Die Corona-Pandemie hat das Land so sehr gespalten wie kaum eine andere Krise. Bei "Markus Lanz" gab Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt Fehler seitens der Regierung zu und forderte vier Jahre nach Beginn der Pandemie eine gründliche Aufarbeitung. Später geriet sie mit dem Moderator aneinenader.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Themen wie die Impf- und Maskenpflicht sorgten deutschlandweit für hitzige Debatten. Fast vier Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie plädierte Katrin Göring-Eckardt dafür, einen besonderen Blick auf die Folgen der Corona-Politik zu werfen. Gleichzeitig geriet sie mit dem ZDF-Moderator aneinander, als es um die deutschen Waffenlieferungen an Israel ging.

Mehr aktuelle News

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Ende März lösten bisher unveröffentlichte Sitzungsprotokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Corona-Pandemie eine große Welle der Empörung aus. Der Grund: Einzelne Ausschnitte der insgesamt mehr als 200 Protokolle des Corona-Krisenstabs aus dem Anfangszeitraum der Pandemie von Januar 2020 bis April 2021 wurden geschwärzt und damit unkenntlich gemacht - darunter brisante Themen wie die Covid-Impfung.

Markus Lanz sprach daher mit seinen Gästen über die dringend notwendige Aufarbeitung der Pandemie. Zudem wagte der ZDF-Moderator einen ungeschönten Blick auf die Situation im Gazastreifen.

Das sind die Gäste

  • Katrin Göring-Eckardt, Politikerin: "Wie mit der Pandemie noch heute Stimmung gegen unsere Demokratie gemacht wird, besorgt mich."
  • Hendrik Streeck, Virologe: "Demokratie gerät ins Wanken, wenn wir keinen offenen Diskurs mehr führen."
  • Nikolaus Blome, Journalist: "Offenbar hat man damals im RKI genau so gestritten und diskutiert wie in den Medien."
  • Sophia Maier, Reporterin: "Israel hat bis heute keinen Plan für ein Danach angeboten."
Markus Lanz, Katrin Göring-Eckardt, Nikolaus Blome, Sophia Maier, Hendrik Streeck
Am Dienstag begrüßte Markus Lanz (l.) Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt (2.v.l.), Journalist Nikolaus Blome (Mi.), Reporterin Sophia Maier (2.v.r.) und Virologe Hendrick Streeck in seiner Sendung. © ZDF / Cornelia Lehmann

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Beim Thema Corona scheint die Stimmung im Land nach wie vor aufgeheizt zu sein. Markus Lanz fragte daher vorsichtig: "An welcher Stelle der Aufarbeitung befinden wir uns gerade?" - "Es sind schon eine ganze Menge Lehren aus (...) der Pandemie-Zeit gezogen worden", antwortete Journalist Journalist Nikolaus Blome nüchtern. Dennoch gebe es das Gefühl, es sei "noch nicht genug und wir müssen es alles nochmal diskutieren".

Ob er die Befürchtung von Katrin Göring-Eckardt teile, dass mit der Pandemie "noch heute Stimmung gegen unsere Demokratie gemacht" werde, wollte Lanz wissen. Blome erklärte, dass es immer einen Teil der Bevölkerung geben wird, der mit keiner Form der Aufarbeitung versöhnt werden könne. "Diese Menschen wollen ein umfassendes (...) Schuldeingeständnis (...) aller Politiker und aller Journalisten, dass alles schiefgelaufen ist", so Blome.

Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt stimmte zu, betonte aber auch, dass die Regierung zu jeder Zeit "mit bestem Wissen und Gewissen gehandelt" hat. Sie gab jedoch zu: "Wir wussten auch zu jeder Zeit, dass wir nicht alles richtig machen werden."

Dies brachte Lanz auf die über 2.000-seitigen Protokolle des Robert-Koch-Instituts zu sprechen. "Die 'RKI-Files' sind ein kommunikatives Desaster", stellte Virologe Hendrik Streeck dazu klar. Als Lanz wissen wollte, was genau in den Dokumenten geschwärzt wurde, antwortete Streeck schwammig: "Ich habe jetzt auch nicht nachgeforscht, was da genau geschwärzt wurde. Ich weiß auch gar nicht, ob man mir das sagen würde."

Hendrik Streeck
"Die 'RKI-Files' sind ein kommunikatives Desaster." Der Virologe Hendrik Streeck kritisierte die Aufarbeitung der Corona-Pandemie durch die Bundesregierung. © ZDF / Cornelia Lehmann

Der Experte kritisierte in dem Zusammenhang, dass sich das "Misstrauen in die Regierung" während der Corona-Pandemie bereits verstärkt habe "und gerade in so einem Fall müsste man viel transparenter sein - und gerade mit Transparenz nach vorne gehen, um da auch wieder ein Stück weit Vertrauen aufzubauen".

Eine Steilvorlage für Lanz, der das Zusammenspiel aus Politik und Medien ansprach und in die Runde fragte, ob der mediale Diskurs zu Corona-Zeiten zu einseitig gewesen sei. Streeck stimmte der These zwar teilweise zu und forderte eine Aufarbeitung "auf vielen verschiedenen Ebenen", sagte aber auch, dass es keine individuellen Schuldzuweisungen geben darf: "Wir dürfen hier kein 'Blame Game' haben."

