Am vergangenen Freitag wurden auf einem Mannheimer Marktplatz mehrere Menschen mit einem Messer attackiert. Bei "Markus Lanz" erläuterte Journalistin Anna Lehmann, warum sie den Polizeieinsatz vor Ort als "dilettantisch" bezeichnen würde. Dabei geriet sie in ein heftiges Wortgefecht mit CDU-Mann Thorsten Frei.
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Der brutale Messerangriff in Mannheim beschäftigt seit Freitag das ganze Land. Bei der Attacke, die sich bei einem Stand der "Bürgerbewegung Pax Europa" ereignete, wurden insgesamt sechs Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Einer von ihnen: Islam-Kritiker Michael Stürzenberger. Ein 29-jähriger Polizist ist nach dem Angriff seinen Verletzungen erlegen. Nun hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.
Das sind die Gäste
Thorsten Frei , CDU-Politiker: "Für die Politik ist jetzt die Zeit vorbei, wo man mit Plattitüden und Betroffenheitsrhetorik agieren kann"- Ahmad Mansour, Integrationsexperte: "Ich erwarte, dass die Politik anfängt, zu handeln"
- Anna Lehmann, Journalistin: "Die politische Reaktion auf das, was da in Mannheim passiert ist, das waren typische Stehsätze"
- Gerald Knaus, Migrationsforscher: "Islamisten wandern gar nicht mehr aus fernen Ländern in unsere Gesellschaften ein, viele kommen aus Belgien oder Frankreich"
- Ulf Röller, ZDF-Korrespondent: "Im Brüsseler Viertel Molenbeek gibt es riesengroße Integrationsprobleme"
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
"Das Land ist bestürzt nach diesem Messerangriff", stellte Markus Lanz zu Beginn der Sendung fest. Mit Blick auf Thorsten Frei wollte er wissen: "Was ist dort aus Ihrer Sicht passiert?" Der CDU-Politiker antwortete ernst: "Das war ein islamistisches Attentat, was wir dort erlebt haben." Laut Frei handle es sich bei der Tat um "ein Schlaglicht auf eine Situation, (...) auf die wir auch politische Antworten brauchen". Der CDU-Mann ergänzte: "Ich habe den Eindruck, dass die Menschen auch genau das erwarten - also keine Floskeln, sondern tatsächlich die Benennung des Problems und dann auch die Frage, wie man damit umgeht".
Lanz wollte daraufhin wissen: "Wie kann es sein, dass der Mann den Behörden gänzlich unbekannt war?" Frei antwortete vorsichtig: "Das kann ein sehr schneller Radikalisierungsprozess gewesen sein." Gerade deshalb müsse sich die Politik jetzt "mit dem Problem des politischen Islamismus beschäftigen" und Themen wie Abschiebung, "Migration und Integration" deutlicher in den Fokus rücken. Laut Frei habe es bei dem Täter aus Mannheim "auch mal ein Zeitfenster" gegeben, "wo eine Abschiebung möglich gewesen wäre". Es sei "ganz offensichtlich, dass das Maß an Migration letztlich auch dazu geführt hat, dass Integration nicht mehr hinreichend gelungen ist, Parallelgesellschaften entstanden sind", so der CDU-Mann. Nun müsse herausgefunden werden, ob in Mannheim alles dafür getan wurde, um die Wahrscheinlichkeit für eine solche Tat zu reduzieren.
Journalistin Anna Lehmann zeigte sich jedoch skeptisch und warnte, dass die Debatte, die seit dem Attentat in Mannheim entstanden sei, viel zu schnell in Richtung Migration gelenkt werde. "Eigentlich wäre doch jetzt mal der Moment, innezuhalten und zu überlegen: Wie konnte sowas überhaupt passieren? Was ist da alles schiefgelaufen?" Laut Lehmann sei der Täter noch nicht einmal vernommen worden und trotzdem werde direkt von einem islamistischen Motiv ausgegangen und infolgedessen über Abschiebungen und Migration geredet. "Abschiebung hätte in dem Fall überhaupt nichts bewirkt. Er war ja offenbar unbescholten", so Lehmann.
Die "taz"-Journalistin fügte hinzu, dass ihr in der Debatte die Frage zu kurz komme, wie man es verhindern könne, "dass Menschen, die hier in Deutschland leben, sich radikalisieren". Während Lehmann den Attentäter aus Mannheim als vermeintlich positives Beispiel für Integration bezeichnete, warnte Ahmad Mansour vor der falschen Annahme, "Integration wäre Sprache plus Arbeit minus Kriminalität". Mansour weiter: "Das ist viel zu wenig, weil wir nicht schauen, dass die Leute auch emotional ankommen, dass unsere Grundwerte auch verinnerlicht und akzeptiert werden." Mit Blick auf den Vorfall in Mannheim sagte er deshalb klar: "Das ist islamistisch motiviert. Ich kann mir kein anderes Tatmotiv vorstellen, warum jemand einen Polizisten und einen Islam-Kritiker absticht."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Während Anna Lehmann dafür plädierte, zu überlegen, wie der Vorfall in Mannheim hätte verhindert werden können, sprach sie auch immer wieder von einem "dilettantischen" Polizeieinsatz. Ein Begriff, der Thorsten Frei stutzig machte: "Wie kann man denn zu dem Ergebnis kommen?" Die Journalistin konterte deutlich: "So wirkte er auf mich!" Lehmann ergänzte, dass sie sich die Bilder aus Mannheim angeschaut habe und verwundert darüber gewesen sei, "dass ein bekannter Islamhasser, (...) der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde" in "einer migrantisch geprägten Einwandererstadt" stehen und seine Parolen hinausschreien konnte.
