Die Umfragewerte für die Parteien der Ampelregierung rauschen immer weiter in den Keller. Bei "Markus Lanz" überraschte der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer, als er verbal gegen die Politik der Regierung und den SPD-Kanzler Olaf Scholz schoss.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Ampelkoalition befindet sich seit ihrem Amtsantritt quasi im Dauerstreit. Und auch die Nachwuchsorganisationen der CDU und SPD – die Junge Union und die Jusos – scheinen in vielen Punkten komplett unterschiedlicher Meinung zu sein. Markus Lanz debattierte daher am Mittwochabend mit deren Chefs über Kernthemen wie Migrationspolitik, Schuldenbremse, Rente mit 63 und Erbschaftssteuer.

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Das waren die Gäste

  • Johannes Winkel, JU-Vorsitzender: "40 Prozent für Soziales und nur 4 Prozent für Forschung – das ist doch keine Politik, die die junge Generation noch ernst nimmt."
  • Philipp Türmer, Juso-Vorsitzender: "Weg mit der Schuldenbremse – notfalls auch weg mit Unternehmen, die sich der Klimatransformation verweigern."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Anfang Februar wollte CDU-Chef Friedrich Merz noch eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen nicht ausschließen. Bei "Markus Lanz" sagte Johannes Winkel, der Vorsitzende der Jungen Union, jedoch plötzlich: "Ich finde es gut, dass die Debatte Schwarz-Grün vorbei ist." Markus Lanz hakte überrascht nach: "Was heißt vorbei?" Winkel antwortete: "Es ist vorbei, weil die Grünen müssen in der Realität ankommen." Der ZDF-Moderator fragte sichtlich verwirrt: "Also Friedrich Merz will nicht mehr mit den Grünen koalieren?" Eine Frage, auf die Winkel selbstbewusst reagierte: "Er hat gesagt, die Grünen sind momentan nicht regierungsfähig. So habe ich ihn am Sonntag verstanden (...) und da stimme ich ihm natürlich zu." "Also die Grünen sind durch?", wollte Lanz erneut wissen. Der JU-Vorsitzende nickte: "Ja klar! (...) Friedrich Merz hat gesagt, die Grünen sind 'Stand jetzt' nicht regierungsfähig." Lanz schmunzelte daraufhin: "Stand jetzt – das ist das Hintertürchen."

Über die scheinbar widersprüchlichen Ansichten innerhalb der Union sagte Philipp Türmer derweil genervt: "Ich habe den Eindruck, dass da einfach gigantischer Klärungsbedarf (...) besteht." Der Jusos-Vorsitzende stichelte weiter: "Unser Ziel ist auf jeden Fall, dass die CDU gar nicht in die Position kommt, sich darüber Gedanken zu machen, mit wem sie jetzt regiert. Sondern dass wir dafür sorgen, dass wir linke Mehrheiten jenseits der Union haben."

Eine Steilvorlage für Lanz, der zunächst von Johannes Winkel wissen wollte: "Ist Friedrich Merz der ideale Kanzlerkandidat?" Der JU-Vorsitzende antwortete schwammig, dass dies "zu gegebenem Zeitpunkt" geklärt werde. Laut Winkel gebe es "viele gute Kanzlerkandidaten aus der Union. Aber die Frage ist ja, wer ist praktisch ein guter". Lanz konterte prompt: "Okay, Sie sagen nicht eindeutig, das ist Friedrich Merz!" Der ZDF-Moderator ergänzte lachend: "Es nicht zu sagen, ist ja auch ein klares Statement."

Auch von Türmer wollte Lanz die Frage nach dem Kanzlerkandidat seiner Partei beantwortet haben. Der Juso-Vorsitzende erklärte: "Wir müssen gerade erstmal alles dafür tun, dass die Ampel wieder in die Offensive kommt, dass wir gute Politik machen." Eine Aussage, die Lanz stutzig machte: "Ist nicht automatisch schon der Kanzler Olaf Scholz gesetzt für Sie?"

Daraufhin sagte Türmer: "Ich finde es wichtig, dass wir mit dem Kandidaten ins Rennen gehen, der die besten Chancen hat. (...) Im Moment sieht es so aus, dass Olaf Scholz wieder weitermachen wird." Lanz konterte fassungslos: "Noch so ein mörderischer Satz! (...) Sie sind unzufrieden mit ihm, das hat ja jetzt jeder verstanden." Philipp Türmer nickte vorsichtig: "Ja, wir sind unzufrieden mit der Performance der Ampel insgesamt. Und natürlich ist da der Kanzler an vorderster Reihe, um da jetzt mal etwas zu ändern." Ein Geständnis, das Lanz sprachlos machte: "Ich wusste gar nicht, dass der Abend sich so schnell auflöst, weil Sie sind ja jetzt quasi einer Meinung."

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Das war das Rede-Duell des Abends

Aber auch die Union bekam bei Philipp Türmer ihr Fett weg, als er sagte: "Wir laufen immer noch einem Reformstau hinterher, der sich über 16 Jahre Merkel angesammelt hat!" Johannes Winkel konterte genervt: "Ich habe wirklich mal gedacht, ich höre bei einem klugen Gesprächspartner wie dir nicht unmittelbar den Verweis (...) auf: 'Die Union hat alles falsch gemacht'." Türmer blieb dennoch bei seinem Standpunkt: Die großen Koalitionen seien einfach "nicht in der Lage" gewesen, die "gewaltigen Herausforderungen" anzugehen, "die sich diesem Land stellen".

