Ein Ukrainer flieht vor dem Krieg nach Deutschland und wird später in Polen festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, einen Anschlag in Polen geplant zu haben – und zwar im Auftrag Russlands.
Ein in Hessen lebender ukrainischer Flüchtling soll von Russland für Sabotage-Akte angeworben worden sein. Das berichtet das ZDF-Magazin "Frontal". Der Verdächtige Serhij S. sitzt demnach derzeit in Untersuchungshaft in Polen. Er sei Ende Januar 2024 von der polnischen Polizei in Breslau festgenommen worden.
Polen wirft S. vor, er habe sich von einem russischen Nachrichtendienst anwerben lassen und einen Brandanschlag auf eine Farbfabrik in Breslau geplant. Katarzyna Calów-Jaszewska, Sprecherin der Nationalen Staatsanwaltschaft Polens, bestätigte die Brandstiftungsvorwürfe gegenüber dem Magazin. Außerdem sei im Lauf der Ermittlung festgestellt worden, dass diese "von ausländischen Geheimdiensten angeregt" worden seien.
4.000 Euro für einen Anschlag
Rekrutiert worden sei S. über einen Telegram-Kanal unter dem Namen "Lucky Strike" (zu Deutsch: Glückstreffer). Laut dem Frontal-Bericht wird diese von der Gruppe "Stab der Partisanenbewegung Smersch" geleitet. Der Name leitet sich von einem sowjetischen Geheimdienst während des Zweiten Weltkriegs ab. "Wir suchen Leute, die Proteste in Europa und den USA organisieren", schreibt die Gruppe Frontal zufolge in einem Beschreibungstext. Außerdem suche man "auch Partisanen, die bereit sind, Brandanschläge zu verüben."
Die Gruppe soll Serhij S., der 2023 zusammen mit seiner Mutter, seiner Frau Aljona F. und deren Tochter über Moldau ins hessische Neustadt kam, 4.000 für den Anschlag in Aussicht gestellt haben. Aljona F. zufolge habe sich Serhij S. nur zum Schein auf das Angebot einlassen wollen. Zwar sei er nach Breslau gereist, habe "den Ort besucht, an den er gehen sollte" und habe Fotos gemacht. Mehr soll nicht passiert sein. Ihr Mann habe versucht, seine Auftraggeber zu täuschen. "Er hat mich gebeten, Fotos zu machen, um vorzugeben, dass er die Tat begangen hat. Dann hat er sie an diese Leute weitergeleitet und ist von dort weggegangen", so Aljona F. Laut Frontal finden sich in den polnischen Ermittlungsunterlagen Fotos, von verbranntem Holz, die F. an S. geschickt haben will.
Die polnischen Ermittler zweifeln allerdings an dieser Geschichte. Sie hätten bei S. "brennbare Materialien in Form von flüssigen und festen Feueranzündern" gefunden.
Sicherheitsdienste warnen vor Spionage und Sabotage im Auftrag Russlands
Der Anschlag, für den S. rekrutiert worden sein soll, könnte in Verbindung mit einer Reihe von Brandanschlägen in Europa stehen. Im Mai 2024 war etwa ein Großbrand im Warschauer Einkaufszentrums Marywilska ausgebrochen. Die polnischen Behörden gehen davon aus, dass Russland mit dem Brand "etwas zu tun" hat. Auch bei zwei Paketbränden am selben Julitag – einer in Birmingham und einer in Leipzig – sehen Ermittler mögliche Verbindungen nach Russland.
Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine warnen Sicherheitsdienste in Europa vor vermehrten Aktionen russische Nachrichtendienste. "Wir beobachten ein aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste, sagte Thomas Haldenwang, damals noch Präsident des Bundesverfassungsschutzes, im Oktober. Spionage und Sabotage durch russische Akteure habe "sowohl quantitativ als auch qualitativ" zugenommen. (thp)
Verwendete Quellen
- ZDF.de: Moskaus Schattenkrieg in Europa: Ukraine-Flüchtling als Saboteur für Russland?
- Deutsche Presse-Agentur (dpa)
- Deutsche Welle: Polen baut "Schutzschild Ost" und jagt russische Agenten
- MDR.de: Mutmaßlicher Sabotageakt: Jetzt ermittelt auch britische Polizei nach Feuer im Luftfrachtzentrum in Leipzig/Halle
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