In einem früheren Leben war Donald Trump Immobilienunternehmer. Nun ist er zum zweiten Mal US-Präsident und erklärt den im Krieg zerstörten Gazastreifen zu einer Art Hochglanz-Bauprojekt. Und er meint das ernst.

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US-Präsident Donald Trump entsetzt mit einem neuen Vorstoß zum Nahost-Konflikt. Der 78-Jährige will, dass die Vereinigten Staaten langfristig die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und das vom Krieg zerstörte palästinensische Küstengebiet wirtschaftlich entwickeln.

"Die USA werden die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen, und wir werden damit auch gute Arbeit leisten", sagte Trump nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Weißen Haus in Washington. "Wir werden ihn besitzen", betonte er - und schloss nicht aus, zur Absicherung dieser Pläne im Zweifel auch US-Truppen dorthin zu schicken. Aus dem Gazastreifen könne so eine "Riviera des Nahen Ostens" werden.

Die rund zwei Millionen Palästinenser, für die der Gazastreifen ihre Heimat ist, sollen nach Trumps Willen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben. Diesen Vorschlag vertritt der Republikaner bereits seit einer Weile und stößt damit auf viel Kritik.

Dass er dies nun zu einer Geschäftsidee weiterdreht, dürfte große Proteste auslösen. Ebenso wie die Drohung, im Zweifel auch das Militär einzuschalten. Auf die Frage, ob er US-Truppen in den Küstenstreifen entsenden würde, um das Sicherheitsvakuum zu füllen, sagte Trump: "Wenn es notwendig ist, werden wir das tun."

Gaza liegt in Trümmern

Der Gazastreifen ist ein 365 Quadratkilometer großes Gebiet am Mittelmeer zwischen Israel und Ägypten. Das abgeriegelte Küstengebiet, in dem schon vorher äußerst schwierige Lebensbedingungen für die Zivilbevölkerung herrschten, wurde im Krieg zwischen Israel und der Hamas in ein Trümmerfeld verwandelt.

Auslöser des Krieges war ein verheerendes Massaker der Hamas, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israels Armee reagierte mit Angriffen auf die Terrorgruppe, die den Gazastreifen in Schutt und Asche legten.

Nach UN-Angaben wurden dort während des Krieges rund zwei Drittel aller Gebäude zerstört oder beschädigt. 90 Prozent der rund 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen wurden zu Binnenflüchtlingen. Nach palästinensischen Angaben, die von den Vereinten Nationen als glaubhaft eingestuft werden, wurden mehr als 47.000 Menschen getötet.

Trump nennt "Potenzial des Gazastreifens unglaublich"

Nun schwärmt der US-Präsident und ehemalige Immobilienunternehmer Trump öffentlich, dass ausgerechnet dieses Gebiet immenses Potenzial für Wirtschafts- und Immobilienentwicklung habe.

"Ich denke, das Potenzial des Gazastreifens ist unglaublich", sagte er. Dort könnten künftig Menschen aus aller Welt leben. Das Ganze könne einfach "phänomenal" und "großartig" werden - und auch "für die Palästinenser wunderbar".

Man werde sich darum kümmern, "alle gefährlichen nicht explodierten Bomben und andere Waffen auf dem Gelände zu beseitigen" und es "einebnen", um es dann wieder aufzubauen, führte Trump aus. Auf diese Weise sollten "eine unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet" geschaffen werden.

Trump spricht sich schon länger dafür aus, den Gazastreifen komplett zu räumen und die dort lebenden Palästinenser in arabische Länder "umzusiedeln": etwa nach Ägypten oder Jordanien.

Passiert eine Umsiedlung von Menschen gegen ihren Willen, wird das als Zwangsumsiedlung oder Vertreibung bezeichnet. Trump bemüht sich, es so darzustellen, als sorge er sich allein um das Wohlbefinden der Palästinenser.

Trump sagte, der Küstenstreifen sollte "nicht durch einen Prozess des Wiederaufbaus und der Besetzung durch dieselben Menschen gehen, die wirklich dort gestanden und dafür gekämpft" hätten, die "dort gelebt haben und dort gestorben sind und ein elendes Leben dort geführt haben". Die zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens sollten stattdessen "mit humanitärem Herzen in andere interessante Länder gehen".

