• Am 16. März soll es losgehen mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.
  • Doch es gibt Zweifel an der Umsetzbarkeit der Regelung.
  • Politiker wollen sich querstellen, Krankenhäuser fürchten Personalprobleme.

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Aus der Logik der Pandemiebekämpfung ist die Strategie leicht zu verstehen: Weil in Krankenhäusern und Pflegeheimen untergebrachte kranke, alte und weniger widerstandsfähige Menschen anfällig für das Coronavirus sind, sollen sich besonders Kontaktpersonen dieser Menschen gegen COVID-19 impfen lassen. Noch bevor möglicherweise eine allgemeine Impfpflicht in Kraft tritt, soll eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Krankenhaus- und Pflegepersonal greifen.

Doch viele der Angesprochenen wollen dieser Logik nicht folgen: Wie in der übrigen Bevölkerung verhält sich auch ein Teil des Pflege- und Krankenhauspersonals skeptisch bis ablehnend gegenüber der Impfung. Ob Ungeimpfte in letzter Konsequenz wirklich mit einer Kündigung rechnen müssen, ist allerdings noch unklar. Denn das am 10. Dezember 2021 vom Bundestag beschlossene "Gesetz zur Stärkung der Impfprävention" überträgt einen Großteil der daraus entstehenden Aufgaben den Gesundheitsämtern. Und diese sehen sich an vielen Orten nicht in der Lage, das Gesetz durchzusetzen.

Deutscher Städtetag: Gesetz wird "ins Leere laufen"

Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte sei "nicht ohne Probleme durchsetzbar", schrieb etwa der Landrat Michael Harig aus Bautzen an den sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer und plädierte für eine "Verschiebung oder Aufhebung". Genau das machte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am Montag: Der CSU-Chef erklärte, er wolle die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorerst aussetzen, sie sei in ihrer jetzigen Form nicht umsetzbar.

"Der Bund hat eine Regelung geschaffen, die, wenn man sie laufen ließe, ins Chaos führen würde", erklärte Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann am Dienstag. Der Kritik aus Bayern an dem Gesetz schlossen sich nach und nach weitere CDU-Ministerpräsidenten und auch CDU-Chef Friedrich Merz an.

Auch Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags (DST), dem Spitzenverband und Interessensvertreter der deutschen Städte, fürchtet ein "Debakel". Zu viele Fragen seien ungelöst, schreibt er in einer Stellungnahme, die unserer Redaktion schriftlich vorliegt. Lewe betont, bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht laufe "gerade etwas mächtig schief", ohne eine Vereinfachung des geplanten Verfahrens werde das Gesetz "ins Leere laufen".

Viel Aufwand für die Kommunen

Das Problem für die Kommunen liegt vor allem im bisher kaum geregelten, aber sehr aufwändigen Verfahren: Die Gesundheitsämter sollen zunächst feststellen, wer nicht geimpft ist. Im nächsten Schritt können ungeimpfte Personen Gründe hierfür angeben, anschließend prüft das Gesundheitsamt, ob diese Gründe stichhaltig genug sind, um die betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Impfung weiterarbeiten zu lassen – oder ob der Arbeitgeber sie möglicherweise entlassen muss.

Da die Gesetzesgrundlage keine Kriterien für diese Entscheidung angibt, sind die Gesundheitsämter in Zusammenarbeit mit den Landratsämtern und Kommunen auf Fingerspitzengefühl und eigene Interpretation angewiesen. "Diese Abwägung ist das spannendste an der derzeitigen Entwicklung", sagt der ehemalige Oberlandesgerichtspräsident Gilbert Häfner im Gespräch mit unserer Redaktion. Und: sie kann dauern.

Entlassene hätten Anrecht auf Arbeitslosengeld

Führt die Entscheidung zu Beschäftigungs- oder Betretungsverboten, fügt Häfner hinzu, "dann können Arbeitgeber wie Arbeitnehmer Einspruch erheben". Entscheiden würden am Ende Arbeits- und Verwaltungsgerichte. Auch Klagen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht vor dem Bundesverfassungsgericht seien bereits anhängig, so Häfner.

„Klagen werden kommen", ist sich auch die Berliner Arbeitsrechtlerin Kaja Keller sicher. Sie selbst würde zwar nicht dazu raten, denn "Arbeitnehmer werden vor Gericht allenfalls Erfolg haben, wenn sie nachweisen können, dass der Arbeitgeber der Entlassung eine Abmahnung hätte voranschicken müssen oder dass eine Weiterbeschäftigung an anderer Stelle möglich gewesen wäre." Um gegen die Impfpflicht an sich vorzugehen, so Keller, "sind die Erfolgsaussichten eher gering, obwohl es einen starken Eingriff in die Grundrechte darstellt."

Wer wegen fehlender Corona-Impfung entlassen werde, würde nach Kellers Einschätzung - zumindest gegenwärtig - im Regelfall einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ohne Sperrzeit haben. Ob eine Sperrzeit jedoch künftig zu erwarten ist und für welche Konstellationen, werde derzeit noch diskutiert.

Ist die Impfpflicht wegen Omikron nicht mehr angemessen?

Auch wenn man Klagen vor den Gerichten nicht mitrechnet: Schon die einfache Prüfung beim Gesundheitsamt wird die Wirkung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht bremsen. "Ich denke, es wird vier bis acht Wochen dauern, um ein solches Verfahren abzuschließen", sagt Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Das Gesundheitsministerium habe bereits ein Stück weit zurückgerudert und mitgeteilt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten weiterarbeiten, so lange keine abschließende Beurteilung getroffen sei. Eine individuelle Abklärung sei aber unabdingbar, betont Gaß - immerhin könne die Entlassung der betroffenen Beschäftigten "quasi auf ein Berufsverbot hinauslaufen".

Und noch eines gibt DKG-Chef Gaß zu bedenken: Falls die nachlassende Erkrankungsgefahr mit Verbreitung der Omikron-Variante anhalte, "könnte sich eine Situation ergeben, in der eine einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mehr das angemessene Mittel wäre". Eine solche Lagebeurteilung könnten aber nicht die Gesundheitsämter leisten - "das ist Aufgabe von Institutionen wie dem Robert-Koch-Institut."

Quellen

  • Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 83)
  • Landratsamt Bautzen: Brief des Landrats Michael Harig an Ministerpräsidenten Michael Kretschmer
  • Das Statement von Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster, zur Umsetzung der Impfpflicht wurde zuerst veröffentlicht in der"Rheinischen Post". Es liegt unserer Redaktion schriftlich vor.
  • Mit Material der dpa und AFP
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