Es waren Sommerferien mit Risiken und leider auch mit Nebenwirkungen: Viele Urlauber brachten Corona mit nach Hause. Das will der Bundesgesundheitsminister nicht noch einmal erleben.
Bundesgesundheitsminister
Die Bundesregierung hatte erst am Mittwoch weitere Regionen in elf EU-Ländern zu Risikogebieten erklärt und vor Reisen dorthin gewarnt. Und dann am Freitagabend ganz Tschechien, Luxemburg und das österreichische Bundesland Tirol wegen rasant steigender Infektionszahlen zu Corona-Risikogebieten erklärt. Damit sind nun 15 von 27 EU-Ländern zumindest teilweise Corona-Risikogebiete, Spanien, Tschechien und Luxemburg sogar ganz. Polen ist das einzige der neun Nachbarländer Deutschlands, das noch nicht betroffen ist. Aber auch dort steigen die Infektionszahlen.
Reisewarnung: kein Verbot, aber mit abschreckender Wirkung
In Europa gilt für alle Risikogebiete auch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Reisende, die aus Risikogebieten zurückkehren, müssen sich 48 Stunden vor oder nach der Einreise auf Corona testen lassen und dann in Quarantäne bleiben, bis das Ergebnis da ist. Die Reisewarnung ist kein Verbot, soll aber eine erhebliche abschreckende Wirkung haben. Allerdings hat sie auch eine positive Seite für Verbraucher: Sie ermöglicht es Reisenden, Buchungen kostenlos zu stornieren.
Kann man sich jetzt also die Herbstferien am Mittelmeer oder den Skiurlaub um die Weihnachtszeit abschminken? Ein Blick in beliebte europäische Urlaubsländer:
ÖSTERREICH
Die österreichische Regierung hielt sich am Freitag mit konkreten Reaktionen zu Spahns Aussagen vorerst zurück, doch die Anspannung war spürbar. "Jede Reisewarnung ist für den Tourismus dramatisch", sagte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger bei einer Pressekonferenz. Das an den Bodensee grenzende Bundesland Vorarlberg ist seit Mittwoch neben der Hauptstadt Wien auf der Risikoliste der Bundesregierung, Tirol seit Freitagabend.
Am Donnerstagabend wurden auf Österreichs offizieller Corona-Ampel die Tiroler Bezirke Landeck und Schwaz neu als Gebiete mit hohem Risiko bewertet. Zu Landeck gehört das Skigebiet Ischgl, das wegen der vielen Infektionen im März Berühmtheit erlangt hat. Dort wollen die Tourismusbetriebe nicht nur das Aprés-Ski-Verbot der Regierung umsetzen, sondern Gäste auch mit weiteren Maßnahmen locken. Unter anderem sind Virustests für Mitarbeiter geplant. Aber ob das reicht, um Touristen aus Deutschland anzuziehen?
SCHWEIZ
Die Schweizer Skigebiete setzen auf das Prinzip Hoffnung. Das Skigebiet Zermatt will bis Ende November sämtliche Pisten öffnen, sagt eine Sprecherin von Zermatt Tourismus. Auf der Piste sei man ja an der frischen Luft und der Abstand kein Thema. Auch im Engadin werde "wie immer mit viel Vorfreude" die Skisaison geplant, unter anderem mit einer neuen Skicross- und Freeride-Piste, sagt der Chef von Engadin St. Moritz Mountains, Markus Meili. Schweiz Tourismus ist aber realistisch: "Bei der Anzahl Gästen aus dem Ausland ist ein Einbruch aber sehr wahrscheinlich", sagt eine Sprecherin. Deutsche sind mit Abstand die wichtigste Touristengruppe. Auf sie entfallen im Winter in der Regel doppelt so viele Hotelnächte wie auf die nächstplatzierten Briten.
