Die geplante Verschärfung des EU-Asylsystems war zentrales Thema bei "Markus Lanz". Während CDU-Politikerin Serap Güler über eine Flüchtlingsobergrenze sprach, kam von Grünen-Frau Aminata Touré scharfe Kritik.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ob es künftig an den EU-Außengrenzen zu Asyl-Schnellverfahren kommen wird, ist noch völlig offen. Bei "Markus Lanz" lieferten sich CDU-Politikerin Serap Güler und Grünen-Politikerin Aminata Touré am Mittwochabend ein Wortgefecht, als es um die geplante Reform des europäischen Asylsystems sowie die wiederkehrende Frage nach einer Flüchtlingsobergrenze ging.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die geplante EU-Asylreform schlägt hohe Wellen. Vor allem die Frage, ob ein Teil der Verfahren künftig direkt an den EU-Außengrenzen abgewickelt werden soll, sorgt für Diskussionen. Am Donnerstag (8. Juni) sollen deshalb in Luxemburg die EU-Innenministerinnen und -minister zusammenkommen, um über die Asylreform zu beraten. Ob es bei dem Treffen zu einer Einigung kommen wird, ist noch völlig unklar. Sicher ist jedoch, dass bereits unzählige Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen ihrem Ärger Luft gemacht und in einem Papier Kritik an dem von der Bundesregierung unterstützten Vorhaben geäußert haben. Auch bei "Markus Lanz" sorgte das Thema für jede Menge Zündstoff.

Das sind die Gäste

  • Serap Güler, CDU-Verteidigungspolitikerin und frühere NRW-Flüchtlingsstaatssekretärin: "Es geht ja nicht darum, Schutz zu begrenzen."
  • Robin Alexander, Journalist und stellvertretender Chefredakteur bei "Welt": "Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen niemanden weiter - eine ruhige Analyse wäre besser."
  • Sarah Pagung, Politologin und Russland-Expertin der Körber-Stiftung: "Russland benutzt das Thema Migration als Waffe."
  • Aminata Touré, Grünen-Politikerin und schleswig-holsteinische Sozialministerin: "An Debatten über Obergrenzen beteilige ich mich nicht."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf den verheerenden Dammbruch am ukrainischen Kachowka-Stausee stellte Russland-Expertin Sarah Pagung zu Beginn der Sendung klar: "Wir haben es wirklich mit einer humanitären Katastrophe enormen Ausmaßes zu tun." Rund 40.000 Menschen sind laut der Expertin potenziell von dem zerstörten Staudamm am Dnipro betroffen. "Ich glaube, dass es Russland war - und zwar aus mehreren Gründen", bekräftigte Pagung.

Laut der Expertin sind unter anderem die Offensivpläne der Ukraine durch den Dammbruch durchkreuzt worden, woraufhin der ZDF-Moderator von einem "Kriegsverbrechen" sprach. Sarah Pagung stimmte zu und ergänzte, dass es sich um "unfassbare humanitäre Konsequenzen für diese Menschen" handle. Mit Blick auf den weiteren Kriegsverlauf sprach die Politologin auch über die unzähligen ukrainischen Kriegsflüchtlinge. "Russland benutzt das Thema Migration als Waffe", erklärte Pagung. Laut der Expertin sei es Russland "daran gelegen, Europa zu polarisieren". Bislang seien über eine Million Menschen aus der Ukraine als Kriegsflüchtlinge in Deutschland registriert. Eine Zahl, die stetig steigt und laut Pagung von Putin gezielt als "Instrument" eingesetzt wird.

Journalist Robin Alexander stellte dennoch klar: "Man sieht, dass die große Fluchtbewegung aus der Ukraine in Europa super bearbeitet wurde. Es gab ja gar keine große Debatte: Nehmen wir die Ukrainer oder nicht? Sondern wir haben die alle genommen." Markus Lanz stimmte zu, machte zugleich deutlich, dass das Thema Migration "die deutsche Gesellschaft" beschäftige und auch spalte. Der ZDF-Moderator rechnete seinen Gästen vor, dass "ungefähr bis zu 400.000 Menschen - Ukrainer nicht mitgerechnet - (...) in diesem Jahr neu in unser Land kommen" würden. "Was bedeutet das?", wollte Lanz wissen und sprach damit auch die geplante Asylreform der Europäischen Union an. Die Pläne sehen Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen vor, inbesondere für "Menschen aus Staaten mit geringer Asylanerkennungsquote".

CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler begrüßte diesen Vorschlag und sprach von einem "guten Papier, was die Europäische Kommission da vorgelegt hat". Auch Robin Alexander lobte den bemerkenswerten "Ehrlichmachungsprozess", der gerade in der Politik stattfinde.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Daraufhin entbrannte eine Grundsatzdebatte, denn die schleswig-holsteinische Sozialministerin Aminata Touré konnte dem geplanten Asyl-Schnellverfahren nicht viel abgewinnen und sah viele Fehler in dem Vorschlag. Als Lanz sagte, dass es doch "alles ganz fluffig" klinge, antwortete die Grünen-Politikerin prompt: "Die Realität ist aber eine andere." Gleichzeitig gab Touré zu: "Es ist absolut richtig, dass es eine europäische Lösung gibt mit Blick auf die Asylsituation und auch mit Blick darauf, dass viele Staaten (...) maximal überfordert sind." Dennoch halte sie nichts von einer Flüchtlingsobergrenze und stellte klar: "An Debatten über Obergrenzen beteilige ich mich nicht."

Touré ergänzte kritisch, dass es "schwierig" sei, in einer so heiklen Situation mit steigenden Flüchtlingszahlen "sich die Frage zu stellen: Wollen wir's an der Stelle begrenzen?" CDU-Politikerin Serap Güler wollte derweil eine Obergrenze "nicht mehr ausschließen". Sie konterte trocken: "Es geht ja nicht darum, Schutz zu begrenzen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt." Schutzberechtigte dürften laut Güler immer kommen, aber es gehe darum, "illegale Migration zu begrenzen". Touré erwiderte sichtlich genervt: "Es geht schon darum, Zahlen zu begrenzen."

Statt sich auf die geplante Asylreform der Europäischen Union einzulassen, forderte Aminata Touré bei "Markus Lanz" eine humane Lösung: "Ich fände es menschenrechtlich bedenklich, wenn wir Menschen inhaftieren an den europäischen Außengrenzen, die monatelang in solchen Lagern dann wären." Damit pflichtete die Politikerin insgesamt 24 Bundestagsabgeordneten und mehreren Landtagsabgeordneten von SPD und Grünen bei, die jüngst Kritik an dem von der Bundesregierung unterstützten Asyl-Vorhaben äußerten.

In einem Papier schrieben sie unter anderem: "Wir sehen die flächendeckende Einführung von Grenzverfahren kritisch, da sie haftähnliche Zustände befördern." Auch Aminata Touré plädierte deshalb in der Sendung für eine "faire Verteilung" der Schutzsuchenden. Serap Güler konnte dem jedoch nicht ganz zustimmen und gab zu bedenken: "Das sind hauptsächlich Menschen, die ihrem wirtschaftlichen Elend entfliehen wollen. Ich habe da menschlich absolutes Verständnis dafür." Dies bedeutet laut der CDU-Politikerin aber nicht, dass diese Menschen automatisch schutzberechtigt seien. Daraufhin stellte Aminata Touré klar, dass jeder Mensch ein Recht darauf habe, einen Asylantrag zu stellen. Sie ergänzte entschlossen: "Wir führen im Bereich der Migration noch zu oft die Debatten nicht offen, um bloß nicht die AfD zu stärken."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es am Mittwochabend, eine angeregte Flüchtlingsdebatte mit vielen interessanten Thesen und Sichtweisen zu führen. Mit genauen Nachfragen lockte er vor allem Grünen-Politikerin Aminata Touré mehrmals aus der Reserve, als es um die viel diskutierte Flüchtlingsobergrenze ging.

Als Lanz wissen wollte: "Sollte Deutschland Menschen unbegrenzt aufnehmen?", konnte Touré nur schwammig antworten und sagte schlicht: "Ich sage immer wieder, dass ich die Frage so schwierig finde." Beim Zusammenhang mit dem aktuellen Höhenflug der AfD ging dem ZDF-Moderator jedoch die Zeit aus, weswegen er mit den Worten abbrach: "Das Thema wird uns noch weiter beschäftigen."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Es war ein hochkomplexes Thema, zu dem auch bei "Markus Lanz" viele Fragen offen blieben und das humanitäre Dilemma ungelöst. Besonders Grünen-Politikerin Aminata Touré echauffierte sich im Gespräch mit dem ZDF-Moderator über das geplante Asyl-Schnellverfahren und stellte unter anderem klar: "Die Menschenrechtssituation an den Außengrenzen ist zum Teil inhuman."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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