Er beschreibt das Küstengebiet als schlicht unbewohnbar. Alles dort sei zerstört. "Es ist unsicher, es ist unhygienisch. Es ist kein Ort, an dem Menschen leben wollen." Alles gleiche einem "Abrissgebiet", sagte er. "Diese Gaza-Sache hat nie funktioniert." Der Gazastreifen sei nach gut 15 Monaten Krieg ein "elendes Loch".

US-Senator: Was Trump will, bricht Völkerrecht

Der demokratische Senator Chris Van Hollen wertete Trumps Plan als Ankündigung eines schweren Völkerrechtsbruchs. "Ich denke, wir müssen wiederholen, was der Präsident der Vereinigten Staaten gerade gesagt hat", sagte Van Hollen beim US-Sender MSNBC kurz nach der Pressekonferenz Trumps. "Er hat gerade gesagt, dass es die Politik der Vereinigten Staaten sein wird, zwei Millionen Palästinenser gewaltsam aus dem Gazastreifen zu vertreiben – so etwas nennt sich auch ethnische Säuberung."

Van Hollen bezeichnete Trumps Plan als "in vielerlei Hinsicht verabscheuungswürdig" und warnte, dass der Republikaner mit seinen Aussagen die Sicherheit von US-Soldaten und Botschaftspersonal in der Region massiv gefährde. "Das ist die wohl gefährlichste und giftigste Mischung von Ideen, die man aktuell zusammenbringen könnte. Und deshalb wird es ein Moment großer Gefahr für Amerikaner sein", sagte der Senator. Trump eskaliere die ohnehin angespannte Lage im Nahen Osten: "Was der Präsident hier tut, ist im Grunde, ein Streichholz in eine bereits äußerst volatile Region zu werfen."

Der Demokrat aus dem Bundesstaat Maryland gehört dem außenpolitischen Ausschuss des Senats an. Er war bereits unter Trumps Amtsvorgänger Joe Biden ein entschiedener Kritiker der amerikanischen Nahost-Politik.

Arabische Staaten lehnen Zwangsumsiedlung von Palästinensern ab

Bereits vor seinem Treffen mit Netanjahu hatte Trump am Dienstag gesagt, die Palästinenser würden den Gazastreifen "liebend gerne verlassen". "Wenn wir das richtige Stück Land oder mehrere Stücke Land finden und ein paar wirklich schöne Orte bauen könnten, (...) dann wäre das meiner Meinung nach viel besser, als nach Gaza zurückzukehren, wo es jahrzehntelang Tod gegeben hat."

Die Idee einer Zwangsumsiedlung der Palästinenser sorgte bereits vor der denkwürdigen Pressekonferenz für viel Empörung. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoß ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten.

Ähnlich reagierte am Dienstag auch der palästinensische UN-Gesandte Rijad Mansur auf die erneute Trump-Forderung. Er appellierte an die Staats- und Regierungschefs weltweit, den Wunsch der Palästinenser auf Verbleib im Gazastreifen zu "respektieren".

Die islamistische Hamas, die 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hatte, warf Trump "Rassismus" vor und einen unverhohlenen Versuch, den Palästinensern ihre unveräußerlichen nationalen Rechte zu verweigern.

Vor allem aber die Menschen im Gazastreifen reagierten wütend auf Trumps Ansinnen, sie von dort zu vertreiben. Abdel Aziz Hana, ein Palästinenser aus Gaza, sagte: "15 Monate lang habe ich die Bombardierungen und Zerstörungen in Gaza-Stadt ertragen." Er habe Dutzende Verwandte und geliebte Menschen verloren, weil sie den Gazastreifen nicht hätten verlassen dürfen, erzählte der 49-jährige Vater von sieben Kindern, der in einem Zelt neben den Trümmern seines Hauses lebt. "Also wie kann so ein dummer Mann denken, dass wir unser Land verlassen werden?"

