"Werde ich gerecht bezahlt?" fragt sich wohl jeder Arbeitnehmer. Die Erzieher machen derzeit mit ihrer Forderung nach mehr Lohn auf sich aufmerksam. In der Grundsatzdebatte bei "Günther Jauch" bekommen vor allem allgemeine Parolen Applaus, eine echte Auseinandersetzung mit dem Thema bleibt aus.

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Was ist das Thema?

Was ist die Arbeit von Erziehern, Postzustellern und Busfahrern wert? All diese Berufsgruppen treten derzeit öffentlich für einen höheren Lohn ein – und für eine größere Anerkennung ihrer Tätigkeit in der Gesellschaft. Bei einem Scheitern der Tarifverhandlungen drohen die Erzieher mit Streik. Bei der Bahn hat die Lokführergewerkschaft GDL einen Mammut-Streik für die kommende Woche angekündigt.

Wie sieht ein fairer Verdienst aus? Wer legt ihn fest? Und wer bezahlt ihn am Ende? Diese Fragen stellt ARD-Moderator Günther Jauch am Sonntagabend seinen Gästen.

Wer sind die Gäste?

Die Forderung nach mehr Lohn für Geringverdiener gehört zu den Kernthemen der Partei "Die Linke" und deren Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi. Als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unterstützt Reiner Hoffmann die Interessen von Arbeitnehmern.

Die Arbeitgeberseite vertritt Michael Hüther als Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln. Ebenfalls bei Jauch zu Gast sind Katja Suding, die Fraktionsvorsitzende der FDP in der Hamburger Bürgerschaft, und Rainer Voss, der bis 2008 als Investmentbanker gearbeitet hat.

Was ist das Zitat des Abends?

"Nach meiner Erfahrung fühlt sich jeder Investmentbanker unterbezahlt", kommentiert Voss den Neidfaktor in seiner früheren Branche. Der Ex-Banker zeigt damit, dass nicht nur die Höhe des Einkommens selbst eine Rolle spielt, sondern auch der Vergleich mit anderen.

"Vielleicht sollten wir mehr Offenheit im Umgang mit unseren Gehältern finden", schlägt er vor. Mehr Transparenz würde seiner Meinung nach die unsichere Verhandlungsposition für Arbeitnehmer verschwinden lassen.

Wer sind die Quasselstrippen des Abends?

Wie schafft man es, von der FDP Mitleid zu bekommen? "Es tut mir leid, dass Ihnen die Mitglieder davonrennen!", bedauert Suding DGB-Chef Hoffmann. Ein verbales Tätscheln, das sich eher wie eine Ohrfeige anfühlen muss.
Dem Gewerkschaftsboss ist anzumerken, dass er Thema und Sendezeit so gut wie möglich ausreizen will. In seinen Redesalven ist oft Jauchs beherztes Einatmen zu hören, der ihn zu unterbrechen sucht. Hoffmann beklagt, dass immer weniger Arbeitgeber tarifgebunden seien und fordert eine gesellschaftspolitische Debatte über den Wert von Arbeit.

Zusammen mit Linken-Politiker Gregor Gysi haben die zwei wortstarken Männer die applaussicheren Parolen auf ihrer Seite. "Die sogenannten Frauenberufe sind alle grottenschlecht bezahlt!", schimpft Gysi. Auch Hoffmann kann das Publikum für sich gewinnen. "Von Arbeit muss jeder in diesem Land vernünftig leben können", betont er.

Was ist das Ergebnis des Abends?

Wie lässt sich messen, ob eine Arbeit gerecht bezahlt wird? In Deutschland legt oft eine Mischung aus Tradition, dem Wohnort und den Regeln aus Angebot und Nachfrage in der Marktwirtschaft die Höhe des Einkommens fest. Die Ursachen für die Lohnverteilung in den einzelnen Berufsgruppen sind zu komplex, um in einer so breit angelegten Sendung in die Tiefe zu gehen. Doch nicht nur Voss hat den Eindruck, dass zwischen Leistung und Lohn kaum noch ein Zusammenhang besteht.

Nach der Überzeugung des früheren Investmentbankers kann nur die Gesellschaft – nicht der Einzelne - festlegen, was gerecht ist. Doch seine gutgemeinte Argumentation schwächelt. Die Höhe des gerechten Lohns definiere sich darüber "wie viel wir bereit sind, zu bezahlen". Als Jauch nachhakt, wer "wir" sei, antwortet Voss nur ausweichend.

Zumindest im Fall der Erzieher glaubt Suding, dass der eklatante Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften in Kitas für einen Lohnanstieg sorgen wird. "Der Markt wird regeln, dass Erzieher künftig mehr verdienen", sagt sie, ganz FDP-Politikerin. Warum das bisher noch nicht eingetreten ist, erklärt sie nicht.

Doch wer bezahlt die Lohnerhöhung? DGB-Vorsitzender Hoffmann und Linken-Politiker Gysi sind sich in ihren Forderungen weitgehend einig: Kapitalerträge würden zu wenig und Arbeit zu hoch besteuert. Beide wollen die derzeitige gesellschaftliche Akzeptanz nutzen, um höhere Löhne für soziale Berufe wie Erzieher oder Altenpfleger durchzusetzen – notfalls auch unter Missachtung der "schwarzen Null".

Insgesamt bleibt die Debatte zahm, weil keiner den Buhmann spielen will. Einzig Wirtschaftsvertreter Hüther macht sich mit einer Ausführung unbeliebt. Nicht nur das Gehalt entscheide über die Wahl des Berufs, sondern auch die "Sinnstiftung". Voss findet das zynisch: "Das Ende Ihrer Logik ist ja, dass ich jemanden, dem sein Beruf Spaß macht, eigentlich gar nichts zahlen darf."

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