Vielmehr plädierte Streeck dafür, gemeinsam nach vorne zu blicken: "Wir haben eine Krise, die innerhalb von drei Jahren beendet wurde in Deutschland. Und wir können unser Playbook, wie wir mit so einer Krise umgehen, neu schreiben." Die Corona-Pandemie könne laut Streeck sogar zum "Stellvertreter (...) für zukünftige Krisen" werden.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Mit Blick auf die prekäre Lage im nahen Osten fragte Markus Lanz: "Wie schauen Sie auf Gaza?" Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt antwortete knapp: "Ich sehe jeden Tag, dass Menschen dort hungern (...) und dass es offenbar nicht möglich ist, zu einer Feuerpause zu kommen." Unbeeindruckt hakte Lanz nach: "Ist es in Ordnung, angesichts dieser Bilder weiter Waffen an Israel zu liefern?" Göring-Eckardt reagierte jedoch schwammig: "Es ist nie zu rechtfertigen, dass unschuldige Menschen getötet werden."

Die Politikerin machte gleichzeitig deutlich, dass sie weitere Waffenlieferungen unterstütze, da Israel "unter Druck" stehe: "Es ist nach wie vor wichtig, jede Einzelentscheidung zu treffen." Gleichzeitig sei es auch "wichtig, Israel immer wieder daran zu erinnern, was verhältnismäßig ist, was das humanitäre Völkerrecht ist. (...) Es ist wichtig, Druck zu machen, dass die Feuerpause endlich stattfindet". Diese Antwort schien Lanz nicht zu überzeugen. Ob in Gaza Völkerrecht gebrochen werde, fragte er deutlich und kritisch nach. Sichtlich genervt konterte Katrin Göring-Eckardt, dass sie dies nicht beantworten könne, "wenn sich internationale Gerichte damit beschäftigen".

Lanz ließ nicht ab: "Finden dort Kriegsverbrechen statt?" Der ZDF-Moderator wies in dem Zusammenhang auf die Völkermord-Klage Nicaraguas gegen Deutschland hin. Darauf reagierte Nikolaus Blome ironisch: "Vom 'demokratischen Vorzeige-Staat' Nicaragua - nehmen Sie das ernst?" Lanz schoss zurück: "Wenn wir von den Vereinten Nationen angeklagt werden, müssen wir das dann nicht ernst nehmen?" Blome wiegelte ab: "Ich glaube, wenn das eine Show-Veranstaltung ist, so wie Nicaragua offenkundig eine abziehen möchte, muss man das nicht ernst nehmen."

Sichtlich irritiert fragte der Moderator in Richtung Göring-Eckardt: "Das ist eine Show-Veranstaltung? Würden Sie das auch so sehen?" Die Politikerin schüttelte den Kopf: "Show-Veranstaltung finde ich zu hart." Gleichzeitig machte sie deutlich: "Es gibt kein Ende der Staatsräson, was Israel angeht. Das heißt nicht, dass wir nicht Netanjahu kritisieren." Deutschland habe laut Göring-Eckardt nach wie vor "gegenüber Israel und dem Existenzrecht Israels eine Verantwortung".

Reporterin Sophia Maier sah dies jedoch kritisch und merkte an, dass die Hamas nicht mit Waffen zu besiegen sei: "Ich glaube, dass man diese Ideologie nicht mit Bomben zerstören kann. Ich glaube, dass man sie mit Bomben kreiert. Ich glaube, dass die einzige Lösung (...) zwei Staaten sind." Dem widersprach Blome vehement und sagte abschließend, es brauche "eine dritte Lösung", denn: "Ich glaube nicht, dass die Israelis noch einmal einen palästinensischen Staat akzeptieren werden."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz nahm sich am Dienstag nicht nur viel Zeit für die Corona-Aufarbeitung, sondern auch für den Krieg im Nahen Osten. Somit gelang ihm eine informative Sendung, in der jeder Gast ausreichend zu Wort kam.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" stand unter anderem der Umgang mit der Corona-Pandemie im Fokus. Dazu warnte Katrin Göring-Eckardt, dass eine Aufarbeitung nicht dazu missbraucht werden sollte, "um Politiker, Ärzte und andere zu diffamieren". Mit Blick auf die aufgeheizte Stimmung im Land fügte sie hinzu: "Es gab ja die, die angemacht worden sind, weil sie nicht geimpft waren. Es gab auch Leute, die mir Hundekot in den Briefkasten getan haben, weil ich irgendwelche Corona-Maßnahmen mitzuverantworten hatte. (...) Und wenn man es befrieden will, dann sollten wir nicht versuchen, es irgendwie auf allen möglichen einzelnen Veranstaltungen zu machen."

Göring-Eckardt erklärte daher, dass der Diskurs mit Hilfe eines "Bürgerrats" auf eine andere Ebene gebracht werden könnte: "Der hat nämlich alles - der hat die Politik als Beteiligte, der hat die Bürgerinnen und Bürger und der hat die Expertinnen und Experten. (...) Ich glaube, das wäre ein Instrument, wo man sagt, da macht man es wirklich gründlich."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.