Frank Plasbergs Populismus-Talk lief trotz vieler konträrer Meinungen überraschend sachlich ab. Der Grüne Oberbürgermeister Boris Palmer wehrte sich gegen den Vorwurf, ein Rassist zu sein.

Eine Kritik

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Nach einer aktuellen Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gilt jeder Fünfte Deutsche als rechtspopulistisch eingestellt, bei 42 Prozent der Befragten konnten die Autoren der Studie eine Tendenz in diese Richtung ausmachen.

"Hart aber fair": Was ist das Thema?

Bei den Europawahlen Ende Mai könnten Rechtspopulisten europaweit deutlich an Wählergunst gewinnen. Der globale Trend des Erstarkens autoritärer Bewegungen ist durch die AfD seit einigen Jahren auch in Deutschland angekommen.

Was macht solche Parteien bei Wählern überhaupt attraktiv? Und wer ist überhaupt ein Populist? Das Thema bei Hart aber fair: "In Europa, in Deutschland: Wie viel Populismus verträgt die Politik?"

Wer sind die Gäste?

Boris Palmer: Dem Oberbürgermeister (OB) von Tübingen (Bündnis 90/Grüne) wurden selbst mehrfach Populismus und Rassismus vorgeworfen – sogar von Parteifreunden. Zuletzt hinterfragte er eine Werbung der Deutschen Bahn, auf der ausschließlich Deutsche mit Migrationshintergrund zu sehen waren.

Palmer sagt, man dürfte solche Themen nicht verschweigen und den Rechten überlassen. Er werde in die rechte Ecke gedrängt. Seine Antwort: "Ich bin kein Populist. Ich bin kein Rassist."

Guido Reil: Der AfD-Kandidat zur Europawahl freute sich über die Studie, wonach 42 Prozent der Deutschen anfällig für rechten Populismus sind. Er sagte, die AfD vertrete eine "positive Form von Populismus" und sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Reil selbst wurde wegen eines vermeintlich rassistischen Interviews von der Arbeiterwohlfahrt als Fahrer von Seniorentransporten entlassen. Auf kritische Nachfragen reagierte Reil oft ausweichend, bisweilen aggressiv.

Isabel Schayani: Die Moderatorin der ARD-Sendung "Weltspiegel" warf Reil vor, dass er ein Wahlplakat, dass Muslime pauschal beleidigt, nicht verurteilte. "Das ist für mich Rassismus", sagte Schayani. Wenig später tappte sie selbst in die Rassismus-Falle.

Als es um die Bahn-Werbung ging, meinte sie: "Wenn man da auf der Bahnseite weiter runter scrollt, sind da nur noch Deutsche, mit Verlaub." Das klang so, als ob die Deutschen mit Migrationshintergrund wie der Koch Nelson Müller oder die Moderatorin Nazan Eckes keine "richtigen Deutschen" seien, weil sie nicht blond und hellhäutig sind. Das war das Fettnäpfchen des Abends.

Ralf Schuler: Der Buchautor ("Lasst uns Populisten sein. Zehn Thesen für eine neue Streitkultur") und Chefkorrespondent im Parlamentsbüro der BILD-Zeitung stellte klar: "Populismus gehört in die Mitte der Gesellschaft und nicht an die Ränder." Mit Bezug auf die Multi-Kulti-Werbung der Bahn sagte er, es sei nicht Aufgabe der Bahn, linke Gesellschaftspolitik zu verkaufen.

Peter Filzmaier: Der Politik- und Kommunikationswissenschaftler überzeugte durch seine scharfen Analysen und seinen österreichischen Schmäh. Politikern empfahl er einen Populismus-Selbsttest vor dem Spiegel. Nach dem Motto: Man darf nicht ein Minimalausmaß an inhaltlicher Seriosität unterschreiten und ein Maximalausmaß an Populismus nicht überschreiten. Populismus erkennt man in seinen Augen an Pauschalurteilen und Vereinfachungen. Das macht ihn für viele Wähler attraktiv.

Was war das Rededuell des Abends?

Boris Palmer warf AfD-Mann Reil "Verachtung des Parlaments vor". Der hatte das EU-Parlament in einer Wahlkampfrede scharf attackiert. Reil könne jede Sachentscheidung kritisieren, argumentierte Palmer. "Aber den Parlamentarismus an sich als überflüssig zu erklären, ist hoch gefährlich. Das ist im Kern antidemokratisch, was sie da gemacht haben."

Der AfD`ler ließ diesen Vorwurf an sich abprallen. "Wir halten dieses Parlament für nicht so wirklich demokratisch", sagte er. Unter anderem weil eine Stimme eines luxemburgischen Wählers im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung viel mehr zähle als eine deutsche Wählerstimme.

Was war der Moment des Abends bei "Hart aber fair"?

Als Peter Filzmaier den Volksvertretungsanspruch der AfD entlarvte. "Sie behaupten für die Menschen, für das Volk zu sprechen", sagte er zu Reil. "Und das ist ein typisch populistisches Element (…) und inhaltlich fast immer blanker Unsinn." Die AfD repräsentiert nach der letzten Bundestagswahl etwa jeden achten Wähler.

Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?

Gewohnt meinungsstark und humorvoll führte der Gastgeber durch seine Sendung. Als Boris Palmer sich und Plasberg als "alte, weiße Männer" bezeichnete, scherze er: "Herr Palmer, das ist kokett. Wir sind höchstens in der Jugendgruppe der alten, weißen Männer." Zu AfD-Politiker Reil meinte er, es sei "Blödsinn", dass die AfD die Mitte der Gesellschaft abbilde.

Was ist das Ergebnis?

Am Ende der 75-minütigen Sendung hatten sich die Gäste nicht abschließend geeinigt, was noch zulässiges Zuspitzen ist und wo die Grenze zum Populismus überschritten wird. "Es ist ein schmaler Grat zwischen Populismus und Provokation", stellte Isabel Schayan fest.

Die teils harten Reaktionen gegen AfD-Mitglieder – wie die Kündigung von Reil durch die Awo – fand Ralf Schuler überzogen. Schließlich sei nicht zu erwarten gewesen, dass Reil bei einer Transportfahrt seine Senioren für die AfD geworben hätte.

Der BILD-Journalist gab den etablierten Politikern noch ein paar warme Worte auf den Weg. Sie müssten überlegen, "ob das Produkt noch stimmt, wenn die Kunden weglaufen". Am Ende von Konsensrunden "kommt was raus, was keinen zufrieden stellt."

Interessant war der Fall Boris Palmer. Der Tübinger OB verteidigte seine eigenen polemischen Aussagen gegen Flüchtlinge mit dem Label "engagiert sein". Er befürchtet nämlich, dass seine Partei durch ihre pauschale Pro-Flüchtlings-Haltung dazu beiträgt, die AfD stärker zu machen.

Dem will er etwas entgegen setzen. Ob Palmer dabei immer den richtigen Ton trifft und nicht doch Vorurteile bedient, steht auf einem anderen Blatt.

Schließlich kam Politologe Filzmaier zu der Erkenntnis, dass der Vorwurf des Populismus von allen politischen Seiten sehr inflationär genutzt wird. Sein Fazit: "Populist ist immer jemand anderes."

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