Deutschlands Abschied von der Kernkraft wird noch immer rege diskutiert. Bei "Markus Lanz" äußerte sich am Donnerstagabend Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zu Chancen und Risiken mit Blick auf die deutsche Energiewende.
Wie wirkt sich der Abschied von der Atomkraft auf die deutsche Wirtschaft und unseren Alltag aus? Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Am vergangenen Wochenende gingen nach insgesamt dreieinhalb Monaten Verspätung die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. Der Abschied von der Kernkraft ist jedoch bei Weitem nicht für alle ein Grund zum Feiern. Während die Strompreise in Deutschland immer weiter zu steigen drohen, forderte Bayerns Ministerpräsident
Das sind die Gäste
- Stephan Weil, SPD-Politiker und Ministerpräsident Niedersachsens, hielt fest: "Ich neige nicht zur Hysterie, aber die deutschen Energiekosten machen mir mittlerweile große Sorge."
- Helene Bubrowski, "FAZ"-Redakteurin, sagte mit Blick auf China: "Es gibt keinen Wandel durch Handel."
Christian Böttger, Bahn-Experte und Professor für Wirtschaftsingenieurwesen, klagte an: "Die Politik hat die Bahn vernachlässigt."- Michael Theurer, FDP-Politiker, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Schienenbeauftragter des Bundes, kündigte an: "Es sollen 45 Strecken bis 2030 saniert werden."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Am Donnerstagabend sprach Markus Lanz zunächst das Kernkraftwerk Emsland an, das am vergangenen Wochenende nach 35 Jahren vom Netz ging. "Wie läuft's?", fragte der ZDF-Moderator in Richtung Stephan Weil. Der Ministerpräsident Niedersachsens antwortete selbstbewusst: "Es läuft tadellos, denn hinter dem AKW liegt ganz viel Windenergie. Die wurde bislang oft abgeschaltet, weil der Atomstrom Vorrang hatte. Jetzt fließt da erneuerbarer Strom."
Lanz hakte dennoch mit kritischem Blick nach: "Wie zuverlässig ist der Windstrom?" Der SPD-Politiker ließ sich davon nicht beirren und erklärte: "Sehr zuverlässig, weil der niedersächsische Nordwesten sehr windig ist." Weil äußerte dennoch scharfe Kritik an der deutschen Strompolitik: "Wenn wir einen geraden Kurs Anfang der 2000er durchgesetzt hätten mit einem allmählichen Ausstieg aus der Atomenergie, dann hätten wir vieles leichter gehabt."
Lanz kam da auf Weils bayerischen Amtskollegen Markus Söder zu sprechen. Der CSU-Chef sorgte zuletzt mit seiner Forderung einer Länderzuständigkeit für den Weiterbetrieb der Kernkraft für viel Aufsehen. Ein Unding für "FAZ"-Journalistin Helene Bubrowksi: "Seine These, dass man das Ganze jetzt von Bayern aus lenkt, ist überhaupt nicht zu realisieren. Das ist ein totales Luftschloss eines wahlkämpfenden Ministerpräsidenten, der versucht, seine Felle zu retten."
Die Journalistin weiter: "Erst aus der Atomkraft und dann aus der Kohlekraft auszusteigen, war vielleicht ein Fehler. Es ist aber so entschieden worden und jetzt muss man die Schritte, die vereinbart wurden, konsequent durchsetzen." Stephan Weil stimmte zu und ergänzte: "Die Frage 'Atomkraft Ja oder Nein' muss jetzt mal langsam entschieden sein, nachdem wir jahrzehntelang darüber diskutiert haben."
Lanz jedoch wollte durchaus noch weiterdiskutieren und befragte FDP-Mann Michael Theurer, ob der einen künftigen Weiterbetrieb der AKWs generell befürworten würde. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium hielt sich bedeckt: "Die Frage stellt sich ja im Moment nicht. Gerade stellt sich die Frage, ob wir durch den nächsten Winter genauso gut kommen wie durch diesen Winter. Ich bin froh, dass in diesem Jahr die Kernkraftwerke noch betrieben wurden."
SPD-Politiker Stephan Weil sprach in dem Zusammenhang die wirtschaftlichen Folgen der deutschen Energiewende an und gab offen zu: "Ich mache mir Sorgen um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Man könnte von einer schleichenden Deindustrialisierung reden, die da droht. Wir müssen deshalb umso mehr wettbewerbsfähige Preise haben beim Strom." Lanz konterte: "Den haben wir aber nicht." Weil stimmte teilweise zu und ergänzte: "Das Thema macht mich unruhig. Wir haben keine wirkliche Strategie, wie wir mit so einer Klemme umgehen."
