- Die türkische Polizei hat am Montag landesweit mehr als 700 Menschen wegen mutmaßlicher Kontakte zu verbotenen kurdischen Aktivisten festgenommen.
- Unter den Festgenommenen sollen auch führende Vertreter der pro-kurdischen und zweitgrößten Oppositionspartei HDP sein.
- Einen Tag vor der Verhaftungsaktion hatte das türkische Militär in einer Höhle im Nordirak die Leichen von 13 entführen Türken entdeckt.
Landesweit haben die Sicherheitskräfte am Montag zugeschlagen. Bei einem Großeinsatz in 40 Städten der Türkei nahmen sie 718 Menschen fest. Die Polizei habe zahlreiche Waffen, Dokumente und Dateien beschlagnahmt, erklärte das Innenministerium in Ankara.
Den Festgenommenen werden Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen, teilte das Innenministerium in Ankara am Montag mit. Unter den Festgenommenen seien auch Provinz- und Bezirksvorsitzende der pro-kurdischen und zweitgrößten Oppositionspartei HDP.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält die legale Partei für den verlängerten Arm der PKK. Die HDP weist das immer wieder deutlich zurück. Eine Parteisprecherin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur zunächst 139 Festnahmen. Darunter seien mindestens ein Provinzvorsitzender und zwölf leitende Funktionäre der Partei. Wie viele der Festgenommenen HDP-Mitglieder sind, war zunächst unklar.
Reaktion auf die Tötung von 13 entführten Türken im Nordirak
Deutlicher ist hingegen, dass Erdogans Regierung mit der Verhaftungsaktion auf die Tötung von 13 entführten Türken im Nordirak reagierte. In der nordirakischen Provinz Dohuk hatte die Türkei bereits am vergangenen Mittwoch einen großangelegten Militäreinsatz gegen die PKK begonnen. Dabei sollten auch die gefangenen Türken befreit werden, wie Erdogan am Montag sagte.
Laut des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar fand das türkische Militär die Leichen der 13 Landsleute in einer Höhle in der Region Gara im Norden des Irak. Unter den Toten befinden sich auch Soldaten und Polizisten, die die PKK bereits 2015 und 2016 verschleppt hatte.
Akar sagte unter Berufung auf Aussagen zweier kurdischer Kämpfer, die dort gefangen genommen wurden, die 13 Getöteten seien jeweils mit einer Kugel hingerichtet worden. Die PKK weist das zurück und erklärte, sie seien durch Luftangriffe des türkischen Militärs und Gefechte ums Leben gekommen.
Türkische Regierung nimmt HDP ins Visier
Meral Danis Bestas, HDP-Abgeordnete im türkischen Parlament, verurteilte das Vorgehen der türkischen Regierung gegen ihre Partei. Jeden Vorfall als Konzept anzusehen, um die HDP anzugreifen, sei ein Versuch, die Tatsachen zu verschleiern, schrieb sie auf Twitter.
Die türkische Führung hatte die HDP in den vergangenen Wochen wiederholt auch verbal ins Visier genommen. Im Zusammenhang mit den tot aufgefundenen Türken schrieb Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun am Sonntag auf Twitter: "Die HDP ist eine politische Marionette, die auf Befehl der PKK handelt. Wir haben diese Tatsache heute noch einmal gesehen."
Auch in Zusammenhang mit Studentenprotesten gegen einen von Erdogan eingesetzten Rektor führten Regierungsmitglieder scharfe Worte gegen die Partei an. Die HDP hatte sich zuvor auf die Seite der Protestierenden gestellt.
Erdogan wirft USA Unterstützung von "Terroristen" vor
Der Fall der 13 Getöteten sorgte derweil auch international für Streit. Erdogan warf den USA am Montag Unterstützung von "Terroristen" vor. Ankara bestellte zudem den US-Botschafter ein und protestierte gegen die nach türkischer Ansicht zu schwache Reaktion der USA auf den Vorfall.
Das US-Verteidigungsministerium erklärte zunächst, es bedaure "den Tod türkischer Bürger", warte aber auf Bestätigungen zu den jüngsten Vorgängen. Erdogan bezeichnete diese Erklärung als "Farce". "Ihr sagt, dass ihr Terroristen nicht unterstützt, aber tatsächlich steht ihr an ihrer Seite oder hinter ihnen", sagte der türkische Staatschef.
Nach der anfänglichen Zurückhaltung kamen indes auch aus Washington klare Worte zu dem Vorfall. Außenminister Antony Blinken habe in einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu seine Anteilnahme bekundet und betont, dass nach Ansicht der US-Regierung "PKK-Terroristen" die Verantwortung für den Tod der Geiseln tragen, erklärte Ministeriumssprecher Ned Price. Blinken habe die Bedeutung der Beziehungen beider Länder und das gemeinsame Interesse im Kampf gegen den Terrorismus hervorgehoben.
Auswärtiges Amt: "Terror durch nichts zu rechtfertigen"
Die USA und ihre westlichen Alliierten haben die PKK zu einer Terrororganisation erklärt, Washington unterstützt in Syrien aber die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Für Ankara handelt es sich bei der YPG um eine Abspaltung der PKK.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte zu dem Vorfall, "Terror" sei durch "nichts zu rechtfertigen". "In bewaffneten Konflikten muss gerade das humanitäre Völkerrecht unbedingt geachtet werden." (dpa/afp/mf)
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