Laut Lehmann hätte man "von einer Gefährdungslage" ausgehen müssen: "Wie kann es eigentlich sein, dass der nicht adäquat bewacht wird?" Thorsten Frei reagierte prompt: "Die Polizei war doch da!" Dieses Argument ließ Lehmann jedoch nicht gelten: "Die war da, aber offenbar ging ja bei dem Einsatz auch einiges schief." Laut der Journalistin habe die Polizei nicht gewusst, "wen sie eigentlich schützen sollte". Daraufhin platzte es aus Thorsten Frei heraus: "Was wollen Sie denn mit dieser Relativierung erreichen? Das ist doch eine Täter-Opfer-Umkehr!" Als Lehmann sich mit einem lautstarken "Nein!" wehrte, wetterte Frei weiter: "Natürlich! Also, da gab's einen Mordanschlag. Den Herrn Stürzenberger kann man kritisieren, wie man will. Aber, dass der in Deutschland seine Meinung äußern kann, das ist doch vollkommen klar."
Die Polizei sei laut Frei zudem "unmittelbar da" gewesen und habe "ausgesprochenen Mut" bewiesen. "Ja, sie waren mutig, aber musste er sterben?", hielt Anna Lehmann dagegen. Die Journalistin ergänzte mit ernstem Blick: "Natürlich haben die ihr Leben gegeben, aber hätte dieser Einsatz anders geplant werden können? Hätten diese Polizisten anders vorbereitet werden können auf das?" Auf die Argumentation wollte sich Thorsten Frei offenbar nicht einlassen, denn er schoss unbeirrt zurück: "Das geht mir jetzt zu schnell! Also hier vom Sofa aus darüber zu sinnieren, ohne dass man irgendwelche Kenntnisse außer einem schlechten Video hat, was die Polizei für Fehler gemacht haben könnte, das ist aus meiner Sicht wirklich der komplett falsche Ansatz."
Während Lehmann sich weiter verteidigte, musste auch Lanz zugeben: "Es gab da eine unglückliche Gesamtgemengelage, ganz bestimmt. Ich tue mich nur wahnsinnig schwer, zu sagen, dilettantisch." Lehmann blieb jedoch dabei: "Zu dem Zeitpunkt darf man berechtigt die Frage stellen: Was hätte anders laufen können, damit der Polizist überlebt hätte?" Ahmad Mansour reagierte darauf jedoch skeptisch und merkte an, dass die vielen "Debatten über Polizeigewalt" in den vergangenen Jahren und Monaten auch die Arbeit der Polizei massiv beeinträchtigt haben könnten und sie aufgrund ihrer Verunsicherung "nicht in der Lage waren, so schnell wie möglich zu reagieren".
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz schaffte es, eine leidenschaftliche wie harte Debatte zu moderieren. Integrationsexperte Ahmad Mansour musste am Ende der Sendung jedoch feststellen: "Ich gehe heute mit mehr Fragen als Antworten. Es ist Chaos (...) und es ist sehr traurig."
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Bei "Markus Lanz" stand das Attentat aus Mannheim im Fokus der Sendung. Besonders Ahmad Mansour machte deutlich, dass er sich harte Konsequenzen seitens der Politik wünsche: "Ich habe es satt und viele Leute auch in diesem Land haben es satt, zu hören, wie alles schwierig ist. Von der Politik erwarte ich, dass sie handelt." Er wollte in dem Zusammenhang auch mögliche Abschiebungen nach Afghanistan nicht ausschließen, denn: "Es handelt sich hier um radikale Islamisten. Die wären in Afghanistan viel besser aufgehoben als in Deutschland."
Auch Thorsten Frei sagte deutlich: "Es ist zwingend notwendig, dass Straftäter und auch Gefährder in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden." Daher brauche es laut des CDU-Mannes jetzt einen "grundlegenden Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik". Ahmad Mansour stimmte energisch zu und ergänzte: "Ich bin nicht bereit, meine Meinungsfreiheit zu begrenzen, weil die AfD oder Islamhasser davon Nutzen machen. Diese Debatte gehört in die Mitte der Gesellschaft und die müssen wir führen." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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