Paradise Papers, Steueroasen, Air-Berlin-Pleite: Nur einige der Schlagworte, mit denen sich Sandra Maischberger und ihre Gäste gestern Abend abmühten. Besonders skurril: Ein Immobilienunternehmer, der zugab, betrogen zu haben und dies gleichzeitig anprangerte.
Nike verkauft Turnschuhe in Deutschland, aber versteuert das Geld in den Niederlanden. Ein Manager der insolventen Fluglinie Air Berlin streicht 4,5 Millionen Euro ein, obwohl er das Unternehmen nicht vorm Untergang retten konnte.
In Berlin machen dubiose Immobilienunternehmen mit sanierten Häusern fette Gewinne – von den Steuern sieht die Hauptstadt viel zu wenig. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass bei einigen Reichen und Superreichen (Steuer)-Moral nicht viel zählt.
Obwohl die durch die Paradise Papers enthüllten Tricks zur Steueroptimierung größtenteils legal sind, gehen dem Gemeinwesen dadurch Millionen, wenn nicht Milliarden verloren.
"Es muss sich was ändern. Das ist ungesund. Diese Ungerechtigkeit ist nicht zu ertragen", empörte sich der Journalist Christoph Lütgert, der an den Enthüllungen beteiligt war, bei
"Wie der Papst!"
Ein Mann war mit der Kritik an den Vermögenden gar nicht einverstanden. Rainer Zitelmann, Immobilieninvestor und Reichtumsforscher.
Er ärgerte sich sichtlich darüber, dass nun alle Reiche unter einen Generalverdacht gestellt würden, Betrüger zu sein. "Die meiste Reichen, die ich kenne, zahlen ganz normal ihre Steuern."
An den 4,5 Millionen Euro für Thomas Winkelmann von Air Berlin hatte er nichts auszusetzen. "Ich finde es in Ordnung, Vertrag ist Vertrag". Der Markt gebe das eben her.
Ein Grund, warum es in der Sendung zwischen Zitelmann und dem Immobilienunternehmer Josef Rick folglich zu einigen verbalen Scharmützeln kam.
Rick, selbst wohlhabend, forderte die Politik auf, endlich Maßnahmen gegen die Steuertrickser zu ergreifen, und erklärte, er schäme sich "für diese Menschen".
Lütgert nannte ihr Verhalten "asozial". Darüber hinaus setzte sich Rick für eine höhere Besteuerung der Vermögenden ein. Positionen, bei denen
"Absurde Theorien"
Dann eine skurrile Wende: Rick, der bisher hochmoralisch rüber kam, gab zu, beim Verkauf von Häusern mit sogenannten Share Deals häufiger schon massiv getrickst zu haben.
Die Redaktion rechnete vor: Allein bei einem Objekt ließen sich so mehrere Hunderttausend Euro Steuern einsparen. Zugleich prangerte er dies öffentlich an. "Ich finde das skandalös. Ich will eine Debatte darüber auslösen."
Zitelmann fand dieses Vorgehen "eigenartig" und verglich es – etwas schräg – mit einem Papst, "der Monogamie predigt und jede Woche eine neue Freundin hat."
Rick wiederum griff seinen Widerpart an, als der behauptete, je mehr Supereiche es gebe, desto mehr Menschen würden in die Mittelschicht aufsteigen. "Das sind absurde Theorien ", meinte er. Die Männer fanden in der gesamten Sendung nicht auf einen grünen Zweig.
Auch Linken-Frau Wissler wurde mit Zitelmann nicht warm. Sie beschwerte sich, als er die Reichen als eine Art geächtete Minderheit darstellte – und sich damit aus ihrer Sicht über Minderheiten lustig machte, die unter tatsächlichen Diskriminierungen zu leiden haben.
FDP will Steuerschlupflöcher schließen
Darüber hinaus sorgten einige Scharmützel zwischen Wissler und FDP-Präsidiumsmitglied Otto Fricke für Unterhaltung. Während die eine für mehr Besteuerung der Reichen warb sowie Verflechtungen zwischen Politik und Finanzwirtschaft beklagte, betonte der andere die Selbstregulierung des Marktes und wies darauf hin, dass auch der Normalbürger bei der Steuer gerne mal trickst.
Zudem kündigte Fricke an, die kommende Bundesregierung, sofern die FDP an ihr beteiligt sein wird, wolle sich um die Schließung von Steuerschlupflöchern bemühen.
Journalist Rütgert wies da noch einmal auf Steueroasen mitten in Europa hin. "Kein Land schadet uns so wie Holland, was Steuereinnahmen betrifft." Für FDP-Mann Fricke eine besonders knifflige Frage. Wie mit einem befreundeten Land umgehen, das Deutschland finanziell schadet? Wie Druck auf einen wichtigen europäischen Partner ausüben?
Der Debatte um Moral in der Wirtschaft hatte eingangs die Stewardess Anja Barbian ein Gesicht gegeben. Die 51-Jährige steht nach der Insolvenz von Air Berlin vor dem Nichts.
Sie ärgerte sich maßlos, dass sie und ihre Kolleginnen und Kollegen vor einer ungewissen Zukunft stehen und sich der Manager 4,5 Millionen Euro gesichert hat. "Das finde ich nicht in Ordnung."
Ändern dürfte sich an solchen Zahlungen vorerst nichts: Der Markt gibt sie her. Die Frage wird sein, ob die Politik tatsächlich gewillt ist, an den Rahmenbedingungen des Marktes künftig etwas zu ändern. "Wenn die Ungleichheit zu groß wird", warnt Janine Wissler, "wird es irgendwann Demokratie gefährdend!"
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