Nach einem dreitägigen Besuch in Moskau ist der chinesische Staatschef Xi Jinping wieder nach Peking gereist. Zurückbleiben Bilder mit seinem "lieben Freund", wie er den russischen Präsidenten Putin nannte. Seite an Seite, warme Blicke, freundschaftliche Gesten – ausgetauscht mit einem Staatschef, gegen den wegen Kriegsverbrechen ein internationaler Haftbefehl vorliegt.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Chinas Rolle im Ukrainekrieg: seit Beginn zwischen den Stühlen. Moskau und Peking haben den Westen als gemeinsamen ideologischen Gegner, betreiben zunehmend mehr Handel, erheben Anspruch auf Weltmachtstellung.

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Gründe, warum Xi den russischen Angriffskrieg bis heute nicht verurteilt hat, sondern sich auf einen "neutralen" Standpunkt zurückzieht. Peking appelliert für die "Achtung der Souveränität" – die eigene Taiwan-Frage kann da nicht ausgeklammert werden.

"Grenzenlose" Partnerschaft zwischen China und Russland

Ihre "grenzenlose" Partnerschaft haben Xi und Putin auch diesmal wieder beschworen und mit neuen Abkommen besiegelt. Es gab fast fünfstündige informelle Gespräche hinter verschlossenen Türen mit Putin, außerdem einen festlichen Staatsakt im Kreml und Gespräche mit Ministerpräsident Michail Mischustin. Xi lobte die "konstruktiven Gespräche" mit Putin und sprach von einem Ausbau des Handels. Der Wert bilateraler Investitionsprojekte soll bei circa 154 Milliarden Euro liegen.

China nimmt Russland billig mehr Öl und Gas ab, Russland wiederum kauft zum Beispiel mehr Smartphones und Halbleiter aus China. Waffen liefert China offiziell nicht, zuletzt warnten die USA aber davor. Berichten zufolge bekommt Russland zudem chinesische Ausrüstung und Komponenten, die auch militärisch genutzt werden können.

Der Staatsbesuch von Xi war wichtig für Putin

Für Putin war der Besuch ein Erfolg. Er holte den chinesischen Präsidenten auf dessen erster Auslandsreise in seiner neuen Amtszeit nach Russland. Als "symbolisch" bezeichnete Putin das selbst. Die Botschaften, auch innenpolitisch: Wir haben Rückendeckung, die Isolation des Westens lässt uns kalt, Russland hat Gewicht.

Gefallen haben dürfte es Putin also, dass Xi ihn noch für dieses Jahr einlud, in die Volksrepublik zu kommen. "Es ging um die Anerkennung der gemeinsamen Partnerschaft auf der autokratischen Achse", sagt Asien-Expertin Josie-Marie Perkuhn. China stehe Russland als Partner bei und trage der Freundschaft, die immer wieder gelobt werde, Rechnung.

Einfallstor für China

"In der Welt gibt es eine gewisse Kriegsmüdigkeit, doch der Westen schafft es auch nicht allein, den Krieg zu beenden, das ist ein Einfallstor für China", erklärt Perkuhn. China sei es ein wichtiges Anliegen, dass der Krieg beendet werde und suche dabei nach einem Weg abseits der USA. Dafür hatte China ein Jahr nach Kriegsbeginn einen Friedensplan vorgelegt. "Durch den 12-Punkte-Plan ist aber nicht viel Bewegung reingekommen. Jetzt nimmt Staatspräsident Xi die Sache selbst in die Hand und versucht einen Lösungsweg zu finden – bei dem Russland sein Gesicht wahrt", sagt die Expertin. Der Besuch habe daher auch im Zeichen gestanden, auf das ukrainische Kriegsgeschehen einzuwirken.

Expertin: "Das ist die Quadratur des Kreises"

"Dass Putin ohne Gesichtsverlust aus dem Krieg gehen kann, ist aber die Quadratur des Kreises", sagt Perkuhn. China versuche mit seinem Auftritt in Moskau möglicherweise auch Unterstützer zu finden, die ebenfalls einen Weg außerhalb der USA befürworten. "Hinter dem Treffen steht eine Ansage gegen die US-Führung und ihre Wertegemeinschaft. Xis Besuch in China soll zeigen: Wir bieten hier eine Alternative, der Westen ist nicht in der Regelungskompetenz", analysiert die Expertin.

Xi sagte bei dem Treffen, die Partnerschaft zwischen China und Russland trage zu internationaler Fairness und Gerechtigkeit bei. Dabei bekräftigte er seine Sicht, aus der die USA einen zu großen Einfluss auf die Weltpolitik habe.

Russland immer mehr der Juniorpartner

Xi habe Putin bei dem Treffen als einflussreicher Partner eine Bühne bereitet, meint Perkuhn. Die Tatsache, dass Putin seine Kriegsziele nicht in einem Blitzkrieg habe umsetzen können, habe dazu beigetragen, dass Russland immer mehr in die Rolle des Juniorpartners rutscht. "Es gibt schwindende Optionen für Russland, da tritt China als Unterstützer und als Profiteuer auf", so Perkuhn.

Peking nutzt den Krieg auch, um im Systemkonflikt mit den USA zu punkten. Und dafür ist Russland als strategischer Partner wichtig. Aber China hat auch wirtschaftliche Interessen im Westen. An einem langanhaltenden Krieg hat das Land kein Interesse, fürchtet außerdem bei zu offensichtlicher Unterstützung selbst mit Sanktionen bestraft zu werden.

Putin: "Wir sind sogar ein bisschen neidisch"

Putin betonte gegenüber Xi, beide Länder hätten "viele gemeinsame Aufgaben und Ziele". China habe in seiner Entwicklung in den vergangenen Jahren einen "gewaltigen Sprung nach vorne" gemacht. Er schob hinterher: "Wir sind sogar ein bisschen neidisch."

Xi lächelte und schmierte Putin seinerseits Honig um den Mund. Er sagte: "Ich weiß, dass im nächsten Jahr in Ihrem Land die Präsidentenwahl ist. Dank Ihrer starken Führung hat Russland in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte gemacht beim Erzielen von Erfolgen und beim Gedeihen des Landes." Er sei überzeugt, dass das russische Volk Putin bei seinen "guten Vorhaben" unterstütze.

Bislang hat Putin seine Kandidatur noch nicht erklärt. Entsprechend sorgte die Aussage für Aufsehen in russischen Staatsmedien. Expertin Perkuhn vermutet ein weiteres Motiv, warum China sich mit Russland gut stellen will: "China wird langfristig das Wasser ausgehen, mit der langen Grenze zu Russland besteht hier neben Gas und Öl auch ein Interesse an guter Zusammenarbeit".

Über die Expertin: Dr. Josie-Marie Perkuhn ist Politikwissenschaftlerin im Fach Sinologie an der Universität Trier. Sie leitet das Verbundforschungsprojekt "Taiwan als Pionier" (TAP). Zu ihren Forschungsinteressen zählen die Innen- und Außenpolitik Chinas und Taiwans, Chinas außenpolitische Rolle im 21. Jahrhundert sowie Chinas internationales Integrations- und Kooperationsverhalten.
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