Barack Obamas Ziele in Syrien gehören nun endgültig der Vergangenheit an. Donald Trump hat die militärische Strategie der USA komplett neu ausgerichtet. Details sollen aber weiterhin geheim bleiben.

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Der Feind hört mit, dachte sich wohl die US-Regierung und hat nun beschlossen, weder der Öffentlichkeit noch dem Kongress weitere Informationen über die militärischen Manöver in Syrien preiszugeben, seitdem Anfang März erstmals auch Bodentruppen vor Ort agieren.

Ein radikaler Richtungswechsel in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik also.

Dass der amerikanische Präsident das Engagement seines Vorgängers in Syrien unbefriedigend fand, hat Donald Trump, wann immer möglich, kundgetan.

Bereits die von Obama verwendete Bezeichnung ISIL – sprich der Islamische Staat im Irak und in der Levante, also der Region Großsyrien –, wie sich der IS seit Juni 2014 selbst nennt, war ihm zuwider. Weshalb der Oberfehlshaber der amerikanischen Streitkräfte nun umso bewusster von ISIS spricht, "wie alle Welt".

Doch die Unterschiede zur Obama-Regierung beschränken nicht auf Terminologien. "Trump hatte bereits während seines Wahlkampfes angekündigt, dass seine Priorität die Bekämpfung des IS sein wird – und nicht etwa des Assad-Regimes.

Unter Obama hatten wir eine de facto Duldung des Assad-Regimes und gewiss keine "Regime Change"-Politik wie zuvor gegenüber dem Irak", erklärt Ali Fatollah-Nejad von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

Unter Obama waren zudem lediglich 500 amerikanische Streitkräfte dauerhaft in Syrien zu stationieren. Sie sollten die demokratisch gesinnte kurdisch-arabischen Koalition SDF trainieren, mit Nachschub versorgen und Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz fliegen.

Mehr US-Soldaten sollen den Unterschied machen

Seit über einem Monat sind nun fast doppelt so viele Kräfte im Einsatz. 400 zusätzliche Soldaten sollen laut Regierungsangaben in Nordsyrien syrischen Truppen helfen, die vom IS kontrollierte Stadt Rakka zurückzuerobern. Weitere 300 Fallschirmjäger wurden gen Irak geschickt, um die Offensive auf Mossul vorzubereiten.

Das um 54 Milliarden Dollar zu erweiternde Militärbudget finanziert im Nahen Osten jetzt schon mehr Artillerie, Kampfhubschrauber und intensivere Trainingseinheiten. Mehr Waffen bedeuten aber auch mehr Tote.

Anmesty International beschuldigte die US-geführte Koalition, leichtfertig zivile Opfer in Kauf zu nehmen. Auch das Dokumentationsportal Airwars registrierte mittlerweile mehr tote Zivilisten, als bislang durch russisches Feuer umkamen.

Dänemark hat bereits Konsequenzen gezogen und seine Kampfjets aus der Anti-IS-Mission abgezogen.

Donald Trumps Interesse gilt jedoch ohnehin eher einer militärischen Zusammenarbeit mit Russland. Eine Abstimmung zu Obamas Zeiten gelang mangels übereinstimmender Ziele nicht.

Angesprochen auf Putins Opferbilanz, entgegnete Trump in einem Fernsehinterview unverblümt, dass die USA auch "nicht unschuldig" seien.

Wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung beweist Russland durch wiederkehrende Angriffe auf Wohngebiete. Selbst Krankenhäuser und Schulen seien legitime Ziele, wenn Sie als Mittel zum Zweck gegen den Terrorismus dienen, heißt es.

Kollateralschäden, Aufarbeitung und Eingeständnis taktischer Fehler, die sich zu Kriegsverbrechen auswachsen, kennt die russische Führung nicht.

Sollte Trump wirklich mit Putin kooperieren wollen, bleibt vieles unlar. Die US-Militärs gehen taktisch weitaus restriktiver vor und haben in dem Maße, in dem es der Krieg in Syrien und dem Irak verlangt, noch nie geheimdienstliche Informationen mit Moskau ausgtauscht. Wer befiehlt also am Ende des Tages wem? Wie vereinbar ist das alles mit internationalem Recht? Was passiert mit den Rebellen und was mit Baschar al-Assad?

Assad darf im Amt bleiben

Zumindest hier ist Trump inzwischen ganz bei Putin. Von einem Amtsenthebungsverfahren ist keine Rede mehr. Im Gegenteil, Assad sei eine politische Realität, "die wir im Moment zu akzeptieren haben", sagte Pressesprecher Sean Spicer Ende März gegenüber Journalisten.

Assad selbst nannte Trumps Richtungswechsel in einem Fernsehinterview "vielversprechend".

Fatollah-Nejad, der auch an der Harvard Kennedy School in Cambridge lehrt, ist sich sicher, dass sich Washington damit "peu à peu der Position von Moskau und Teheran angenähert" hat. Es sei jedoch mehr als fraglich, so der Nahostexperte, ob "ein alleiniger Fokus auf den IS mittelfristig im Hinblick auf eine nachhaltige Lösung des Konfliktherdes zielführend ist. Zumal eine faktische Allianz zwischen den USA, Russland, Iran und vom Letzteren gebildeten schiitischen Milizen für die sunnitischen Bevölkerungsgruppen beunruhigend ist."

Zwar scheint Trump durchaus die Befriedung der Region im Sinn zu haben. Aber Assad – den Hauptgrund für den Beginn des Bürgerkriegs – im Amt zu lassen, ist auch in den Augen einiger Republikaner eine verfehlte Deeskalationsstrategie.

Senator John McCain erinnerte in einer Anhörung an die 400.000 getöteten Syrer und die sechs Millionen Flüchtlinge im Zuge dessen. Er warnte überdies, der IS und andere islamistische Gruppen blieben dann die einzige Alternative zu einem Diktator, "den das syrische Volk seit sechs Jahren bekämpfe."

Auch Fatollah-Nejad erwartet von Trumps Vorgehen keine positiven, stabilisierenden Effekte. Vor allem gestärkte schiitische Milizien "und damit einhergehende parallele militärische Strukturen [stehen] dem Ziel der Wiederherstellung staatlicher Ordnung in Syrien und im Irak diametral entgegen."

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