Bei Frank Plasberg melden sich die Kritiker der Corona-Maßnahmen selbstbewusst zu Wort – eine schlüssige Alternative präsentieren sie allerdings nicht. Ministerpräsidentin Malu Dreyer wehrt sich gegen den Vorwurf, der Politik falle nichts Besseres ein, als ein Lockdown.
Deutschland ist im Lockdown, ein Ende ist kaum absehbar – und die Nerven liegen blank. Das gilt nicht nur für das Land an sich, sondern auch für die "Hart aber fair"-Sendung zum Thema "Länger, härter, einfallsloser: Wie sinnvoll ist der Dauerlockdown?" mit
Im Dezember erschien der Lockdown noch als logische Folge der hohen Corona-Infektionszahlen, jetzt ist von "Brechhammer" und "Betonplatte" die Rede. Der Streit ist zurück.
"Hart aber fair": Wer sind die Gäste?
Susanne Gaschke: "Wir sind an einem Punkt, an dem es den Menschen schwerfällt, das noch durchzuhalten", sagt die Autorin der Tageszeitung "Die Welt". "Ich glaube einfach, dass es schlichtweg unmöglich ist, in einer freien, offenen, unglaublich komplexen und weltweit verflochtenen Gesellschaft auf Dauer das Virus auf null zu stellen."
Cihan Celik: Allgemeine Kontaktbeschränkungen und der Schutz von Älteren und anderen Risikogruppen sei kein Gegensatz, sagt der Lungenarzt, der auf der Corona-Isolierstation im Klinikum Darmstadt arbeitet. "Die Alten- und Pflegeheime lassen sich am besten schützen, wenn die Gesamtinzidenz niedrig ist."
Michael Hüther: Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln geht hart mit der Politik ins Gericht. Die habe sich zu wenig um den Schutz der Menschen in den Altenheimen gekümmert. Auch die Corona-Warn-App sei wegen des Datenschutzes nicht effektiv, findet der Wirtschaftswissenschaftler: "Sie ist eine Investitionsruine, sie hat null Wert."
Was ist das Rededuell des Abends?
Malu Dreyer ist zwar Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz – vertritt in dieser Runde als einzige Politikerin aber die anderen Landesregierungen und den Bund gleich mit. Sehr zu ihrem Leidwesen. Die sonst gutgelaunte Sozialdemokratin schaut zum Teil ziemlich genervt drein, vor allem bei den Vorwürfen von Michael Hüther.
Der Wirtschaftswissenschaftler redet sich stellenweise in Rage – vor allem, als es um eine Stellungnahme prominenter Virologen geht. Sie hatten gefordert, der Lockdown dürfe erst enden, wenn ein Inzidenzwert von sieben Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern erreicht sei.
"Ehrlich gesagt finde ich das absolut unverantwortlich", schimpft Hüther. Bei jedem Handeln müsse man auch den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmen beachten. "Wenn Politiker solche Zahlen aufnehmen, dann heißt das: Wir haben mit Sicherheit bis in den April hinein einen ähnlichen Lockdown, wie wir ihn jetzt haben."
Hüthers Ansicht nach schaut die Politik viel zu sehr auf die Infektionszahlen und zu wenig auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Irgendwann platzt der Ministerpräsidentin in der Runde der Kragen: "Es ist zu banal, wie es gerade dargestellt wird", sagt Dreyer. Sie und jede andere Politikerin, jeder andere Politiker wäge immer wieder ab, wie eine gute Balance aus Grundrechtseinschränkungen und Gesundheitsschutz zu finden ist. "Leute, wir überlegen uns immer wieder, was wir tun."
Was ist der Moment des Abends bei Frank Plasberg?
Zum Solo-Gespräch holt Frank Plasberg den Mediziner Cihan Celik aus der Runde an den Einzelstehtisch. Denn Celik hat Interessantes zu erzählen. Er muss im Krankenhaus nicht nur Zwölfstundenschichten schieben, er war auch schon selbst an COVID-19 erkrankt: Mit 34 Jahren und ohne Vorerkrankungen landete er auf der Intensivstation. Das sei für einen so jungen Menschen ein untypischer Verlauf, räumt der Mediziner ein. "Aber er kommt vor."
Leider versäumt Plasberg danach die Chance, mit seinen Gästen über Celiks persönliche Krankengeschichte zu sprechen. Schließlich zeichnet vor allem die Journalistin Susanne Gaschke das Bild, dass das Coronavirus nur eine Gefahr für ältere Menschen sei. Die Erfahrung von Celik beweist das Gegenteil.
Was ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"?
In dieser Runde geben die Gegner der aktuellen Corona-Politik – also Gaschke und Hüther – den Ton an. Das liegt auch daran, dass sie besonders engagiert, schnell und viel sprechen. Dreyer dagegen agiert teils defensiv, teils angespannt, weil sie jegliche Kritik an "den" Politikern aufnehmen muss. Celik wiederum ist zu höflich, um den anderen Gästen ins Wort zu fallen. Und Alexander Kekulé? Der schlägt bei jedem Redebeitrag eine andere Richtung ein.
Allerdings haben die Lockdown-Kritiker auch ein Problem: Es gelingt ihnen nicht, eine schlüssige Alternative zu präsentieren. Die gebetsmühlenartig wiederholte Forderung, man möge doch bitte die Risikogruppen besser schützen, statt das Land unter eine Betondecke zu legen, ist ja schön und gut. Aber wie genau könnte das aussehen? Wenn es dafür Szenarien gibt, dann kommen sie jedenfalls nicht ausreichend zur Sprache.
Es bleibt wohl nur: Hoffen auf die Impfung. Dreyer jedenfalls verspricht, noch so ein schlimmer Lockdown-Winter werde uns nicht bevorstehen. Denn spätestens in einem Jahr würden zumindest diejenigen, die es wollen, geimpft sein. Virologe Kekulé sagt ebenfalls, eine mögliche neue Welle im nächsten Herbst werde weniger schlimm ausfallen als die aktuelle. Das klingt beruhigend. Allerdings haben sich in der Pandemie bisher so einige positive Vorhersagen nicht bewahrheitet.
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