Frankreich hat der Ukraine zugesagt, Kampfflugzeuge vom Typ Mirage 2000-5 zu liefern. Außerdem sollen 4.500 ukrainische Soldaten durch Frankreich ausgebildet werden. Was die Lieferung der Mirage-Kampfjets für die Ukraine bedeutet, warum Kiew sich in dieser Frage nicht an Deutschland gewandt hat und wo Berlin doch noch ins Spiel kommen könnte, erklärt Militärexperte Gustav Gressel.

Eine Analyse
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Die Forderung ist nicht neu: Schon kurz nachdem Anfang vergangenen Jahres aus Berlin und Washington nach langem Ringen die Zusage für Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2" und "Abrams" kam, bat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Verbündeten um Kampfflugzeuge.

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Seitdem sind die Ukrainer nicht müde geworden, immer wieder nachzuhaken. In Frankreich wurden die Rufe jetzt erhört: Emmanuel Macron sagte in der vergangenen Woche zu, Kampfjets vom Typ Mirage 2000-5 zu liefern sowie 4.500 ukrainische Soldaten auszubilden. Wann die Ukraine die Maschinen bekommen soll und wie viele es genau werden, ließ Macron offen.

Mehrere Länder wollen der Ukraine Kampfflugzeuge liefern

Frankreich folgt damit einer Koalition aus den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Norwegen, die zuletzt angekündigt hatte, Kampfjets vom Typ F-16 zu liefern. "Sie ermöglichen es der Ukraine, ihr Gelände und ihren Luftraum zu schützen", sagte der französische Präsident französischen Medien.

Seine Zusage weckt in der Ukraine neue Hoffnung, denn zuletzt waren die Kampfjet-Lieferungen nur schleppend vorangekommen. "Ursprünglich hat die Ukraine auf F-16 gesetzt, da dies das meistverbreitete, universellste Jagdflugzeug im Westen ist", erklärt Militärexperte Gustav Gressel. Viele Munitionssorten in der Nato seien für die F-16 zertifiziert, das mache es einfacher, für diesen Flugzeugtyp Munition zu bekommen als für andere.

Das Kalkül der Ukraine

Ähnlich wie beim Leopard-Panzer gäbe es viele Staaten, die F-16-Jets in ihren Beständen haben. Das Kalkül der Ukraine habe daher gelautet: "Wenn man von jedem Betreiberstaat auch nur eine kleine Anzahl bekommt, kann man am Ende doch mehr zusammenkratzen als mit verschiedenen Systemen."

Der Plan sei jedoch nicht aufgegangen. Bislang habe die Ukraine nur ältere europäische F-16 Maschinen erhalten. Die USA hätten als Hersteller den Lieferungen zwar zugestimmt, seien bei dem F-16-Lieferversprechen aber "über die Ziellinie gedrückt" worden, sagt Gressel. Elan sei nicht zu spüren. Probleme bereitet auch die Ausbildung ukrainischer Piloten: Es mangelt an Ausbildungskapazitäten in den USA, Dänemark und Rumänien. Es ist nicht ausgemacht, dass die Ukraine selbst bei Lieferung weiterer Kampfjets über genügend ausgebildete F-16-Piloten verfügt.

"Deshalb haben die Ukrainer seit Jahresbeginn nach Alternativen gesucht. Die Gesamtzahl an F-16 wird zu gering sein, um den Flugbetrieb und die Gefechtsaufgaben weiter wahrnehmen zu können, so wie das in den vergangenen beiden Jahren durch die ukrainische Luftwaffe der Fall war", sagt der Experte. Kiew habe vor allem schwedische Jets vom Typ Gripen und französische vom Typ Mirage-3000 ins Auge gefasst.

"Die Ukrainer brauchen insgesamt etwa 70 bis 80 Kampfflugzeuge, um ihre Luftverteidigungsaufgaben wahrzunehmen. Das Land ist zu groß, um es nur mit bodengestützter Fliegerabwehr zu schützen", erklärt Gressel. Es fehlen Jets, um die Räume zwischen den großen Städten ausreichend abzudecken. "Kiew hat Flugzeuge verloren, über 80 in diesem Krieg allein. Außerdem sind einige schon extrem verbraucht, weil sie seit zwei Jahren im Kriegseinsatz sind."

Es fehlt auch an Munition

Zugleich sei es ein Problem, Munition für die Maschinen aufzutreiben, vor allem Luft-Luft-Raketen mit größerer Reichweite. "Es gibt nur kleine, begrenzte Herstellungsmöglichkeiten in der Ukraine, die den täglichen Bedarf an der Front bei Weitem nicht decken", sagt der Experte. Das wiederum reduziere die Einsatzmöglichkeiten der vorhandenen Kampfflugzeuge.

