Die Wohnungsnot in Deutschland ist 2023 nicht kleiner geworden. Bei "Markus Lanz" stand Bauministerin Klara Geywitz am Mittwoch Rede und Antwort.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Lösung der Baukrise scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Das von der Regierung ausgegebene Neubauziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr hält Klara Geywitz erst ab 2024 für erreichbar.

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Bei "Markus Lanz" äußerte sich die Bauministerin zu der Misere und musste sich dabei der deutlichen Kritik nicht nur des ZDF-Moderators stellen.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Laut einer aktuellen Studie werden 2023 in Deutschland mehr als 700.000 Wohnungen fehlen, während die Zahl der Sozialwohnungen immer weiter sinkt. Obwohl die Bundesregierung ein Neubauziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr verkündet hatte, liegt die Zahl der neu errichteten Wohnungen in diesem Jahr nur bei knapp 250.000. Grund genug für Markus Lanz, der Wohnungsnot und Baukrise in Deutschland am Mittwochabend auf den Grund zu gehen.

Das sind die Gäste

  • Klara Geywitz, Politikerin: "Ich bin das Gesicht zu dieser Baukrise, und das fühlt sich nicht schön an."
  • Roman Pletter, Journalist: "Wir leben in einer Zeit, in der das Land zumindest kurzfristig ärmer wird."
  • Jan-Hendrik Goldbeck, Unternehmer: "Ich kann ein komplettes Wohnhaus in zehn bis 14 Monaten erstellen."
  • Matthias Bernt, Politologe: "Wir verlieren von Jahr zu Jahr deutlich mehr Sozialwohnungen, als wir überhaupt neu bauen können."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

In Bezug auf die fehlenden Wohnungen und die immer weiter steigenden Mietpreise wollte Markus Lanz von Bauministerin Klara Geywitz wissen, wie es ihr "jetzt so an Weihnachten" damit gehe, dass viele Menschen "2024 kein bezahlbares Dach über dem Kopf haben". Die Politikerin antwortete nachdenklich: "Das ist etwas, was natürlich für mich nicht schön ist."

Auf der Suche nach einer Ursache für die Misere sprach der ZDF-Moderator den einstigen "Teilzeit-Bauminister" Horst Seehofer an, der einst 375.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen hatte, jedoch nur "knapp unter 300.000" fertigstellen konnte. Klara Geywitz wollte jedoch nicht gegen den CSU-Mann schießen und sagte: "Ich könnte jetzt mir einen ganz billigen Scherz erlauben und sagen, im letzten Jahr haben wir sogar ein bisschen mehr gebaut als Horst Seehofer im Jahr davor, aber das wäre wirklich unfair."

Laut Geywitz seien die Zusammenhänge in der Baubranche "so kompliziert", dass man die Schuld für die Krise nicht einem einzelnen Minister zuschieben könne. Die Bauministerin ergänzte mit strenger Miene: "Wir haben unterschiedliche Probleme, und die Lösung, das ist jetzt auch eine bittere Nachricht, die dauert natürlich auch einige Jahre."

Lanz sprach daraufhin den Amtsantritt von Geywitz an, die seit 8. Dezember 2021 als Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zuständig ist. Als die SPD-Politikerin offen erzählte, dass sie damals mit nur zwei Abteilungen samt weniger Mitarbeiter ins Amt ging, stellte Lanz schockiert fest: "Mit dem Wissen geht jemand wie Olaf Scholz in den Wahlkampf und sagt: (...) 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Und dann höre ich von Ihnen, dass Sie sich selbst den Kaffee mitbringen und dass sie gerade mal zwei Abteilungen haben. (...) Das ist alles so sehr hemdsärmelig."

Auf die Frage, wie das alles zusammenpasse, antwortete Klara Geywitz jedoch selbstbewusst, dass "die Frage, wie viele Wohnungen in Deutschland hergestellt werden", vor allem davon abhängt, "wie die Hypotheken-Zinsen sind - und nicht, ob Klara Geywitz eine besonders schöne Kaffeemaschine hat". Lanz konterte darauf lachend: "Das ist schon klar, aber sie symbolisiert was an dem Punkt."

Die Bauministerin verteidigte die Bundesregierung weiter mit den Worten: "Als dieses Versprechen gemacht wurde, war das ja nicht eine Idee von Olaf Scholz, weil er sagte: '400.000 - das ist doch mal eine schön klingende Zahl'. Sondern das war der damals tatsächlich errechnete Bedarf. Der jetzige Bedarf ist deutlich höher."

