Corona in Schlachthöfen, Corona und die Wirtschaft, Corona in Rostock, Corona und die Lockerungen – auch in dieser Woche stand bei "maischberger. die woche" die Corona-Pandemie wieder im Fokus. Diese Monothematik durchbrach die AfD mit ihrem internen Streit um Andreas Kalbitz. Für Rechtsextreme in und außerhalb der AfD hatte Jörg Meuthen bei Maischberger keine guten Nachrichten.

Christian Vock
Eine Kritik
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Deutschland lockert nach und nach die Corona-Einschränkungen. Das gibt zum einen viel Gesprächsstoff, holt aber auch andere Themen wieder hervor, die auch vor der Pandemie von Bedeutung waren. Zum Beispiel rechtsextreme Einstellungen in der AfD. Und genau darüber diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen am Mittwochabend.

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  • Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern
  • Claus Ruhe Madsen, Oberbürgermeister von Rostock
  • Jörg Meuthen (AfD), Bundesvorsitzender
  • Lamya Kaddor, Autorin
  • Werner Bartens, Wissenschaftsjournalist
  • Christiane Hoffmann, Journalistin beim "Spiegel"

Darüber diskutierte die Runde mit Sandra Maischberger:

"Wie gefährlich ist die neue Normalität?" Mit dieser Frage startete die Wochenrückschau, bei der zunächst Lamya Kaddor, Christiane Hoffmann und Werner Bartens diskutierten, wie sinnvoll die Lockerungen waren. Hier hatte Arzt und Wissenschaftsjournalist Werner Bartens eine klare Meinung, die er in noch klarere Statements goss: "Das Virus ist keineswegs unter Kontrolle", widersprach Bartens der Aussage von Ministerpräsident Markus Söder und kritisiert die Lockerungen: "Wir haben zu viel, zu früh, zu geballt gelockert."

Bartens begründet seine strikte Haltung mit den Zahlen aus der Anfangszeit der Pandemie: "Am 8. März, als die ersten Veranstaltungen abgesagt wurden, die Ausgangsbeschränkungen kamen erst am 23. März, da hatten wir 1.000 Neuinfektionen in Deutschland insgesamt seit Januar. Jetzt haben wir jeden Tag 600 bis 800 Neuinfektionen. Wir können jetzt nicht so tun, als ob wir's im Griff haben, wenn das die Zahl ist, die wir damals insgesamt hatten." Außerdem versperre man sich durch die Lockerungen die Analyse, welche Maßnahmen gut und welche schlecht waren.

Auch die Einwände von Kaddor und Hoffmann, die Mehrheit der Menschen würde vernünftig handeln und vor allem das erreichte Ziel, die Gesundheitssysteme nicht zu überlasten, indem man die Kurve flach halte, ließ Bartens nicht gelten: "Da ging es um Neuinfektionen. Jetzt müssen wir bei 'flattening the curve' daran denken, die Kurve der Dummheit flach zu halten. Es gibt eine Minderheit, die sich nicht an Abstandsregeln hält." Diese Minderheit reiche aus, um die Erfolge zunichte zu machen.

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Die Auftritte des Abends bei "maischberger. die woche":

Aus Nürnberg wurde der bayerische Ministerpräsident zugeschaltet und es war ein bemerkenswerter Auftritt. Söder gab sich durch und durch staatsmännisch, bezog aber trotzdem in der Regel Stellung. Er mahnte weiterhin zur Vorsicht, gerade bei zu schnellen Lockerungen, verwies aber gleichzeitig darauf, dass Bayern härter getroffen wurde und zeigte Verständnis für andere Bundesländer, die früher geöffnet haben.

Sogar die bayerische Opposition bekam ein gutes Wort von Söder: "Bei uns im Landtag hat die Opposition, bis auf die AfD, großartig mitgearbeitet mit guten Vorschlägen. Da hat jeder ein Dankeschön verdient." Auf die Situation in Schlachthöfen angesprochen, will Söder eine europäische Lösung, um die Zustände zum Beispiel bei der Unterbringung oder den Kontrollen zu verbessern. Dass Söder an diesem Abend den Zurückhaltenden gab, sah man am deutlichsten, als er, anders als in der Vergangenheit, sein Lieblingswort an einer entscheidenden Stelle ausließ: "Man kann in diesem Jahr auch großartig Urlaub in Deutschland machen." Vor kurzem lockte Söder die Menschen noch nach Bayern.

