- Der Krieg in der Ukraine tobt seit über einem Jahr, aber Putin scheint nicht verhandlungsbereit.
- Trotzdem fordern immer mehr, die Waffenlieferungen einzustellen.
- Was kann Diplomatie zum jetzigen Zeitpunkt erreichen? Bei Maybrit Illner war das der Zankapfel des Abends.
Etwa ein Jahr nachdem russische Truppen die Ukraine überfallen haben, werden in Deutschland Stimmen lauter, die eine "Exit-Strategie" fordern. Aus Sicht einer Mehrheit von 53 Prozent gehen die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges aktuell nicht weit genug. Knapp die Hälfte der Bevölkerung unterstützt die Waffenlieferungen. Das sind Ergebnisse aus dem ARD-DeutschlandTrend.
Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"
Die Debatte in Deutschland scheint in zwei Lager zerfallen: Frieden für die Ukraine wollen alle, aber die einen fordern mehr Waffen, die anderen weniger.
Das sind die Gäste
Saskia Esken (SPD): Die Parteivorsitzende benannte, was sie bei der Demonstration am Samstag von Sahra Wagenknecht und weiteren Mitstreitern vermisst hatte: "Die klare Zurückweisung der russischen Aggression." Putins größte Fehleinschätzung sei gewesen, dass die liberalen Demokratien auseinanderfallen und nicht zusammenhalten würden.Amira Mohamed Ali (Linke): "Deutschland muss Diplomatie viel stärker in den Vordergrund stellen", sagte die Linkspolitikerin, Sie fürchtete, Waffenlieferungen würden zu einer Eskalation des Krieges führen. "Dass die Ukraine diesen Aufrüstungswettkampf gegenüber Russland gewinnen kann, das sehe ich nicht", so Mohamed Ali.- Marina Weisband (Grüne): Die Deutsch-Ukrainerin plädierte dazu, die ukrainische Armee so auszurüsten, dass sie die russische Armee zurückdrängen kann. "Und in dem Moment, wo die russische Armee zurückweicht, werden russische Kräfte unzufrieden mit Putin sein. Historisch war das schon immer so: Es gab genau einen Grund, warum Regierungen fallen und das sind verlorene Kriege", so Weisband. Wenn Putin falle, gebe es eine ganz neue Verhandlungslage.
- Nicole Deitelhoff: Die Friedens- und Konfliktforscherin kritisierte das Manifest: "Es wird wenig dabei bedacht, wie kann man denn die Bedingungen schaffen, dass wir zu Frieden kommen." Die Kernfrage, was genau eine "diplomatische Offensive" sei, müsse beantwortet werden. In Bezug auf die Eskalationsgefahr erinnerte sie: "Politisch betrachtet kann Putin jederzeit sagen, dass wir Kriegspartei sind. Darauf haben wir überhaupt keinen Einfluss." Das Verhältnis, das viele Staaten im globalen Süden zu diesem Konflikt hätten, sei sehr ambivalent. Teilweise profitierten sie von verbilligten russischen Importen.
- Wolfgang Ischinger: "Es ist die erste Voraussetzung dafür, dass ernsthaft verhandelt wird, dass in Moskau die Einsicht entstanden ist oder zumindest entsteht, dass mit dem weiteren Einsatz militärischer Mittel Russland keine territorialen oder sonstigen Vorteile mehr erreichen kann", so der ehemalige Diplomat. Dieser Zustand sei noch lange nicht erreicht. Je schneller der Westen Waffen liefere, desto schneller könnten diese Voraussetzungen entstehen. "Wer verhindern will, dass das ein langer Krieg wird, der muss jetzt liefern", so Ischinger.
Das ist der Moment des Abends bei "Maybrit Illner"
Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge soll die Nato auf Verhandlungen später im Jahr zwischen der Ukraine und Russland gedrängt haben. Olaf Scholz und Emmanuel Macron sollen dem ukrainischen Präsidenten klargemacht haben, dass es Verhandlungen brauche, um ein Ende des Krieges herbeizuführen.
Ischinger sagte dazu: "Ich bin nicht so sicher, ob ich froh bin, dass dieser Bericht das Licht der Öffentlichkeit überhaupt erreicht hat. "Öffentliche Diplomatie habe Risiken und Nebenwirkungen. "Es gibt daneben die sogenannte stille oder Geheimdiplomatie", erinnerte er. Aus der Tiefe seines Herzens und jahrzehntelangen Berufserfahrung wolle er sagen: "Kinder, denkt mal daran, dass in einer Kriegs- und Konfliktsituation, wenn es um Krisendiplomatie geht, ein großer Vorteil in der stillen Diplomatie liegt." Nicht jedes Gespräch müsse gleich an die große Glocke gehangen werden.
Das ist das Rede-Duell des Abends
In der Debatte um drohende Eskalation im Krieg sagte Friedens- und Konfliktforscherin Deitelhoff, es sei absolut richtig, bei allen Schritten eine Risikoabschätzung vorzunehmen. "Nur, das kann nicht dazu führen, dass wir gar nichts mehr tun. Ansonsten wird Russland sich durchsetzen, die Ukraine wird aufhören zu existieren und unser aller Sicherheit in Europa ist noch massiver gefährdet."
Mohamed Ali ging dazwischen: "Wie erklären Sie es denn, dass führende Militärexperten sagen, dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld nicht gewonnen werden können? Es wird nicht gelingen, Russland militärisch zu besiegen. Wie erklären Sie sich das?"
Deitelhoff entgegnete: "Was ist eigentlich ein militärischer Sieg? Wir tun manchmal so, als wäre ein militärischer Sieg die bedingungslose Kapitulation. Erwartet die irgendjemand? Nein, ich nicht." Diese Darstellung erfolge nur, um alle Maßnahmen, die auf einen militärischen Sieg zielten, zu desavouieren.
So hat sich Maybrit Illner geschlagen
Mit zwei zugeschalteten Gästen war es am Donnerstagabend für Moderatorin Maybrit Illner nicht einfach, die Debatte am Laufen zu halten und alle miteinzubeziehen. Im Studio spielte sich die Diskussion deshalb vor allem zwischen Deitelhoff und Mohamed Ali ab. Gut, dass Illner immer wieder Input gab mit Fragen wie: "Sind Forderungen nach Kampfflugzeugen und U-Booten schlau oder ungeschickt?" oder "Wie ernst nehmen sie die Treueversprechen des Westens?". Die Fragen an Saskia Esken hätten derweil etwas kreativer sein können. Mehrfach musste sie Aussagen und Verhalten von Scholz erklären, statt ihre eigene Position darzustellen.
Das ist das Ergebnis bei "Maybrit Illner"
Wenig überraschend prallte die Forderung: "Diplomatie statt Waffenlieferung" auch bei Maybrit Illner am Donnerstagabend auf die Frage: "Was beinhaltet eine diplomatische Offensive konkret?" Eine befriedigende Antwort konnte Linkspolitikerin Mohamed Ali nicht geben und der Rest der Runde war sich einig, dass der richtige Zeitpunkt für Verhandlungen noch nicht gekommen ist. Das scheinbare Stagnieren der öffentlichen Debatte wurde nur durch eine Tatsache relativiert: Die Hoffnung, die sich auf die von Ischinger beschriebene stille Diplomatie baut.
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