Im Februar 2014 sorgte Thomas Hitzlsperger mit seinem Coming-out für ein Beben in der deutschen Fußballwelt. Bei "Markus Lanz" erklärte er nun unter anderem, warum er sich erst nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn geoutet hat.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wie schwer ist es, sich im Männerfußball als homosexuell zu outen? Bei "Markus Lanz" gab Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger emotionale Einblicke in seine Gefühlswelt vor zehn Jahren. Außerdem erklärte der heutige TV-Experte, warum es für viele männliche Sportler nach wie vor herausfordernd ist, sich während ihrer aktiven Karriere zu einem Coming-out zu entscheiden.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Als erster deutscher Fußball-Profi sprach Thomas Hitzlsperger am 14. Februar 2014, nur wenige Monate nach dem Ende seiner aktiven Fußball-Karriere, in einem Interview mit der "Zeit" offen über seine Homosexualität. Seitdem ist kein weiterer Spieler seinem Beispiel gefolgt. ZDF-Moderator Markus Lanz nahm dies zum Anlass, das Thema Homosexualität im Profi-Sport näher zu beleuchten.

Das sind die Gäste

  • Thomas Hitzlsperger, Ex-Fußballprofi: "Das Outing ist für mich eine neue Dimension gewesen, über die ich sehr froh bin."
  • Lena Cassel, Sportjournalistin: "Ich glaube, der Männerfußball im Speziellen ist nach wie vor ein Habitat, wo toxische Männlichkeitsstrukturen (...) der Status quo sind."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

In zehn Jahren soll die Fußball-Weltmeisterschaft in Saudi-Arabien stattfinden. "Ein Land, in dem Homosexualität unter Todesstrafe steht", wie Markus Lanz festhielt. Thomas Hitzlsperger gab daraufhin zu, dass er bei dem Gedanken "keine guten Gefühle habe". Der Fußball habe sich "dahin entwickelt, und die Fifa spielt eine ganz, ganz wichtige Rolle". Lanz hakte nach: "Es geht ums ganz große Geld?" Der Ex-Fußballprofi nickte und ergänzte, dass dies in der Fifa "kein Geheimnis sei". Im Gegenteil: "Es wird offen zur Schau getragen. Und der Präsident Gianni Infantino kommt in dieser Welt ganz gut zurecht."

Lanz stimmte zu und beschrieb Thomas Hitzlsperger daraufhin als "historische Figur, die Fußballgeschichte geschrieben hat". Immerhin outete sich der Fußballer vor zehn Jahren als erster deutscher Profi überhaupt, wenn auch erst nach der aktiven Karriere. Für den Mut lobte ihn auch Sportjournalistin Lena Cassel: "Es war ein Tag, an dem Geschichte geschrieben worden ist." Dennoch hätte sie sich ein Outing während Hitzlspergers aktiver Zeit als Profi-Fußballer gewünscht, da es "noch eine höhere Strahlkraft gehabt hätte".

Lanz fragte daher konkret: "Sie hatten Angst vor der Reaktion in der Kabine, und es gab Leute, die Ihnen massiv abgeraten haben. Warum?" Thomas Hitzlsperger antwortete ehrlich: "Was die Kabine angeht, war es eben so, dass ab und zu mal auch über private Dinge gesprochen wurde." Demnach seien unter den Fußballern Fragen gestellt worden, wie: "Was würden wir machen, wenn wir einen schwulen Kollegen hätten?"

Hitzlsperger ergänzte im Gespräch mit Lanz sichtlich angefasst: "Die Jungs haben sich geäußert, und es gab echt üble Kommentare dazu, die mich einfach abgeschreckt haben." Ihm sei damals bewusst geworden, dass er mit seinem Outing die Dynamik innerhalb Mannschaft gravierend verändert hätte. Es ei ihm "zu viel gewesen", sein eigenes Schicksal über das der Mannschaft zu stellen.

"Tut es Ihnen leid, dass Sie es nicht früher gemacht haben?", wollte Lanz wissen. Hitzlsperger schüttelte mit dem Kopf: "Es wäre schön gewesen, wenn es mir gelungen wäre. Aber es hätte auch Schaden anrichten können für mich. Ich war nicht so stark und von daher - alles richtig gemacht."

Heute sei ihm bewusst, dass viele Menschen sich vor einem Outing fürchteten, "weil sie nicht wissen, was danach kommt. Man hat Ängste und Sorgen im Kopf, die manchmal Realität werden. In meinem Fall ist das wenigste davon Realität geworden". Er machte weiter deutlich, dass er seit seinem Outing nie das Gefühl gehabt habe, aufgrund seiner Homosexualität keinen Job bekommen zu können.

Gerade deshalb hakte Lanz nach, warum sich nach Hitzlsperger kein Profi-Fußballer mehr in Deutschland geoutet hat. Der Ex-Sportler antwortete vorsichtig: "Viele sagen immer, der Fußball ist das Problem." Er glaube aber, dass es "eher ein gesellschaftliches Thema" sei. Lena Cassel fügte nachdenklich hinzu: "Ich glaube, der Männerfußball im Speziellen ist nach wie vor ein Habitat, wo toxische Männlichkeitsstrukturen (...) der Status quo sind."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz ist trotz der verkürzten Sendezeit eine informative und tiefgründige Debatte gelungen, in der vor allem Thomas Hitzlsperger auf emotionale Art und Weise wiedergab, was ihn von einem Coming-out in seiner aktiven Phase abhielt. Im Nachhinein musste er jedoch offen zugeben: "Für mich war das mutigste Outing das Gespräch mit meinen Eltern."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" wurde einmal mehr deutlich, dass sich in der Welt des Männerfußballs noch einiges verändern muss, bis sich Profi-Sportler angstfrei outen können. Zwar vermutete der Talk-Gastgeber, "dass die Gesellschaft viel weiter ist, als wir das manchmal so vermuten". Doch Sportjournalistin Lena Cassel gab zu bedenken, dass viele Interessen im Fußball nach wie vor "mit Geld zu tun haben, und da werden Werte plötzlich ein bisschen kleiner geschrieben".

Dem stimmte Thomas Hitzlsperger energisch zu und erklärte, dass er deshalb so oft wie möglich in der Öffentlichkeit über seine Homosexualität reden wolle: "Heute bin ich an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich viel offener darüber sprechen kann und hoffentlich Menschen ein Vorbild sein kann." Ob einige Profis schon bald seinem Vorbild folgen werden, zeigt sich spätestens am 17. Mai. An dem Datum plant der ehemalige Fußballer Marcus Urban ein Gruppen-Coming-out.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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