Eine Aussage, die Lanz erneut hellhörig machte: "Noch höher?" Klara Geywitz erklärte daraufhin, dass dies zum Teil an den aus der Ukraine geflüchteten Menschen liege, denn "die konnten logischerweise in dem damals errechneten Bedarf gar nicht drin sein".

Das ist das Rede-Duell des Abends

Politologe Matthias Bernt wollte derweil nicht nur auf die reinen "Baufertigstellungszahlen" blicken, sondern vor allem darauf, "was gebaut wird und was bezahlbar gebaut wird". Laut des Experten habe es in den 80er Jahren noch vier Millionen Sozialwohnungen gegeben. Mittlerweile seien davon gerade einmal knapp eine Million übrig - obwohl elf Millionen Menschen Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten. "Wir verlieren von Jahr zu Jahr deutlich mehr Sozialwohnungen als wir überhaupt neu bauen können", kritisierte Bernt.

Als der Politologe einen Systemwechsel vorschlug, wiegelte Klara Geywitz ab. Die Bauministerin erklärte: "Sozialwohnungen, die letztes Jahr fertig geworden sind, die sind wahrscheinlich vier Jahre vorher geplant worden." Es sei nicht so, als könne sie die 18 Milliarden Euro, die für den sozialen Wohnungsmarkt gedacht sind, einfach "wie so eine Art Feenstaub über die Felder streuen und dann sind da auf einmal Sozialwohnungen". Laut Geywitz gehe es hier um "Maßnahmen, die verzögert eintreten werden".

Journalist Roman Pletter sprang der Politikerin prompt zur Seite und sagte: "Frau Geywitz (...) als 'Das Gesicht der Wohnungskrise', das ist insofern natürlich ungerecht, weil Frau Geywitz nur auf einen ganz kleinen Teil der Regelungen, die uns behindern, Einfluss hat."

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Der Journalist kritisierte daraufhin jedoch die deutsche Bundesregierung, die der Bevölkerung in jeder Rede erzähle, es werde sich "nichts ändern". Pletter wetterte, dass "dieses Regieren durch Zumutungsentzug (...) jetzt ein Volk, eine Gesellschaft, ein Land" treffe, das seit vielen Jahren daran gewöhnt sei, zu denken, "morgen ist mehr da als gestern". Bundeskanzler Scholz könne demnach vorgeworfen werden, "den Leuten zu sagen: Alles wird gut, nichts wird sich ändern, niemand wird sich verkleinern müssen." Dies stimme laut Pletter jedoch absolut nicht, da das Land "kurzfristig ärmer" werde. "Das würde ich dem Kanzler ankreiden! Bei der Energiewende von einem Wirtschaftswunder zu reden, wo wir momentan sehen, es wird teurer", wurde der Journalist wütend.

Pletter forderte im Gespräch mit Lanz "eine Erwachsenen-Ansprache" an die Bevölkerung statt einer "Regierung des Zumutungsentzugs". Die harsche Kritik an Olaf Scholz lächelte SPD-Politikerin Geywitz gekonnt weg: "Das Wort 'Zumutungsentzug' nehme ich mir von dieser Sendung mit in so eine kleine Schachtel, werde es Robert Habeck schenken und 'Heizgesetz' draufschreiben."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang am Mittwochabend eine informative Sendung, in der vor allem Bauministerin Klara Geywitz Rede und Antwort stehen musste. Dennoch schaffte es der ZDF-Moderator nur teilweise, die SPD-Politikerin aus der Reserve zu locken, als es um die Fehler und Bürokratie-Hürden der Bundesregierung ging.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Wie Klara Geywitz bei "Markus Lanz" immer wieder deutlich machte, sei ihr aktuelles Ziel, "dass wir stabil durch diese Phase kommen, wo wir sehr große Probleme im Baubereich haben, damit wir keine Kapazitäten abbauen, die wir dringend brauchen".

In Bezug auf den Bürokratie-Wahnsinn in der Baubranche versprach die Ministerin derweil, dass in Zukunft vieles "schneller" laufen wird "als bisher". Unternehmer Jan-Hendrik Goldbeck warnte derweil, dass uns die Krise noch einige Jahre beschäftigen wird und sagte: "Wir kommen wieder in einen Aufschwung rein, man muss nur durchhalten jetzt."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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