Aus Sicht von Gressel sind die Lieferungen für die Ukraine deshalb essenziell. "Sonst kann die ukrainische Luftwaffe nicht weitermachen." Der Effekt auf dem Schlachtfeld dürfte zunächst jedoch gering sein, frühestens im Sommer wären erste Jets zur Abwehr der russischen Invasion dann einsatzbereit.

Der Ukraine droht ein zweites Aleppo

Der Luftkrieg laufe unter dem öffentlichen Radar, unter anderem, weil es wenig Filmmaterial gäbe und Luftwaffenbasen zu den primären Zielen russischer Raketenangriffe zählten, sagt Gressel. "Das heißt: Die ukrainische Luftwaffe muss komplett verschweigen, wo und in welcher Quantität sie ihre Flugzeuge stationiert hat."

Man dürfe die Bedeutung des Luftkriegs trotzdem nicht unterschätzen: "Wenn es kein Risiko für russische Flugzeuge darstellt, in den ukrainischen Luftraum einzufliegen, weil die ukrainische Luftwaffe keine Gefahr darstellt, dann macht Russland aus ukrainischen Städten das, was es aus Mariupol gemacht hat oder was es in Syrien aus Aleppo gemacht hat", warnt er.

Wer schon geliefert hat

Die jetzt zugesagten französischen Kampfjets sind nicht die ersten Lieferungen. "Die Slowakei hat schon 13 MiG-29 an die Ukraine geliefert, Polen 14 MiG-29, Mazedonien vier Suchoi Su-25", zählt Gressel auf. Weitere Flugzeuge seien als Ersatzteillager geliefert worden.

"Die Ukraine hat beispielsweise mit Bulgarien ein Wartungsabkommen, das auch Flugzeuge inkludiert", sagt Gressel. Dieses Abkommen sehe die Wartung von ukrainischem Gerät sowjetischer Herkunft in Bulgarien vor. Deutschland spielt bei Kampfflugzeugen keine Rolle. Bereits im vergangenen Jahr hatte Scholz den Bitten aus Kiew eine Absage erteilt und vor einem "ständigen Überbietungswettbewerb" gewarnt.

Warum Scholz gar nicht erst gefragt wird

"Es war schon schwer genug, Scholz über die Kampfpanzer- und Schützenpanzer-Ziellinie zu drängen", erinnert Gressel. Weil die Ukraine Jets auch von anderen Partnern bekommen könne, investiere sie kein politisches Kapital in die Auseinandersetzung mit Deutschland. "Bei den Kampf- und Schützenpanzern war es anders: Hier wäre es ohne Deutschland kaum gegangen, weil es im Fahrzeugbau so eine wichtige Rolle spielt."

Hinzu komme, dass es sich bei den deutschen Kampfflugzeugen um Tornados handelt. "Die sind schon super alt und sehr wartungsintensiv", sagt Gressel. Und Jagdjets seien es auch nicht.

"Hauptanforderung an Kampfflugzeuge in der Ukraine sind Abfangeinsätze gegen russische Jagdbomber, die Gleitbomben abwerfen, gegen russische Luftnahunterstützung, gegen russische Marschflugkörper und gegen russische Drohnen", sagt Gressel. All das könnte der Tornado nicht erfüllen.

Welche Rolle Deutschland noch spielen könnte

Länder wie Italien und Großbritannien hätten ihre Tornados daher schon lange stillgelegt. "Man würde also jenseits der deutschen Tornados, die noch fliegen, nichts anderes bekommen", sagt der Experte.

Eine Option, bei der Deutschland doch noch ins Spiel kommen könnte, sieht Gressel dennoch: "Im Zuge weiterer Kampfflugzeuglieferungen könnte Großbritannien darüber nachdenken, seine älteren Eurofighter abzugeben. Dann wäre Deutschland gefragt, einem solchen britischen Transfer zuzustimmen, denn Deutschland ist Mithersteller."

In diesem Fall könne sich für Deutschland auch die Möglichkeit eröffnen, bei Logistik und Pilotenausbildung zu helfen. "Das ist aber noch nicht spruchreif."

Über den Gesprächspartner

  • Gustav Gressel ist Experte für Sicherheitspolitik, Militärstrategien und internationale Beziehungen. Er absolvierte eine Offiziersausbildung und studierte Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Schwerpunktmäßig befasst sich Gressel mit Osteuropa, Russland und der Außenpolitik bei Großmächten.

Verwendete Quellen

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