"Ich habe nur von Schwarzen gesprochen." - "Nein, haben Sie nicht." Gregor Gysi leistete sich am Donnerstag bei "Markus Lanz" eine sprachliche Entgleisung.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Beklemmender Moment bei "Markus Lanz": Linken-Politiker Gregor Gysi formulierte in der ZDF-Talkrunde am Donnerstag wie selbstverständlich das "N-Wort" aus, wollte hinterher aber nur von "Schwarzen" gesprochen haben. Da gerieten sogar die eigentlichen Themen der Sendung kurz in den Hintergrund: die mögliche Parteigründung Sahra Wagenknechts, der Umgang mit der AfD und Religionsfragen im Allgemeinen.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Sahra Wagenknecht, die frühere Fraktionschefin der Linkspartei, wünscht sich nach eigener Auskunft eine stärkere Opposition und plant deshalb, bis Ende des Jahres zu entscheiden, ob sie eine eigene Partei gründet. Ein gewagter Schritt, den Gregor Gysi bei "Markus Lanz" aufs Schärfste kritisierte. Übergeordnetes Thema am Donnerstag aber waren Religionsfragen. Mit dem katholischen Theologen Manfred Lütz und der jüdisch-ultraorthodox aufgewachsenen Bestsellerautorin Deborah Feldman ("Unorthodox") waren dazu ein Experte und eine Expertin eingeladen.

Das sind die Gäste

  • Gregor Gysi, DIE LINKE: "Ich glaube nicht an Gott, aber ich fürchte eine gottlose Gesellschaft."
  • Deborah Feldman, Schriftstellerin: "Neutralität gegenüber dem Judentum scheint unmöglich."
  • Manfred Lütz, Theologe: "Wir ersetzen Christentum, die große Idee des Verzeihens, durch einen erbarmungslosen Moralismus."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Eine Diskussion über die gesellschaftliche Kraft und Gefahr, die von Religion ausgeht, führte zu einem beklemmenden Moment bei "Markus Lanz". Gregor Gysi vergriff sich deutlich in der Wortwahl. Nachdem der Theologe Manfred Lütz das Missbrauchspotenzial von Religion angesprochen hatte, blickte Gysi in die Geschichte der Vereinigten Staaten. Er hob an "Im Süden der USA, wo die N... ja furchtbar behandelt wurden und auch heute noch nicht wirklich gleichberechtigt behandelt werden ...". Das "N-Wort" formulierte Gysi dabei aus. Dann fuhr er fort, "... da sagte ein Priester: Gott hat sich was dabei gedacht, als er Weiße und Schwarze schuf. Nicht, damit sie gleichberechtigt werden."

Betretenes Schweigen war die Folge in der Runde. Dann wandte sich der Moderator an seinen Gast: "Herr Gysi, Sie benutzen das Wort jetzt im historischen Kontext, das Sie gerade ausgesprochen haben?" Als der Politiker nicht verstand, wurde er deutlicher: "Sie haben gerade das sogenannte N-Wort benutzt." Gysi stritt jedoch das Offenkundige ab: "Ich habe nur von Schwarzen gesprochen."

"Nein, haben Sie nicht", insistierte Lanz, der seinen eigenen Ohren mehr traute als den Beteuerungen Gysis. Es wäre interessant, so Lanz, "was jetzt passieren würde, wenn wir das jetzt nicht klarziehen". Gysi verteidigte sich nun anders: "Was ich gemacht habe, ist ein Zitat."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Als Gregor Gysi zu Beginn der Sendung verriet, dass er zuletzt mit Sahra Wagenknecht "vor der Sommerpause" gesprochen habe, hakte ZDF-Moderator Markus Lanz prompt nach, ob es bei dem Gespräch auch um Wagenknechts mögliche Parteigründung ging. Der Linken-Politiker wiegelte zunächst ab: "Bitte die nächste Frage!" Gysi hielt daraufhin kurz inne und machte deutlich, dass er die Parteigründungspläne seiner Genossin generell "für falsch" halte, denn: "Ich halte Abspaltung überhaupt für falsch. Ich war ja mal in einer Einheitspartei und bin jetzt froh, in einer 'Von-bis-Partei' zu sein. Da hat sie ihren Platz, da habe ich meinen Platz."

Während sich Gregor Gysi in Rage redete, merkte Schriftstellerin Deborah Feldman vorsichtig an: "Ich finde es von Vorteil, wenn im Sammelbecken der Unzufriedenen mehrere fischen." Laut Feldman habe die AfD momentan "in dem Kampf um die Unzufriedenen keine Konkurrenz - und Konkurrenz tut immer gut eigentlich". Dennoch gab die Schriftstellerin zu, dass sie "Sahra Wagenknecht nicht für ungefährlich" halte. "Sie macht mir schon Angst als Persönlichkeit."

Theologe Manfred Lütz gab derweil zu bedenken: "Ich glaube nicht, dass alle AfD-Wähler und (...) alle AfD-Mitglieder rechtsextrem sind." Laut Lütz liege "die Gefahr dieser Partei" darin, dass sie gegen Rechtsextreme "ganz spät reagieren und versuchen, diese ganze braune Soße mitzunehmen". Der Theologe halte es daher für unabdingbar, "die Methode" zu ändern und die AfD nicht länger zu ignorieren, sondern mit ihr ins Gespräch zu treten.

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Gregor Gysi konnte dem nur bedingt zustimmen und stellte klar, dass Parteifunktionäre wie Björn Höcke durchaus "rechtsextrem" seien. Laut Gysi sei es überdies ein grober Fehler, dass es keinen Gesprächskreis unter den etablierten Parteien gebe, "wo man sich mal darüber unterhält, wie man wieder Vertrauen bei der Bevölkerung gewinnt". Gysi wetterte weiter, dass in der Bundesregierung "alles so kleinkariert" sei und sich die Verantwortlichen selbst im Weg stünden: "Mein Gott, das geht mir so auf die Nerven!" Lanz antwortete humorvoll: "Denken Sie an Ihren Blutdruck, Herr Gysi!"

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So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz überzeugte am Donnerstagabend mit spitzen Nachfragen und konnte Gregor Gysi mehrmals aus der Reserve locken. Dessen sprachlicher Fauxpas entging dem Moderator nicht und wurde von ihm auch richtig eingeordnet. Wie Lanz selbst treffend bemerkte: Man will sich nicht ausmalen, was medial gefolgt wäre, hätte er das nicht getan.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Spannend an der Diskussionsrunde waren nicht zuletzt Argumente, die zum richtigen und falschen Umgang mit der AfD ausgetauscht wurden. Gregor Gysi attackierte die etablierten Parteien für ihre wenig erfolgreiche Strategie scharf, gab aber auch offen zu, dass "die wirkliche Methode, wie wir das erfolgreich zurückdrängen" bislang noch niemandem eingefallen sei.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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