Markus Lanz hakte nach: "Das heißt, wir müssen über milliardenschwere Subventionen nachdenken." Weil spielte den Ball rhetorisch zu FDP-Chef Christian Lindner weiter: "Das Schlimmste, was einem Finanzminister passieren kann, ist tatsächlich nichts zu tun."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Beim Thema Wirtschaftsstandort lenkte Markus Lanz die Debatte auf das immer wieder heiß diskutierte Debakel der Deutschen Bahn. FDP-Mann Michael Theurer, Schienenbeauftragter des Bundes, gab zunächst lachend zu: "Der Deutschland-Takt ist ein Jahrhundertprojekt." Lanz wollte deshalb von seinen Gästen wissen, wer mit dem Zug ins TV-Studio nach Hamburg gefahren ist. Die Bilanz? Alle außer SPD-Politiker Stephan Weil nutzten die Deutsche Bahn. Lanz lachte: "Sie können nicht warten?" Der Ministerpräsident Niedersachsens antwortete zunächst ähnlich belustigt: "Ich wollte ja pünktlich sein."
Daraufhin wurde der Ton jedoch ernster, als der ZDF-Moderator deutlich machte, wie marode der deutsche Bahnverkehr mittlerweile ist: "Wir erzählen uns seit Jahrzehnten, wir müssen mehr für die Schiene tun, investieren aber immer weniger. Es wird viel erzählt, dass wir ein neues Deutschland-Tempo brauchen, aber es passiert nichts."
Dem stimmte Bahn-Experte Christian Böttger nicht nur zu - er nannte auch gleich einen Schuldigen: "Man muss bei der Politik anfangen. Der Bund als Eigentümer hat sich sehr schlecht um das Unternehmen gekümmert. Die Politik hat die Bahn vernachlässigt!" Der Bahn-Experte kritisierte weiter: "Man hat in den letzten Jahren das Netz massiv zurückgebaut, um Geld zu sparen. Die letzten Verkehrsminister haben seit der Bahnreform ihren Job lustlos gemacht. Vor 20 Jahren war uns die Schiene noch 20 Milliarden wert, heute sind es 2 Milliarden pro Jahr. Man hat das jahrelang liegen lassen."
FDP-Politiker Michael Theurer kam bei der geballten Kritik leicht ins Straucheln und stellte klar: "Wir wussten, dass da einiges im Argen liegt, aber dass das so schlimm ist ... Also der Handlungsbedarf ist da. Es gibt Instandsetzungs-Rückstände - und die wollen wir anpacken. Es sollen 45 Strecken bis 2030 saniert werden." Stephan Weil fügte schwammig hinzu: "Wir haben ein unabstreitbares Problem und das müssen wir wegarbeiten. Man kann eine Menge Lehren daraus ziehen", worauf Markus Lanz prompt mit einem süffisanten "In 50 Jahren werden wir dann soweit sein" reagierte.
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Am Donnerstagabend jonglierte Markus Lanz mit zwei großen Themenkomplexen: Der deutschen Energiewende und dem Debakel rund um den deutschen Schienenverkehr. Der ZDF-Moderator schaffte es, nicht nur SPD-Politiker Stephan Weil viel Raum zu geben, sondern er ließ auch Bahn-Experte Christian Böttger ausgiebig zu Wort kommen. Besonders genau hakte Lanz beim Ende der Kernenergie nach und brachte damit FDP-Politiker Michael Theurer in Nöte, als der sich zu den Vorschlägen von Markus Söder äußern sollte.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Wie die deutsche Energiewende kostengünstig, effizient und klimafreundlich zugleich vonstatten gehen soll - darüber diskutieren Experten und Politiker derzeit kontrovers. Bei "Markus Lanz" äußerte sich Stephan Weil offen zur Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland und brachte seine Sorgen und Ängste zum Ausdruck. Ähnlich sorgenerfüllt endete auch die Debatte rund um das Debakel des deutschen Schienenverkehrs. Während FDP-Politiker Michael Theurer über die aktiven Pläne zur Verbesserung des Bahnverkehrs sprach, blieb Moderator Lanz skeptisch. Er beendete die Sendung mit den ernüchternden Worten: "Ich verstehe langsam, warum das Deutschland-Tempo so ist, wie es ist." © 1&1 Mail & Media/teleschau
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.