• Am Sonntag werden wahrscheinlich viele Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus aufgehoben. Die Ampel-Koalition will das Infektionsschutzgesetz ändern.
  • Allerdings sind sich die Parteien nicht einig: Die FDP pocht auf einen "Freedom Day", SPD und Grüne wollen den bestehenden Gesetzesentwurf nachschärfen.
  • Die Virologin Melanie Brinkmann warnt im Gesundheitsausschuss des Bundestags vor steigenden Infektionszahlen – auch im Sommer. Ihr Kollege Hendrik Streeck ist dagegen für besonnene Lockerungen.

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Am Sonntag beginnt im Kalender der Frühling – und vielleicht auch eine neue Zeit. Eine Zeit, in der die meisten Corona-Schutzmaßnahmen der Vergangenheit angehören. So könnte es jedenfalls kommen, wenn der aktuelle Entwurf für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes in Kraft tritt. Allerdings ist man sich in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP noch nicht einig. Und auch Verbände, Expertinnen und Experten äußerten am Montag in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag Kritik.

Maskenpflicht nicht mehr in allen Innenräumen?

Die rechtliche Grundlage für die aktuellen Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus läuft am kommenden Samstag aus. Erhalten bleiben soll danach nur ein "Basisschutz": Demnach können die Länder das Tragen von Masken in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Asylbewerberunterkünften sowie Bussen und Bahnen vorschreiben. Zum Schutz von Risikopatienten sollen auch Testpflichten in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kitas bestehen bleiben.

Generell würde das aber bedeuten, dass zum Beispiel die Maskenpflicht in Geschäften, Arztpraxen, Fußballstadien und Schulen sowie verschiedene 2G- und 3G-Zugangsbeschränkungen in Zukunft wegfallen. Zumindest wenn es beim aktuellen Gesetzesentwurf bleibt.

Corona-Update 14. März: Neuer Höchstwert bei Sieben-Tage-Inzidenz

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat bei der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz erneut einen Höchstwert gemeldet. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montagmorgen mit 1543,0 an.

Bundesländer sollen für "Hotspots" weitere Maßnahmen beschließen können

In dem Entwurf ist außerdem eine "Hotspot"-Regelung geplant. Demnach können die Landtage für Regionen mit besonders hohen Infektionszahlen, in denen eine Überlastung des Gesundheitssystems droht, weitere Maßnahmen beschließen: zum Beispiel weitergehende Maskenpflichten, Abstandsregeln und Hygienekonzepte. In diesem Fall könnten auch Impfnachweise wichtig bleiben. Auch dafür sieht der Gesetzentwurf eine Änderung vor. Als vollständig geimpft würden demnach nur noch Personen mit drei Impfdosen gelten. Ausnahmen gelten nur für Menschen, die neben zwei Impfungen auch eine Genesung nachweisen können.

Im Eiltempo soll der Bundestag die Gesetzesänderung in dieser Woche beschließen. Gleichzeitig sind die Infektionszahlen allerdings wieder deutlich gestiegen. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz erreichte am Montag nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) erneut einen Höchstwert: 1.543 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Deutschlandweit wurden binnen 24 Stunden 19 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 24 Todesfälle.

Virologin Brinkmann: Zahlen könnten auch im Sommer steigen

Die Virologin Melanie Brinkmann, Professorin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, warnte am Montag deshalb davor, die Gefahr zu unterschätzen. Die Infektionszahlen würden derzeit steigen, sagte sie bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss. Die Dunkelziffer sei hoch. "Ziel sollte es doch sein, eine Infektionskrankheit unter Kontrolle zu halten."

Aus Sicht von Brinkmann ist keineswegs ausgemacht, dass sich die Infektionslage im Sommer entspannt. 2020 und 2021 sei das zwar passiert – allerdings nur, weil zu dieser Zeit deutlich strengere Maßnahmen galten. "Wenn wir die jetzt aufgeben, werden die Zahlen auch im Sommer weiter steigen", sagte Brinkmann. Wo viele Menschen in Innenräumen zusammenkommen, sei das Tragen von Masken weiterhin sehr wichtig.

Mehrere Sachverständige äußern Kritik

Auch andere Expertinnen und Experten äußerten am Montag Kritik an den geplanten Lockerungen. Die Krankenhäuser seien weit von einem Normalbetrieb entfernt, sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Ingo Morell. Die Zahl der COVID-Patienten sei im Vergleich zur Vorwoche um sieben Prozent gestiegen. Geplante Operationen müsse man weiterhin verschieben. Das verschlechtere auch die wirtschaftliche Position der Kliniken.

Gernot Marx, Präsident der Deutschen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, warnte davor, von der Maskenpflicht in Innenräumen abzurücken. "Wir sollten dieses Mittel nicht ohne Not aus der Hand geben." Zwar sei die Situation auf den Intensivstationen derzeit nicht kritisch. "Aber wir sehen viele Patienten auf den Normalstationen und eine hohe Quote von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die erkrankt sind."

Doreen Siebernik von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft kritisierte in der Anhörung den geplanten Wegfall der Maskenpflicht im Bildungswesen: Schulen seien bei den aktuellen Infektionszahlen für die Lehrerinnen und Lehrer und ihre Schüler noch immer "keine sicheren Orte".

Hendrik Streeck: "Guter Zeitpunkt, um Maßnahmen zurückzufahren"

Hinter den Kulissen haben die Fraktionen der Ampel-Koalition in letzter Zeit heftig diskutiert. SPD und Grüne wollen den aktuellen Entwurf nachschärfen – und zum Beispiel an der allgemeinen Maskenpflicht in Innenräumen festhalten. Die FDP pocht auf ein Ende der meisten Schutzmaßnahmen und will weiterhin einen "Freedom Day" am 20. März.

Wie so häufig in den vergangenen Jahren stützten sich die Parteien auch am Montag im Gesundheitsausschuss am liebsten auf jene Expertinnen und Experten, die in ihre eigene Richtung argumentieren. SPD und Grüne fragten mehrmals bei der Braunschweiger Virologin Brinkmann nach, die für Vorsicht und strenge Maßnahmen plädierte. Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus befragte dagegen nur den Bonner Virologen Hendrik Streeck, der für einen etwas anderen Kurs steht.

Man habe inzwischen gut wirksame Impfungen gegen Corona und eine neue Virusvariante mit milderen Verläufen, sagte Streeck. Deswegen seien zwar die Infektionszahlen in nie dagewesene Höhen geklettert. Die Belegung der Normal- und Intensivbetten habe sich davon aber "abgekoppelt". "Es ist in meinen Augen ein guter Zeitpunkt, besonnen Maßnahmen zurückzufahren", sagte Streeck.

Verwendete Quellen:

  • Anhörung zum Infektionsschutzgesetz im Gesundheitsausschusses des Bundestags
  • Bundestag.de: Überweisung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorlagen
  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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