Für Linken-Politiker Bodo Ramelow könnte es bei der kommenden Landtagswahl in Thüringen eng werden. Bei "Markus Lanz" äußerte er sich zu seinen sinkenden Umfragewerten, während er gegen das "Bündnis Sahra Wagenknecht" vom Leder zog. Eine Zusammenarbeit schloss er trotzdem nicht aus.

Eine Kritik
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Wenige Monate vor der Landtagswahl in Thüringen zeichnet sich laut aktuellen Umfragen eine schwierige Regierungsbildung ab. Bei "Markus Lanz" erklärte Bodo Ramelow, dass er eine Koalition mit dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" nicht ausschließen wolle. Dennoch ließ er keine Gelegenheit aus, gegen die neu gegründete Partei zu wettern.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Im September wird in Thüringen der Landtag gewählt. Während die AfD und das "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) laut Umfragen immer mehr potenzielle Wählerstimmen für sich gewinnen können, verliert die Linkspartei mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow weiter. Der Politiker gab deshalb bereits kürzlich an, eine Dreierkoalition mit der CDU und dem BSW nach der Landtagswahl nicht ausschließen zu wollen.

Markus Lanz nahm dies zum Anlass, am Mittwoch die schlechten Umfragewerte der Linken in Thüringen zu analysieren. Gleichzeitig sprach er über den Anstieg des muslimischen Antisemitismus.

Das sind die Gäste

  • Bodo Ramelow, Linken-Politiker: "Es schmerzt mich, dass das BSW sich aus der Linken verabschiedet hat."
  • Jan Hollitzer, Journalist: "Bodo Ramelow ist mit Abstand der beliebteste Politiker des Landes, aber seine Partei schmiert gerade ab."
  • Eva Umlauf, Shoah-Überlebende: "Die Monate in Auschwitz haben mein ganzes Leben beeinflusst."
  • Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington: "Alle, die das Duell gesehen haben, sind erschüttert."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" erzählte Eva Umlauf ihre bewegende Geschichte. Die 81-Jährige gehört zu einigen wenigen Kindern, die einst das Konzentrationslager in Auschwitz überlebt haben. "Diese Monate in Auschwitz haben mein ganzes Leben danach geprägt", gab Umlauf an. Sie wurde im November 1944 kurz vor ihrem zweiten Geburtstag gemeinsam mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert. Ihre Mutter überlebte nur knapp, während ihr Vater während eines Todesmarsches ums Leben kam.

Bis heute trägt Eva Umlauf die schreckliche Kindheitserinnerung unter der Haut - in Form einer eintätowierten Nummer. "Ich dachte als Kind, dass jeder Mensch (...) eine Nummer hat", erklärte Umlauf, die hinzufügte: "Damit lebe ich jetzt 81 Jahre." Als Markus Lanz wissen wollte, wie sie mit ihrer Vergangenheit fertig werde, erklärte die 81-Jährige: "Ungeschehen kann man Auschwitz nicht machen, aber man kann es so verarbeiten, dass man mit dem Trauma leben kann als gesunder Mensch." Lanz hakte nach: "Wie geht das?"

Eva Umlauf bei "Markus Lanz"
Shoah-Überlebende Eva Umlauf schilderte ihre Sorgen hinsichtlich des steigenden Hasses gegen Juden in Deutschland. © ZDF / Cornelia Lehmann

Darauf antwortete Eva Umlauf, die bis heute unter anderem als Psychotherapeutin tätig ist, nachdenklich: "Das ist sehr schwer." Ihr helfe es jedoch, mit vielen Schülern im direkten Austausch zu sein und Fragen zum Holocaust zu beantworten. Eine Steilvorlage für den ZDF-Moderator, der wissen wollte, ob die 81-Jährige merke, dass in der Gesellschaft "gerade etwas verrutscht". Eva Umlauf reagierte mit einem lautstarken "Ja" und ergänzte: "Ich bin sicher, Antisemitismus war immer da. Das ist nichts Neues. (...) Aber was jetzt ist, das ist ein Judenhass. Und das ist einfach für mich (...) sehr schwer zu ertragen."

Die Shoah-Überlebende erklärte weiter, dass sie das Gefühl habe, immer mehr Menschen würden sich für das "Ende des Judentums" starkmachen wollen: "Das ist schon mehr als nur Antisemitismus." Grund genug für Umlauf, keine Zeitung wie die "Jüdische Allgemeine" mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln zu lesen, da dies zu "gefährlich" sei und "ich nicht provozieren will".

Markus Lanz sprach daraufhin eine kürzliche Aussage von Historiker Michael Wolffsohn an, der vor einem wachsenden Antisemitismus in muslimischen Kreisen warnte. Dem konnte sich Eva Umlauf nur anschließen: "Da hat er recht!" Auch die 81-Jährige habe vermehrt aus arabisch-muslimischen Kreisen Antisemitismus erfahren und "das ist kein gutes Zeichen".

