Der Posten des Finanzministers ist zur wichtigsten Position neben dem Bundeskanzler geworden. Das war nicht immer so. Warum das Amt in den vergangenen zehn Jahren einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren hat - und warum die SPD vielleicht die große Chance vergibt, in der großen Koalition eine gewichtige Rolle zu spielen.
Was heute der Finanzminister ist, war noch bis vor Kurzem der Außenminister. Noch bei den Verhandlungen zur schwarz-gelben Koalition vor vier Jahren war der Fall klar: Der kleinere Koalitionspartner übernimmt selbstverständlich das Auswärtige Amt. Die Wirkungsstätte von Hans-Dietrich Genscher und Walter Scheel (beide FDP). Hier hatten sich auch Helmut Schmidt und
Die internationalen Krisen der letzten Jahre waren Finanzkrisen
Der Außenminister galt immer als der wichtigste Posten, den eine deutsche Bundesregierung neben der Kanzlerschaft zu vergeben hat, und als ein Amt, in dem Geschichte geschrieben wird. Umso merkwürdiger erscheint es, dass das Außenministerium in den derzeitigen Koalitionsverhandlungen kaum eine Rolle zu spielen scheint, sondern mit dem Finanzministerium ein anderer Posten in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt ist, der lange Zeit als äußerst unattraktiv galt.
Die neue Bedeutung des Finanzministeriums ist Ausdruck einer veränderten Weltordnung, in der internationale Konflikte sehr viel mehr mit Geld als mit diplomatischen oder gar militärischen Krisen zu tun haben. Die Krisen der vergangenen zehn Jahre waren Finanzkrisen, die nicht nur Europa, sondern beinahe die ganze Welt immer wieder an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds brachten.
Kanzlerin und Finanzminister beruhigen die Deutschen
Wie wichtig in dieser neuen Welt der Finanzminister ist, war bereits in Folge der Pleite der US-Investmentbank Lehman-Brothers 2008 zu erleben. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte schien auch ein Zahlungsausfall deutscher Geldhäuser im Bereich des Möglichen. Es drohte ein Run auf die Banken, wie ihn das Land zuletzt in den schlimmsten Zeiten der Weimarer Republik erlebt hatte.
In dieser Situation traten Angela Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück mit einer historischen Garantie vor die Medien. "Die Spareinlagen" seien sicher, verkündeten sie - und stabilisierten so den Finanzstandort Deutschland. Angeschlagene Banken wie die Commerzbank wurden in Deutschland durch Teilverstaatlichung gerettet und so in der größten Finanzkrise der Nachkriegsgeschichte das Schlimmste weitgehend verhindert.
Während dieser Zeit immer an der Seite der Kanzlerin: ihr Bundesfinanzminister. Völlig in der Versenkung verschwunden war in dieser Krise das Außenministerium. Wo einst Atom-Kriege verhindert und Drohungen des Ostblocks pariert worden, waren die Außenpolitik-Experten in dieser neuen Form der internationalen Krise zur Tatenlosigkeit verdammt. Denn die Experten des Geldes sitzen woanders.
Der deutsche Finanzminister regiert indirekt ganz Europa
Mit der Euro-Krise nahm die Bedeutung des Finanzministeriums noch weiter zu. Ganze Staaten müssen in Europa vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Mit den EU-Rettungsschirmen jonglieren die Regierungen mit Summen, die so unvorstellbar hoch sind, dass ein Zahlungsausfall ganz Europa über Generationen hinweg belasten würde. Am deutschen Finanzministerium, das maßgeblich an der Architektur jedes einzelnen Rettungsschirms beteiligt ist, führt kein Weg vorbei. Der Finanzminister hierzulande regiert mit seinen Entscheidungen in diesen Tag indirekt ganz Europa. Und der Außenminister? Er darf zur selben Zeit schöne Reden vor der Uno halten.
Die überragende Bedeutung des Amtes des Finanzministers ist natürlich auch den beiden potenziellen Koalitionspartnern bewusst. Und führt zu einer ungewöhnlichen Einigkeit. Offenbar sind SPD und Union froh, mit Wolfgang Schäuble einen über Parteigrenzen hinweg respektierten Hüter des Geldes auf dieser Position zu haben. Einen Mann, der es nicht scheut, harte Entscheidungen zu treffen, die nicht nur Konsequenzen für Deutschland, sondern für ganz Europa haben.
Mit Verzicht würde SPD große Schwäche offenbaren
Mit einem möglichen Verzicht auf das Finanzministerium offenbaren die Sozialdemokraten jedoch auch eine große Schwäche. Denn mit dem Eingeständnis, dass sie Schäuble personell nichts entgegenzusetzen haben, beweisen sie auch fehlende Regierungsfähigkeit. Während ihre Minister sich in den "weicheren" Ministerien profilieren könnten, würden die Geschicke Deutschland künftig gleich doppelt von der CDU geführt: im Kanzleramt und im Finanzministerium.
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