Mit Projekten wie "Die Innenministerkonferenz" oder "Böhmermanns perfekte Weihnachten" hat Jan Böhmermann schon häufiger sein "ZDF Magazin Royale" um Satire im Spielfilmformat erweitert. Mit "Das Grundgesetz der Tiere" hat er dies am Freitagabend nun auch erstmals mit einem Animationsfilm getan. Es hätte keinen besseren Zeitpunkt geben können.

Christian Vock
Eine Kritik
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Es war ein bisschen geheimnisvoll, was das ZDF da um Jan Böhmermanns neuesten Streich "Das Grundgesetz der Tiere" veranstaltete. Lange Zeit hielt man sich mit Informationen zurück, erst vier Tage vor Ausstrahlung erfuhr man ein wenig mehr über das Projekt. Bis dahin war lediglich der Hinweis bekannt: "Das 'ZDF Magazin Royale' präsentiert seinen ersten Animationsfilm mit den Stimmen von Bastian Pastewka, Olli Dittrich, Uschi Glas, 'El Hotzo' und anderen."

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Immerhin, kann man dazu sagen, schließlich steht ein eigener Animationsfilm beim ZDF – wie bei allen anderen Sendern auch – nicht gerade auf der Tagesordnung. Umso überraschender ist die Zurückhaltung bei der Bewerbung des Films, denn wie das ZDF inzwischen preisgegeben hat, habe das Team des "ZDF Magazin Royale" zweieinhalb Jahre an "der ersten komplett animierten Spezialausgabe der Sendung gearbeitet". Man durfte also gespannt sein, was da am Freitagabend in der Mediathek beziehungsweise Freitagnacht im ZDF-Hauptprogramm zu sehen sein würde.

Die "echte" Geschichte des Grundgesetzes

"'Das Grundgesetz der Tiere' erzählt, wie das Grundgesetz – das bis heute die Grundlage unserer demokratischen Ordnung bildet – wirklich 1948 im Museum Koenig Bonn entstanden ist: Es stammt nicht aus der Feder der vier Mütter und 61 Väter der Republik, sondern wurde heimlich von vier Tieren verfasst, die sich vor dem Krieg zwischen den ausgestopften Exponaten versteckt hatten", erklärt das ZDF über die Idee.

Die stammt von Jan Böhmermann selbst und der sagt über sein Buch: "Dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland eine derart fortschrittliche, den Menschen und dem Miteinander zugewandte Verfassung hat, gibt es erstaunlich wenig Mythen, Legenden und Geschichten, wie diese Verfassung 1948 eigentlich entstanden ist. Das wollen wir mit 'Das Grundgesetz der Tiere' ändern."

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Nun kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik nicht von Tieren verfasst wurde, selbst in Mythen, Legenden und Geschichten nicht, aber darum geht es Böhmermann natürlich auch gar nicht. Denn in der Regel macht Böhmermann nichts, um etwas gemacht zu haben, sondern weil er einen Sinn darin sieht, eine Botschaft oder einen Zweck. Um eines davon zu erkennen, muss man hingucken, worum es in "Das Grundgesetz der Tiere" geht.

"Menschen sind die gefährlichste Spezies überhaupt"

Im Museum Koenig sitzt der Bundesadler gemütlich in einem Sessel, ein dickes Buch auf den Knien und will erzählen, wie das Grundgesetz wirklich entstanden ist. Zwar habe der Parlamentarische Rat für die Verfassungsgestaltung tatsächlich wegen der vielen zerstörten Häuser im Bonner Naturkundemuseum tagen müssen, aber dann habe sich alles anders entwickelt, als bisher bekannt.

Denn zwischen den ganzen ausgestopften Tieren des Museums wohnen auch ein paar lebendige. Eine Giraffe, eine Antilope, ein Geier und ein Nager und die diskutieren über die Menschen: "Menschen sind die gefährlichste Spezies überhaupt", meint die Giraffe und stellt fest: "Das ganze Land liegt in Schutt und Asche wegen denen." Kaum ausgesprochen öffnet sich die Museumstür und der Parlamentarische Rat nimmt seine Arbeit auf.

