ich finde es schwer, dass man sagt, Reisende dürfen in Risikogebiete fahren – und die Kinder müssen es dann ausbaden."
  • Florian Schroeder: Der Kabarettist hat gerade für Aufsehen gesorgt, weil er zu einer Anti-Corona-Demo eingeladen wurde – und dort nicht das sagte, was die Demonstrierenden von ihm hören wollten. Diese Menschen pauschal als "Covidioten" zu bezeichnen, findet er aber falsch. "Nach meiner Wahrnehmung ist das nur ein Teil." Es gebe dort genauso Zweifelnde oder "Leute, die sich das einfach nur mal anschauen wollen".

Was ist das Rededuell des Abends?

Es ist keine Sendung, in der die Gäste sich gegenseitig ins Wort fallen oder zu Streitgesprächen ansetzen. An einer Stelle wird es aber emotional: Als Kabarettist Florian Schroeder über die Lage der Kulturbranche spricht.

Die sei "entsetzlich": "Hier geht eine Branche kaputt." Selbst wenn erste Theater und Konzerthäuser nun wieder öffnen: Mit geringeren Zuschauerzahlen sei das für private Veranstalter noch lange nicht kostendeckend.

Die Politik unternehme dagegen aber nichts, kritisiert Schroeder: "Jede Demo, wo 30 Leute ohne Maske sagen ´Corona gibt’s nicht`, bekommt mehr Beachtung als jede Demonstration der Kulturbranche."

Das will Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher so nicht stehenlassen. Man kümmere sich sehr, sagt er – allerdings könne man noch nicht wieder 2.000 Zuschauer in die Elbphilharmonie lassen. "Es hilft weder der Kultur noch der Wirtschaft, wenn wir wieder unvernünftig sind."

Was ist der Moment des Abends?

Spannend wird es am Ende, als die Zuschauerin Carmen Fößel per Video eine Frage stellt, über die noch wenig geredet wird: Was passiert eigentlich, wenn der erhoffte sichere und wirksame Impfstoff nicht so schnell zur Verfügung steht? Was, wenn es ihn in den nächsten zwei, drei, vier, fünf Jahren noch nicht gibt?

Eine deutliche Antwort kann darauf in der jetzigen Situation noch niemand geben. Das sei eine harte Frage, räumt Peter Tschentscher ein. Deswegen versuche man auch, sich langsam einzupendeln: "Also die Regeln so zu finden, dass sie auch durchhaltbar sind über einen längeren Zeitraum."

Mit einer gewissen Unsicherheit müsse man aber leben. "Es nützt jetzt nichts zu sagen, wir springen alle aus dem Fenster, weil es perspektivlos ist."

Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt sorgt dann noch für ein bisschen Optimismus. Positiv ist aus ihrer Sicht, dass man nun immer mehr über das Coronavirus lernt.

Eine 14-tägige Quarantäne zum Beispiel sei für Infizierte möglicherweise gar nicht mehr nötig. Wahrscheinlich reichen auch sieben oder nur fünf Tage, weil Patienten danach nicht mehr infektiös sind.

Was ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"?

Die übervolle Themenliste erweist sich nicht als Problem. Die Sendung verläuft unterhaltsam und abwechslungsreich, was wahrscheinlich auch mit den Gästen zu tun hat. Da es nur einen Politiker in der Runde gibt, bleiben die typischen Reibereien und erwartbaren politischen Statements aus.

Trotzdem erweist sich die Konstellation als schwierig: Nele Flüchter kritisiert zum Beispiel die schlechte digitale Ausstattung der Schulen und die Maskenpflicht für Schüler in Nordrhein-Westfalen.

Eine Politikerin oder einen Politiker, der sich dazu äußern könnte, gibt es in der Runde allerdings nicht. Denn Hamburgs Bürgermeister Tschentscher kann sich leicht aus der Affäre ziehen: In Hamburg seien alle Schulen ans Glasfasernetz angeschlossen – und eine Maskenpflicht im Klassenraum gebe es dort auch nicht.

Noch eine Sache fällt an dieser Sendung auf: Die Deutschen machen ihrem Ruf, notorische Schwarzseher und Nörgler zu sein, mal wieder alle Ehre. Es geht vor allem über das, wo es klemmt.

Wer es nicht besser wüsste, könnte annehmen, dass Deutschland an den Folgen der Coronakrise gerade zugrunde geht. Dabei ist die Lage in Ländern wie Italien, Spanien und Frankreich noch deutlich ernster – bisher haben die Deutschen die Krise ganz gut gemeistert.

Diese Erkenntnis kommt trotz aller berechtigter Kritik an mangelnder Digitalisierung und Testchaos an diesem Abend ein bisschen zu kurz.


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.