Am Karfreitag wurde ein mutmaßlicher russischer Doppelagent in Untersuchungshaft genommen. Auch innenpolitische Verwerfungen sind nicht ausgeschlossen. Denn Egisto Ott pflegte enge Kontakte zur rechtspopulistischen FPÖ.

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Michael Nikbakhsh lacht und sagt: "Das ist auch eine sehr klamaukhafte, sehr österreichische Geschichte." Der renommierte Investigativ-Journalist spürt mit seinem Podcast "Die Dunkelkammer" den zahlreichen Ungereimtheiten in der Alpenrepublik nach. Nun hat er sich durch die dicken Aktenordner zum Fall Egisto Ott gewühlt – jenem hochrangigen Geheimdienstmann, der im Verdacht steht, sensible Informationen aus dem Inneren der Republik an den russischen Geheimdienst FSB weitergeleitet zu haben. Einer seiner wichtigsten Kontaktmänner soll der in Moskau untergetauchte Ex-Wirecard-Manager und FSB-Spion Jan Marsalek gewesen sein.

Am Karfreitag wurde Ott verhaftet, Medienberichten zufolge soll er bereits ein Teilgeständnis abgelegt haben. Noch liegt vieles im Dunkeln. Nur eines scheint gewiss. Sollten die Vorwürfe zutreffen, dann war Ott kaum ein Gesinnungstäter, der die Weltpolitik beeinflussen wollte. "Nach allem, was wir wissen, ging es wohl hauptsächlich um Geld", sagt Nikbakhsh. Schlimm genug. Denn Ott war mehr als nur ein kleiner Mitarbeiter des BVT, wie der österreichische Inlandsgeheimdienst hieß – bis zu seiner Zerschlagung, an der Ott wohl nicht ganz unbeteiligt war. Aber der Reihe nach.

Gegen Egisto Ott wird schon länger ermittelt

Die Vorfälle, um die es geht, liegen teils viele Jahre zurück. Seit 2017 wird gegen den gebürtigen Südtiroler, der einst als Attaché des österreichischen Innenministeriums in Rom und Ankara diente, ermittelt. Trotzdem soll er noch 2022 in einer konspirativen Wohnung in Wien Floridsdorf drei Handys und einen Laptop von Spitzenbeamten des Innenministeriums an von Marsalek beauftragte bulgarische Gewährsmänner übergeben haben. Diese hätten – so berichtet es der bürgerliche "Kurier" – die Geräte über die Türkei nach Russland geschmuggelt. 20.000 Euro habe Ott dafür kassiert, bar auf die Hand in Kuverts.

Bisher hat der einstige Verfassungsschützer alle Vorwürfe gegen ihn bestritten. 2021 Jahren gab er dem Onlinemedium "Zackzack" ein ausführliches Interview, in dem er die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft als Ergebnis einer internen Intrige darstellte. Dass er für die Russen spioniert habe? "Ein völliger Blödsinn. Wer so etwas behauptet, hat zu viel Fernsehen geschaut", erklärte er und beklagte sich über Polizeigewalt bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung.

Zuvor hatte ein westlicher Geheimdienst – mutmaßlich die amerikanische NSA – die österreichischen Kolleginnen und Kollegen gewarnt. Ott habe sensible Informationen von seinem dienstlichen E-Mail-Account an ein privates Gmail-Konto weitergeleitet, was Ott in dem Interview nicht bestreitet. Es habe sich aber um harmlose Unterlagen gehandelt, die er für Schulungszwecke benötigt hätte. Er bestätigte auch, dass er sich geweigert habe, die Zugangsdaten für seinen persönlichen Account herauszurücken. Privat sei privat.

Machtmissbrauch im Nachrichtendienst?

Tatsache ist, dass Ott mit dem früheren, als eher ÖVP-nah geltenden BVT-Chef Peter Gridling auf Kriegsfuß stand. Ott – der wiederum gute Kontakte zur rechtspopulistischen FPÖ pflegte – gilt als einer der Autoren eines umfangreichen Konvoluts über angeblichen Machtmissbrauch im Nachrichtendienst. Das Dossier machte einst unter Journalistinnen und Journalisten die Runde – am Ende stuften es alle Zeitungen als unseriös ein. Das war 2017. Im Jahr darauf bildete der konservative Bundeskanzler Sebastian Kurz eine Koalition mit der FPÖ, die damals einen aufrechten Freundschaftsvertrag mit Wladimir Putins Partei "Geeintes Russland" hatte. Der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl wurde Innenminister und nahm das Konvolut zum Anlass für eine Razzia beim BVT.

Behördenchef Gridling wurde suspendiert, in der Folge reduzierten westliche Nachrichtendienste ihre Zusammenarbeit mit dem österreichischen Verfassungsschutz. Man traute dem Kickl unterstellten Dienst nicht mehr über den Weg und fürchtete, dass Informationen nach Moskau durchgestoßen werden könnten. Nach dem Platzen der Mitte-Rechts-Koalition im Jahr 2019 fiel das Innenministerium wieder an die ÖVP, das ramponierte BVT wurde aufgelöst und durch eine neue Einrichtung unter dem Namen DSN ersetzt.

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Auch wegen dieser Vorfälle wird die regierende ÖVP nicht müde, Herbert Kickl als "Sicherheitsrisiko" zu bezeichnen. Im Herbst stehen Nationalratswahlen an, seine mittlerweile weit nach rechts gerückte FPÖ liegt in Umfragen mit deutlichem Abstand zu allen anderen Parteien auf Platz eins. Kickl setzt sich für ein Ende der Sanktionen gegen Russland ein und weigert sich, beim Ukraine-Krieg Stellung zu beziehen. Seine frühere Regierungskollegin, FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, lebt mittlerweile im russischen St. Petersburg, wo sie auf Vermittlung Putins einen Thinktank leitet.

Egisto Ott soll Informationen an den FSB geliefert haben

Woher aber stammen die Handys und der Laptop, die angeblich vor zwei Jahren über Ott an Marsalek vermittelt wurden? Dabei spielt die Frau des heutigen Bundeskanzlers Karl Nehammer eine unfreiwillige Schlüsselrolle.

Vor einigen Jahren war sie Mitarbeiterin im Innenministerium und unternahm mit einigen hochrangigen Kollegen einen Bootsausflug auf der Donau. Dabei soll sie den Kahn so geschaukelt haben, dass dieser kenterte und alle ins Wasser stürzten. Niemand kam zu Schaden, aber die Handys der Spitzenbeamten waren durch das Wasser unbrauchbar geworden. Um wenigstens die Daten zu retten, brachte man sie zu einem IT-Experten des Ressorts. Über verschlungene Wege sollten sie dann den Weg zu Ott gefunden haben – der nun im Verdacht steht, sie dem FSB ausgehändigt zu haben.

Die größte Boulevardzeitung des Landes, die "Krone", will in Erfahrung gebracht haben, dass die Staatsanwaltschaft im Besitz zahlreicher Chats zwischen Ott und Marsalek ist, aus denen hervorgeht, dass dieser den FSB "systematisch" mit heiklen nachrichtendienstlichen Information versorgt habe. Der mutmaßliche Spion habe ein umfassendes Geständnis abgelegt und strebe wohl einen Deal mit der Staatsanwaltschaft an.

Noch bleibt vieles Spekulation. Aber so viel lässt sich bereits jetzt sagen: Der Fall Ott dürfte künftig wohl nicht nur die Justiz beschäftigen. Sondern auch die österreichische Innenpolitik.

Verwendete Quellen

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