Ein "Bürger-Check" vor der Wahl, das klingt nach Service, orientiert am Zuschauer. Doch zum Thema Außenpolitik gibt es alles und nichts zu sagen. "Hart aber fair" wird es für AfD-Mann Alexander Gauland.

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Zu Beginn eine These: Je klarer das Thema, desto besser der Polit-Talk. Nicht besonders originell vielleicht, aber dieser Ansatz scheint in vielen Redaktionen des Landes noch nicht so recht angekommen zu sein.

Am Montagabend trat Frank Plasberg bei "Hart aber Fair" den Beweis für die Richtigkeit der These gleich in beide Richtungen an. Mit einem konzentrierten, temporeichen Beginn und einer ziellos dahinschlendernden Diskussion danach.

Gauland hält Entschuldigung bei Özoguz nicht für nötig

Die Eröffnung fiel Plasberg in den Schoß. Zum "Bürgercheck zur Wahl: Wie umgehen mit Trump, Erdogan und Putin?" hatte er neben Jungwählerin Julie-Christin Göths und der ehemaligen ARD-Korrespondentin in Washington Ina Ruck noch Jürgen Trittin (Die Grünen) und Norbert Röttgen (CDU) eingeladen – sowie Alexander Gauland von der AfD.

Der 76-Jährige hat es mal wieder mit der altbewährten Strategie in die Schlagzeilen geschafft: Einen Tabubruch einstreuen, ein bisschen Vor- und Zurückrudern, Aufmerksamkeit genießen. Dieses Mal entzündete sich der Skandal an einer Rede, in der er mit dem Gedanken spielte, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, in Anatolien zu "entsorgen". Das Thema sollte die ersten 15 Minuten der Sendung bestimmen - die stärkeren.

"Verbale Gewalt kann real werden"

Gleich nach seinen einleitenden Worten ging Plasberg zu Gauland über. "Ich möchte mit Ihnen über Anstand in der Politik reden", sagte er, und präsentierte in Einspielern Medienberichte, Gaulands widersprüchliche Rechtfertigungen und Einschätzungen von Rhetorik- und Strafrechtsexperten. Solides Handwerk, gut vorbereitet – sogar Gaulands Konter zum "Nazischlampen"-Urteil hatte die Redaktion antizipiert und einen entsprechenden Einspieler vorbereitet.

Der AfD-Spitzenkandidat entgegnete den geballten Vorwürfen erst bissig, später wortkarg. Eine Entschuldigung an Aydan Özoguz, das machte er deutlich, hält er nicht für nötig.

"Was verbale Gewalt ist, kann reale Gewalt werden", sagte Norbert Röttgen, und damit gelang der Übergang zum eigentlichen Thema Außenpolitik und zu Donald Trump.

Ina Ruck, gerade von ihrer Dienststelle in Washington zurück, berichtete über Wahlkampfveranstaltungen, bei denen sich die aufgeheizte Atmosphäre tatsächlich in Gewalt entlud. "Da hat mich die Aussage von Herrn Gauland an Trump erinnert."

Was sagt Herr Gauland wohl zu Sanktionen?

Die Diskussion erinnerte nun allerdings an ungefähr jede zweite Runde des vergangenen Halbjahres – die Frage "Wie geht man mit Trump um?" wird nun einmal auch dann nicht interessanter, wenn Ramona aus Düren sie stellt. Neue Positionen haben sich jedenfalls dazu, Überraschung, im Wahlkampf nicht ergeben.

Die Anschlussfrage, warum Deutschland nicht wie von der Nato vorgegeben zwei Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukts) in das Militär investiert, gab da schon mehr Aha-Potenzial her. So erinnerte Norbert Röttgen daran, dass schon Donald Trumps Vorgänger Barack Obama Deutschland und Europa immer wieder wegen der Militärausgaben anzählte.

Ina Ruck verhalf einer selten gehörten Position zur Geltung: Wenn Deutschland massiv aufrüste, stehe plötzlich eine bis an die Zähne bewaffnete wirtschaftliche Supermacht in der Mitte Europas. "Das kann nicht das Ziel sein."

Sobald es an präsentere Themen ging, geriet die Sendung allerdings zu einer redundanten Meinungsabfrage – was Alexander Gauland zu den Sanktionen gegen Russland zu sagen hat, überrascht wohl niemanden mehr. Der AfD-Vize baute sogar schon die zu erwartenden Entgegnungen von Norbert Röttgen in seine Ausführungen mit ein. Er wusste, was kommen würde. Die meisten Zuschauer werden es auch gewusst haben.

Die einzig offene Frage blieb, warum Norbert Röttgen sich ausgerechnet für ein dunkelgrünes Jacket entschieden hatte, obwohl er um die Vorliebe Gaulands für Jägerfarben hätte wissen müssen. Röttgen fehlte nur noch die Jagdhund-Krawatte zum Partnerlook, der gewohnt frotzelige Plasberg verschonte ihn jedoch mit einem Kommentar, schmeichelte dem CDU-Mann sogar, um sich für eine Unterbrechung zu entschuldigen: "Sie sind jung genug, den Gedanken wieder aufzunehmen."

Kaum ein roter Faden zu erkennen

Es wäre aber ohnehin wurscht gewesen, weil der rote Faden nie so recht zu erkennen war. Wen oder was die Bürger checken sollten in diesem "Bürger-Check", es blieb ungeklärt. Um eine Wahlentscheidung treffen zu können auf Basis der Antworten, fehlten einige Parteien. Um sich ernsthaft auf den Stand der Debatte zu bringen, dafür ist das Oberthema "Außenpolitik" dann doch etwas zu breit.

Für gute Unterhaltung waren die Aha-Momente zu rar gesät – und reine Glückssache, wie Jürgen Trittins aufschlussreiche Aufzählung der deutschen Geschäfte mit Erdogans Türkei. Wo genau die Redaktion hinwollte, sie schien es nicht zu wissen. Eine zielorientierte Diskussion kam jedenfalls nicht heraus.

"Haben Sie Anregungen erhalten für Ihre Wahlentscheidung", fragte Plasberg zum Schluss die Jungwählerin in der Runde. "Nein", sagte Julie-Christine Göths und ließ ihren Wert für die Runde damit im letzten Moment erkennen: Nicht-Profis sind sehr ehrlich.

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