FRANKREICH
Das Nachbarland mit den größten Corona-Problemen ist derzeit Frankreich. In den meisten großen Städten herrscht eine hohe Warnstufe, es wird Einschränkungen bei den Öffnungszeiten von Bars geben. Beim Tennis-Turnier French Open in Paris sind nur 1000 Zuschauer zugelassen. In der südfranzösischen Hafenmetropole Marseille sollen Restaurants und Bars sogar ganz geschlossen bleiben. Die Stadt ist empört über diese von der Regierung in Paris auferlegte Maßnahme und fühlt sich bevormundet.
16.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden
Zuletzt meldeten die Behörden in Frankreich mehr als 16.000 Neuinfektion innerhalb eines Tages. In der an Deutschland grenzenden Region Grand Est ist die Lage zwar noch verhältnismäßig entspannt. Doch auch dort gibt es Anlass zur Sorge: Im Département Bas-Rhin etwa, in dem die Elsass-Metropole Straßburg liegt, haben sich zuletzt innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Menschen mit Corona infiziert. Im Frühjahr hatten Grenzkontrollen dort für erhebliche Verstimmungen gesorgt.
SPANIEN
In Spanien waren im Juni die Hoffnungen groß, nach einem dreimonatigen Lockdown mit einem blauen Auge davongekommen zu sein und die Tourismussaison noch retten zu können. Aber die Öffnung des Landes kam offensichtlich zu früh. Ab Ende Juli stieg die Zahl der Neuinfektionen wieder stark an. Inzwischen hat sich das beliebteste Urlaubsland der Deutschen zum europäischen Corona-Hotspot Nummer eins entwickelt. Spanien ist das einzige EU-Land, das von der Bundesregierung komplett als Risikogebiet eingestuft wurde.
Dort kann man auch ablesen, was auch hierzulande alles drohen könnte, wenn die neue Corona-Welle nicht bald abflacht: Landesweit gilt Maskenpflicht und ein weitgehendes Rauchverbot außerhalb der eigenen vier Wände. Restaurants, Kinos, Museen, Theater und Konzerthallen sind entweder geschlossen oder dürfen nur die Hälfte der normalen Besucher einlassen. Die Zahl der Menschen, die an privaten Treffen teilnehmen dürfen, ist in vielen Kommunen begrenzt, zum Teil auf nur sechs Personen. In 86 Gemeinden landesweit gelten mehr oder weniger weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wie etwa auf Mallorca, wo mehrere Stadtteile von Palma teilweise abgeriegelt sind.
Spaniens Hauptstadt Madrid abriegeln?
Im Mittelpunkt aber steht die spanische Hauptstadt Madrid. Dort sind inzwischen 45 Wohngebiete mit mehr als einer Million Einwohnern teilweise abgesperrt. Die Zentralregierung riet am Freitag sogar dazu, die gesamte Stadt und ihr Umland mit 6,6 Millionen Menschen abzuriegeln. Die Regionalregierung versucht das jedoch aus Sorge um die Wirtschaft zu vermeiden.
ITALIEN
Besser geht es da Italien, dem europäischen Corona Hotspot der ersten Stunde. Der Schock von damals sitzt bis heute tief. Rom reagierte Anfang März mit einem harten, langen Lockdown. Angesichts von seither bald 36.000 Corona-Toten schweißt die Angst vor einer zweiten Welle auch nach den Lockerungen vom Sommer viele Italiener zusammen: Nicht wenige tragen tagsüber auf der Straße selbst dann Schutzmasken, wenn es nicht vorgeschrieben ist. Politiker in Rom und in vielen Regionen reagieren schnell mit neuen Einschränkungen, sobald die Infektionszahlen stärker ansteigen. Obwohl der Tourismus zuletzt angezogen hat und die ersten größeren Reisegruppen wieder mit Fähnchen und Führer durch Rom ziehen, dominiert im Land weiter die Hoffnung auf einen glimpflichen Virusinfektionsverlauf im Herbst. (best/dpa)
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