Bis zu 500 Flüchtlinge aus griechischen Lagern wollte Thüringen bis 2022 aufnehmen. Doch das Bundesland hat die Rechnung ohne Innenminister Horst Seehofer gemacht. Der lehnt den entsprechenden Antrag ab. Thüringens Migrationsminister reagiert enttäuscht.
Thüringen darf über die Zusagen des Bundes hinaus keine zusätzlichen Asylbewerber aus den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aufnehmen. Einen entsprechenden Antrag der Landesregierung hat Bundesinnenminister
In einem Schreiben von Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke an den Thüringer Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Dirk Adams (Grüne), heißt es: "Mit Blick auf eine bundeseinheitliche Behandlung ist zu vermeiden, dass für denselben Personenkreis die Aufnahme in Deutschland aufgrund zweier verschiedener Rechtsgrundlagen und mit zwei verschiedenen Rechtsfolgen erfolgt."
Verzögerungen bei der Aufnahme
Bei einem Landesaufnahmeprogramm werde direkt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Beim Hilfsprogramm des Bundes durchliefen die Aufgenommenen dagegen ein ergebnisoffenes Asylverfahren.
Im Rahmen einer europäischen Hilfsaktion war vereinbart worden, dass mehrere EU-Staaten zusammen etwa 1.600 Minderjährige von den griechischen Inseln aufnehmen. Wegen der Corona-Pandemie kam es dabei zu Verzögerungen.
Adams: Bundesregierung beschneidet Hilfsbereitschaft Thüringens
Adams zeigte sich enttäuscht. "Ich bedauere es sehr, dass die Bundesregierung die Hilfsbereitschaft Thüringens nicht nutzt, sondern beschneidet", sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Nun soll die Begründung geprüft werden. "Klar ist, dass unsere Bereitschaft, Menschen aus den Flüchtlingscamps in Griechenland aufzunehmen, weiterhin besteht." An den katastrophalen Zuständen dort habe sich weiter nichts geändert, betonte Adams.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Zustände in den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern seit Langem als katastrophal. In der für 3.000 Menschen ausgelegten Anlage Moria auf der griechischen Insel Lesbos leben derzeit beispielsweise rund 17.000 Menschen.
Schutzbedürftige sollten kommen dürfen
Neben dem Kern-Camp gibt es im Umfeld des Lagers eine ganze Reihe wilder Camps, die auch als "Dschungel" bekannt sind. Die Landesregierung von Thüringen hatte sich nach zähen Verhandlungen auf ein Programm zur Aufnahme von 500 Flüchtlingen aus den Lagern verständigt.
Davon profitieren sollten besonders schutzbedürftige Menschen, die bis Ende 2022 nach Thüringen geholt werden sollten. Von Anfang an stand das Vorhaben aber unter dem Vorbehalt einer Zustimmung des Bundes.
Nicht die erste Absage von Seehofer
Die Thüringer Linke-Fraktion kritisierte die Entscheidung des Bundesinnenministeriums. "Die Weigerung Seehofers gegenüber Thüringen, bei der Aufnahme Geflüchteter aus Griechenland sein Einvernehmen zu erteilen, ist absolut inhuman, menschen- und völkerrechtswidrig", erklärte die Vizevorsitzende Katja Mitteldorf.
Thüringens CDU-Fraktion dagegen begrüßte Seehofers Durchgreifen. "Der Bund kann gar nicht anders, als hier ein klares und richtiges Stoppsignal zu setzen", erklärte der migrationspolitische Sprecher Markus Malsch.
Bundesregierung will insgesamt 243 behandlungsbedürftige Kinder aufnehmen
Seehofer hatte bereits einer Anfrage des Landes Berlin für ein eigenes Aufnahmeprogramm für bis zu 300 Flüchtlinge eine Absage erteilt. Vertreter der Landesregierung reagierten verärgert.
Bisher ist die Bundesregierung im Rahmen eines eigenen Programms bereit, 243 medizinisch behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern und Geschwister in Deutschland aufzunehmen.
Die Innenminister von Bund und Ländern hatten sich im Juni bei einem Treffen in Erfurt darauf verständigt, dass bei der Verteilung der Flüchtlinge jene Bundesländer bevorzugt berücksichtigt werden können, die bereit sind, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als über den üblichen Schlüssel vorgesehen wäre. Thüringen hatte daraufhin signalisiert, dass es sehr kurzfristig 200 Flüchtlinge unterbringen könne. (thp/dpa)
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