Rostocks OB Madsen hat seine Stadt coronafrei gemacht

Den zweiten bemerkenswerten Auftritt des Abends legte Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen hin. Der gebürtige Däne erklärte, wie es seine Stadt geschafft hatte, als erste Großstadt coronafrei zu werden. Mit frühzeitigen Maßnahmen, auch Schulschließungen, umfangreicheren Tests als es das RKI empfahl oder einer Umstellung der Verwaltung. Auch bei den Öffnungen geht Rostock seinen eigenen Weg und das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen.

Auf die Urlauber, die bald kommen könnten, angesprochen, verwies Madsen darauf, dass sich Urlauber auch nicht anders verhalten würden als Einheimische. Vor allem aber möchte Madsen zwei Ängsten der Menschen entgegenwirken. Momentan werde durch die Ansteckungsgefahr die Angst vor Fremden verstärkt. Außerdem erklärt Madsen über die aktuelle Angstzentriertheit: "Was bleibt am Ende als Narbe in einer Gesellschaft? (…) Wir haben gerade sehr viel mit Angst zu tun und ich hätte gerne mehr Vertrauen." Der Staat habe bisher gut auf die Bürger aufgepasst, nun sei es Zeit für Eigenverantwortung. Dass es auch wieder neue Fälle geben kann, müsse zur Normalität werden.

Den sozialen Aspekt sieht Madsen auch und gerade bei Kindern in Bezug auf die Schulöffnungen: "Ich als Bürgermeister mache mir große Sorgen um meine kleinen Bürgerinnen und Bürger, die wir über Wochen nicht gesehen haben. Mir geht es nicht um den Unterricht in Deutsch, Mathe und so weiter, sondern um ein pädagogisches Angebot, wo die Kinder zusammen in festen Gruppen in die Schulen kommen."

Das andere Thema des Abends

Mit ihrem Studiogast Jörg Meuthen durchbrach Sandra Maischberger zum Schluss noch die Corona-Zentriertheit des Abends und sprach mit ihm über die Annullierung der Parteimitgliedschaft des brandenburgischen AfD-Landeschefs Andreas Kalbitz. Diesem wurde die Mitgliedschaft entzogen, weil er unter anderem bei seinem Parteieintritt die Mitgliedschaft in der verbotenen Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) nicht angegeben haben soll.

Teile seiner Partei gingen daraufhin auf die Barrikaden, vor allem Kalbitz-Freund Björn Höcke sprach von "Verrat" an der Partei. Meuthen sieht in dieser Wortwahl "starken Tobak", aber auch eine "emotionale Überreaktion". An der Rechtmäßigkeit des Beschlusses gegen Kalbitz ließ Meuthen keinen Zweifel.

Was ihn denn nun bei Kalbitz störe, dass er in einer rechtsextremen Organisation gewesen sein soll oder dass er das verschwiegen haben soll, antwortete Meuthen: "Beides." Meuthen behauptet, Kalbitz' "verfestigt rechtsextremen Bezüge" hätten sich erst in den letzten Wochen gezeigt und erklärt dann: "In meiner Partei haben rechtsextreme Bezüge nun mal keinen Platz." Eine schlechte Nachricht für alle Rechtsextremen in und außerhalb der AfD, denn im Umkehrschluss bedeutet das, dass sie sich nun eine neue politische Heimat suchen müssen.

So schlug sich Sandra Maischberger:

Eigentlich souverän. Als zum Beispiel Jörg Meuthen erklärt, Kalbitz habe während seiner AfD-Zeit keine rechtsextremen Bezüge erkennen lassen, antwortet Maischberger erst mit einem "Na ja", später hakt sie nach: "Sind sie sicher, dass sie das aufrecht erhalten können?" Da fällt Meuthen dann sogar ein "Wir werden auf den Gräbern tanzen"-Zitat von Kalbitz wieder ein.

Etwas weniger hartnäckig wurde Sandra Maischberger etwas später, als sie nach anderen Rechtsextremen in der Partei fragte: "Herr Kalbitz ist der einzige, der rechtsextreme Bezüge hat, den sie dann deshalb nicht in der Partei haben wollen?" Als Meuthen ein paar Namen von ausgeschlossenen Ehemaligen aufzählt, hakt Maischberger nach: "Bei Björn Höcke haben Sie nichts in der Hand oder halten Sie ihn nicht für rechtsextrem?" Doch Meuthen rettet sich hier aufs Nebengleis, gibt keine eindeutige Antwort.

Das Fazit:

Es war insgesamt ein guter Talkabend, der zwar nicht die ganz großen Neuigkeiten brachte, aber die entscheidenden Fragen der Woche stellte, auch wenn beim Thema Kalbitz die Diskussion um das Ausmaß rechtsextremer Einstellungen und Mitglieder in der AfD nicht konsequent bis zum Ende geführt wurde.

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