Die Große Koalition ringt um eine Einigung für ein neues Diesel-Konzept. Es soll ein Paket geschnürt werden, auf das die verunsicherten Diesel-Besitzer schon lange warten. Die deutschen Autobauer wollen Umtauschprämien anbieten, sehen eine pauschale Hardware-Nachrüstung aber skeptisch. Gelingt der Durchbruch?
Neue Kaufanreize für sauberere Wagen, hartes Tauziehen um Nachrüstungen älterer Diesel: Unter hohem Einigungsdruck sind die Spitzen der großen Koalition am Montagabend im Kanzleramt zusammengekommen, um neue Lösungen gegen Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten zu vereinbaren.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) konkretisierte schon vor dem Treffen vorgesehene Tauschprämien deutscher Hersteller. BMW wolle 6000 Euro anbieten, VW zwischen 4000 und 8000 Euro, Daimler bis zu 5000 Euro, wenn Besitzer schmutzige Diesel durch sauberere Wagen ersetzen. Das Paket sollte auf Drängen der SPD auch Umbauten an Motoren beinhalten. Bis zuletzt wurde aber darum gerungen, wer dafür die Kosten trägt und die Haftung übernimmt.
Autobauer sollen volle Kosten übernehmen
Bei Hardware-Nachrüstungen gehe es darum, Bauteile zu genehmigen, die passgenau für die Fahrzeuge seien. Dazu werde Zeit benötigt. Es handle sich dabei um freiwillige Maßnahmen der Hersteller.
Scheuer sprach von noch offenen Fragen. Eine Hardware-Nachrüstung koste 3000 Euro, davon wolle beispielsweise VW 2400 Euro übernehmen. "Jetzt müssen wir in der Koalition diskutieren, wie wir mit dem Delta 600 Euro umgehen."
Die Bundesregierung machte Druck dafür, dass die Autobauer die vollen Kosten tragen. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, er lege großen Wert darauf, "dass die Fahrzeughalter finanziell nicht belastet werden". Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte schon zuvor deutlich gemacht, dass es kein zusätzliches Steuergeld geben solle.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte dem SWR, sie gehe davon aus, dass die Koalition zu einer Lösung komme. Allerdings werde es ohne Hardware-Nachrüstungen nicht gehen. Diese seien besonders wichtig, nur so könne die Luft in Städten wirklich sauberer werden.
Außerdem gehörten auch Umtauschprämien zum Lösungspaket, da sich eine Umrüstung alter Fahrzeuge nicht immer lohne. Alle Maßnahmen sollten auf Kosten der Industrie gehen. "Die hat uns das eingebrockt, die Automobilindustrie, und die muss das auch bezahlen."
Kritik an Hardware-Nachrüstung
Die Betriebsratschefs von VW, Daimler und BMW sprachen sich gegen pauschale Hardware-Nachrüstungen aus. "Wir sind gegen eine Lösung, die einseitig deutsche Hersteller benachteiligen und Arbeitsplätze gefährden würde", warnten Bernd Osterloh (VW), Michael Brecht (Daimler) und Manfred Schoch (BMW) in der "Bild"-Zeitung (Montag).
Sie favorisierten Umtauschprämien, um alte Diesel von der Straße zu holen. Hintergrund ist, dass ausländische Marken, die beim Diesel einen Marktanteil von gut einem Viertel (26,5 Prozent) haben, vorerst nicht zu technischen Nachrüstungen beitragen wollen.
Scheuer setzt vorrangig auf neue Anreize, damit mehr Besitzer Diesel der Klassen Euro 4 und Euro 5 in sauberere Euro-6-Autos tauschen - Benziner oder Diesel, neue oder gebrauchte. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete dies als "Hauptelement" des neuen Konzepts.
Nach dem Dieselgipfel 2017 hatten deutsche Hersteller schon Prämien von bis zu 10.000 Euro gestartet. Diese nahmen mehr als 200.000 Kunden in Anspruch, wie es im Juli hieß. Generell können Kunden beim Autokauf mit Rabatten von einigen Tausend Euro rechnen.
Die Suche nach dem richtigen Konzept
Offen war zunächst, in welchen Regionen besondere Prämien angeboten werden könnten. Neben den 14 Städten, in denen die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) 2017 mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft betrug, werden für andere betroffene Städte spezielle Lösungen angestrebt - unter anderem für die Pendlermetropole Frankfurt am Main, wo nach einem Gerichtsurteil 2019 Fahrverbote kommen sollen. In Hessen wird am 28. Oktober ein neuer Landtag gewählt.
Der Deutsche Städtetag verlangte ein umfassendes Konzept. "Es darf jetzt keine halbherzigen Lösungen mehr geben, die in Kürze wieder ergänzt werden müssen", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. Menschen an belasteten Straßen, die Städte und die Dieselfahrer bräuchten eine Perspektive, die trage.
Nach quälend langen Diskussionen und mehreren Gerichtsurteilen müsse ein Paket kommen, das die Stickoxid-Belastung reduziere und die Industrie in die Pflicht nehme. Dazu gehörten Hardware-Nachrüstungen für Euro-5-Diesel auf Kosten der Hersteller, attraktivere Umtauschprämien und ein Konzept nicht nur für wenige besonders belastete Städte.
Beim Treffen im Kanzleramt sollten je nach Fortschritt beim Hauptthema Diesel auch noch weitere Themen angesprochen werden - etwa die Zuwanderung von Fachkräften und bezahlbare Wohnungen. (sg/dpa)
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