Doch als die sich hinzieht, hat die Antilope einen Vorschlag für die Giraffe: "Wenn du das Grundgesetz schreibst, Klaus, dann sind wir die Monster schnell wieder los." Doch Giraffe Klaus ziert sich und die Gründe liegen in ihrer Kindheit. In der lebte sie nämlich in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, und musste dort den Tod der Eltern durch deutsche Truppen miterleben. "Ausgerechnet diese Monster wollen einen Katalog mit unverletzlichen und unveräußerlichen Grundrechten verfassen?", fragt sich deshalb die Antilope und zieht den überraschenden Schluss: "Klaus, ganz ehrlich: Du musst das machen!"

"Das Grundgesetz der Tiere": Geschichtsstunde, Mahnung und Verneigung

Und so legt die Giraffe los und schreibt nicht nur das Grundgesetz, sondern gibt Böhmermann damit auch den Raum, den Sinn des Ganzen zu entfalten, nämlich eine Geschichtsstunde, eine Mahnung und gleichermaßen eine Verneigung vor unserer Verfassung zu sein. "Wer ist dafür, dass so was wie eine Diktatur bei uns nie wieder passiert?", ruft etwa Carlo Schmid, Staatsrechtler und "Vater des Grundgesetzes" in die versammelte Menge. "Wir!", grölt die einstimmig zurück und hebt dabei den rechten Arm zum Hitlergruß. Ein wenig subtiler Seitenhieb, wie viel an rechter Ideologie 1948 noch in den Köpfen steckte.

Natürlich, das liegt auch in der knappen Erzähl-Zeit von einer halben Stunde, ist "Das Grundgesetz der Tiere" selbst für einen Animationsfilm doch recht grob konstruiert und bisweilen sehr klamaukig, aber in einem vertretbaren Rahmen. Denn hier steht eindeutig die Botschaft im Vordergrund. Bei der mag sich so mancher, der gerne mit Begriffen wie Systempresse, Mainstreammedien oder ähnlichem Unfug hantiert, über den Zeitpunkt des Films empören und mal wieder eine Kampagne wittern.

Stattdessen ist der Veröffentlichungszeitpunkt eher ein glücklicher Zufall. "Jetzt steht es hier, das Grundrecht auf Asyl. Und das wird niemals jemand abschwächen oder aushöhlen!", sagt die Giraffe da nämlich an einer Stelle mit eindringlichem Blick und das ausgerechnet in Tagen, in denen rassistische Deportationsfantasien offengelegt wurden – auch von Vertretern einer Partei, die sich gerne als "bürgerlich" und demokratisch ausgibt.

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Zeigen, was auf dem Spiel steht

Aber vielleicht ist der Veröffentlichungspunkt gar kein glücklicher Zufall, sondern eher ein viel zu später Weckruf. Denn Böhmermanns hatte die Idee, sich auf diese Weise vor unserer Verfassung zu verneigen, bekanntlich schon länger und dementsprechend die Not erkannt, vor rechten Menschenfängern zu warnen, die genau diese Verfassung aushöhlen wollen. Dabei geht es auch nicht nur um Themen, die die Rechten besetzen, sondern auch um solche, die dort weniger interessieren, wie etwa die Gleichstellung von Mann und Frau.

Wenn Böhmermann und sein Team diese unsere Verfassung mit einer Mischung aus Humor, Verehrung und Mahnung feiern, dann hätten sie das zu keinem späteren Zeitpunkt tun sollen. Denn in Zeiten, in denen man vermuten muss, dass bestimmte Parteien nicht gewählt werden, obwohl sie rechtes Gedankengut vertreten, sondern weil sie es tun, ist es aller höchste Eisenbahn, zu zeigen, was da eigentlich auf dem Spiel steht.

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