Winkel wehrte sich weiter entschieden: "Es ist doch billig, ständig auf diesen 16 Jahren Angela Merkel herumzureiten, um sozusagen die Verantwortung für das Jetzt abzuschieben. (...) Ich kann es langsam nicht mehr hören!" Der ZDF-Moderator wollte daraufhin von beiden Jung-Politikern wissen, wie sie denn "die großen Herausforderungen dieses Landes" lösen würden.

Philipp Türmer polterte los: "Die Schuldenbremse ist eine absolute Katastrophe. Sie ist quasi die permanent angezogene Handbremse, die der Handlungsfähigkeit (...) von Politik entgegensteht." Im internationalen Vergleich sehe man laut Türmer, "dass die großen Industrieländer alle im Moment über Kredit finanziert Investitionen vornehmen. Und alle fahren damit viel besser". Die FDP und Union befänden sich jedoch auf einer ökonomischen Geisterfahrt. Dem widersprach Johannes Winkel vehement und sagte: "In Deutschland ist die Bürokratie die angezogene Handbremse!" Der JU-Vorsitzende plädierte daher für einen "massiven Bürokratie-Abbau".

Markus Lanz wollte daraufhin wissen, an welchen Stellen Johannes Winkel im Haushalt sparen würde. "Erster Punkt Migration", so der Politiker. Zudem halte er Einzelsubventionen wie beispielsweise für den Bau der Intel-Chip-Fabrik für totalen "Wahnsinn". Winkel ergänzte: "Wir müssen auch beim Thema Bürgergeld ran." Zudem würde er "die Rente mit 63 streichen".

Daraufhin platzte Philipp Türmer der Kragen: "Das ist für Leute, die 45 Jahre gearbeitet haben, (...) die seitdem sie 18 sind, teilweise in körperlich extrem anstrengenden Jobs gearbeitet haben." Der JU-Vorsitzende konterte unbeeindruckt: "Die Rente mit 63 wird vor allen Dingen von Leuten in Anspruch genommen, die nicht hart körperlich gearbeitet haben und deswegen ist es ein klarer Fehlanreiz!"

Philipp Türmer schüttelte daraufhin energisch mit dem Kopf und kritisierte Johannes Winkel scharf: "Das, was du gemacht hast, ist Klassenkampf von oben! Indem du nämlich permanent die Privilegien der Reichsten in diesem Land verteidigst." Laut des Juso-Vorsitzenden versuche Winkel, "Geflüchtete (...) auszuspielen gegen Arbeitslose" und "am unteren Ende der Gesellschaft, wo die Leute am wenigsten Geld haben", die Krümel zusammenzukratzen.

Türmer redete sich weiter in Rage und behauptete, im CDU-Programm stehe "im Kleingedruckten immer: Wir wollen den Sozialstaat kaputtsparen". Winkel reagierte wütend: "Das steht in keinem einzigen Programm!" Türmer wetterte dennoch weiter: "Das jubelt ihr den Leuten unter!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz versprach zu Beginn der Sendung einen "Klassenkampf um Mitternacht" – und lieferte genau das. Mit spitzen Fragen schaffte er es, beide Jungpolitiker aus der Reserve zu locken und so eine leidenschaftliche Debatte vom Zaun zu brechen.

Auch beim Thema Erbschaftssteuer: Lanz konfrontierte Türmer mit dessen Aussagen, Erben großer Vermögen seien "Schmarotzer": Der antwortete: "Es gibt in diesem Land eine Menge Familien, die sitzen auf riesigen Vermögen, die sich wie von selbst vermehren." Er forderte eine progressive Erbschaftssteuer mit einem Spitzensatz von 90 Prozent ab der neunten Million. Winkel entgegnete, Türmer wisse selbst, "dass das Vermögen nicht irgendwo in bar herumliegt, in irgendwelchen Goldkellern, in die sich irgendwelche Reichen schmeißen".

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" konnten der JU-Vorsitzende Johannes Winkel und der Jusos-Vorsitzende Philipp Türmer kaum einen gemeinsamen Nenner finden. Winkel behauptete unter anderem, dass "die beste Sozialpolitik" nicht von der SPD gemacht werde, da die SPD vielmehr "Politik gegen ihre eigenen Leute" betreibe.

Dennoch wünsche sich Winkel lieber eine "starke SPD" als eine starke AfD. Gerade deshalb müsse die Migrationspolitik grundlegend verändert werden. "Ich will das Recht so ändern, dass wir endlich zu einer realistischen Lösung kommen, weil ansonsten geht uns die AfD komplett durch die Decke", fürchtet Winkel. Daraufhin konterte Philipp Türmer mit Blick auf das Asyl jedoch: "Es gibt für ein Grundrecht keine Obergrenze!" Er ergänzte wütend: "Das ist für mich blanker Populismus! Du stellst eine Lösung ins Schaufenster, die es nicht gibt. Keine CDU-Regierung wird sich aus der Flüchtlingskonvention verabschieden."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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