Das ist das Rede-Duell des Abends

Mit Blick auf die kommende Landtagswahl in Thüringen wollte Markus Lanz wissen: "Was erwarten Sie da im Herbst?" Journalist Jan Hollitzer antwortete: "Die Momentaufnahme sagt, dass relativ wahrscheinlich (...) CDU, BSW und SPD eine parlamentarische Mehrheit bilden könnten mit 49 Prozent." Rot-Rot-Grün sei dagegen laut Hollitzer "weit weg" davon. Über die Volatilität unter den Wählern sagte der Journalist: "Ich nehme da eine absolute Verzweiflung und Orientierungslosigkeit verschiedenster Wählergruppen in Thüringen wahr." Viele Wähler seien mit dem "politischen Angebot" nicht zufrieden, was "diese Riesen-Bewegung zwischen BSW und AfD" erkläre.

Linken-Politiker Bodo Ramelow stimmte widerwillig zu: "Ich nehme wahr, dass die ostdeutsche Seele ziemlich angegriffen ist." Lanz hakte nach: "Was ist für Sie dieses Phänomen Sahra Wagenknecht? Wie hat sie es geschafft, Sie derart abzuhängen?" Ramelow nahm dies zum Anlass, gegen das "Bündnis Sahra Wagenknecht" zu wettern und das Verhalten der Partei "als Kalifat oder Clan" zu bezeichnen. Der Ministerpräsident von Thüringen erklärte: "Es gibt nach Angaben des BSW 1.000 Aufnahme-Anträge in Thüringen. 40 hat man aufgenommen und diese 40 entscheiden ganz alleine." Laut Ramelow habe das BSW aktuell gar nicht den "Ehrgeiz, eine Massenpartei werden zu wollen".

Der Linken-Politiker redete sich weiter in Rage: "Die Menschen wollen in Thüringen Wagenknecht wählen, (...) aber Frau Wagenknecht kandidiert in Thüringen überhaupt nicht! Sie steht überhaupt nicht zur Wahl. Es stehen 40 Personen zu dieser Partei, mehr sind nicht da. Der Rest wird nicht aufgenommen. Der Rest ist eine Phantomerscheinung!" Lanz konterte unbeeindruckt: "Aber es reicht ja ganz offensichtlich." Bodo Ramelow musste zustimmen und gab zu, persönlich enttäuscht zu sein: "Es schmerzt mich, dass das BSW sich aus der Linken verabschiedet hat. Es schmerzt mich. Ich habe von einer anderen Linken geträumt, nämlich einer pluralen Linken."

Bodo Ramelow bei "Markus Lanz"
Für Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kommt eine politische Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage, wie er bei "Markus Lanz" betonte. © ZDF / Cornelia Lehmann

Der ZDF-Moderator hakte interessiert nach: "Schließen Sie eine Koalition mit dem BSW aus?" Darauf antwortete der Politiker deutlich: "Ich kämpfe gegen keine demokratische Partei. Und für mich ist das BSW erstmal Teil des demokratischen Spektrums." Eine Steilvorlage für Lanz, der feststellte, dass die AfD auch "ganz demokratisch" gewählt werden könne. Ein Argument, das den Politiker wütend machte: "Das haben Sie mir jetzt in den Mund gelegt. Die AfD ist keine demokratische Partei." Lanz schoss zurück: "Ich habe gesagt: demokratisch wählbar."

Ramelow blieb jedoch bei seiner Meinung: "Das habe ich aber nicht so gesagt. Das haben Sie mir gerade in den Mund gelegt." Ramelow ergänzte, dass er um die knapp 70 Prozent kämpfe, die nicht die AfD wählen: "Mein Kampf geht gegen die Normalisierung des Faschismus. Und Herr Höcke ist der Vertreter, der (...) den Faschismus jeden Tag immer mehr normal macht. Gegen diese Erscheinung kämpfe ich!" Laut Ramelow wäre es daher ein schwerwiegender Fehler, die AfD mit dem BSW "gleichzusetzen".

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz wurde aufgrund der vielen Themenkomplexe die Zeit zum Verhängnis, als er anfing, mit Bodo Ramelow über die deutsche Asylpolitik zu streiten. "Ich hätte die Debatte sehr gerne weiter mit Ihnen fortgesetzt", bekannte der Moderator, als er aufgrund mangelnder Zeit die Sendung beenden musste.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

ZDF-Moderator Markus Lanz wollte herausfinden, warum Bodo Ramelow mit der Linkspartei trotz seiner Popularität in Thüringen von vielen Wählern abgelehnt wird. "Welche Themen hat die Linkspartei liegenlassen?", fragte Lanz und wies auf das Thema Asyl hin. Bodo Ramelow war sich jedoch keiner Schuld bewusst und erklärte, wie wichtig es sei, "die Menschen, die da sind", schneller im Arbeitsleben zu integrieren.

"Wenn wir nur noch rassistisch darüber reden, führt das dazu, (...) dass eine Ausländerfeindlichkeit in einer Community entsteht, bei dem Menschen, die nicht deutscher Herkunft sind, sagen: Da will ich nicht leben", betonte Ramelow. Lanz konnte dem jedoch nicht zustimmen und merkte an: "Das Thema der Überforderung, das sehen Sie nicht?" Der Linken-Politiker entgegnete schwammig: "In der Art und Weise, wie wir mit Geflüchteten umgegangen sind, haben wir uns selber überfordert." Keine Zuwanderung überfordere jedoch die Gesellschaft noch viel mehr, denn: "Wir werden den Wohlstand nicht halten können!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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