Ein anderer Einwohner namens Abu Mahmoud sagte, wenn Trump glaube, dass die Palästinenser ihr Land verließen, dann habe er Wahnvorstellungen. "Sie müssen uns erst umbringen", sagte er, "weder unsere Füße noch unsere Herzen werden Gaza verlassen, selbst wenn wir darin getötet werden". Die Wut dieser Männer war schon groß, bevor Trump seine Idee weitertrieb und Gaza öffentlich quasi als Badeort der Zukunft anpries. Nun dürfte sie noch wachsen.

Saudi-Arabien besteht auf Palästinenserstaat

Saudi-Arabien macht die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates unterdessen weiterhin zur Voraussetzung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel. Das Königshaus strebe die Schaffung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt und das Ende der israelischen Besatzung an, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Riad.

Damit wies die saudi-arabische Regierung die jüngste Darstellung von Trump zurück, der vor einem Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu eine Journalisten-Frage mit den Worten beantwortet hatte, Saudi-Arabien verlange keinen palästinensischen Staat.

"Ich glaube, Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien ist nicht nur möglich, ich glaube, er wird kommen", sagte Netanjahu nach dem Treffen mit Trump im Weißen Haus. "Die saudi-arabische Führung ist daran interessiert, ihn zu erreichen und wir werden es versuchen. Ich glaube, wir werden es schaffen."

Trump hatte 2020 während seiner ersten Amtszeit die sogenannten Abraham-Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten auf den Weg gebracht - damals ein historischer Durchbruch.

Trumps aktueller Vorstoß erinnert allerdings eher an eine Äußerung seines Schwiegersohnes Jared Kushner, der das Küstengebiet des Gazastreifens vor einem Jahr als "sehr wertvoll" bezeichnete. Der Ehemann Ivanka Trumps schlug vor, palästinensische Zivilisten vorübergehend umzusiedeln, um dort "aufzuräumen".

Kushner war während Trumps erster Amtszeit dessen Nahost-Berater und knüpfte enge Bande zu wichtigen Akteuren in der Region. Kritiker weisen darauf hin, dass Kushner, der in der Immobilienbranche tätig ist, wirtschaftliche Ambitionen im Nahen Osten hat - und zugleich weiter eine einflussreiche Stimme in Trumps Umfeld ist.

Netanjahu ist begeistert von Trumps "frischen Ideen"

Unterstützung für seine Gaza-Pläne bekommt Trump vom israelischen Ministerpräsidenten. "Er sieht eine andere Zukunft für dieses Stück Land, das der Ursprung von so viel Terrorismus war", sagte Netanjahu bei dem gemeinsamen Auftritt im Weißen Haus.

"Das ist etwas, das die Geschichte verändern könnte." Netanjahu schwärmte generell von Trumps Abkehr von "konventionellen Denkweisen" und dessen "frischen Ideen".

Für Netanjahu, der wegen der Kriegsführung im Gazastreifen international stark in die Kritik geriet, ist Trumps Rückkehr ein Segen. Der Republikaner empfing ihn als ersten ausländischen Gast seit seinem Amtsantritt.

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Eine solche Einladung direkt zu Beginn der Amtszeit ist eine starke Geste der Unterstützung für den rechten Ministerpräsidenten, der auf nationaler und internationaler Ebene in den vergangenen Monaten sehr in Bedrängnis geraten ist.

Biden hatte Netanjahu gegenüber schärfer agiert

Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels. Trumps Vorgänger Joe Biden hatte zwar trotz der zunehmenden Kritik am Vorgehen in Gaza zu Israel gehalten, gegenüber Netanjahus Regierung aber deutlich schärfere Töne angeschlagen.

Das Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu war angespannt und der demokratische US-Präsident ging zeitweise auffallend auf Distanz zu dem Israeli. Trump dagegen ist als enger Verbündeter Netanjahus bekannt.

Bereits in seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) hatte Trump eine Reihe einseitig proisraelischer Entscheidungen getroffen und damit die Palästinenser gegen sich aufgebracht. Seine Positionierung in der Nahost-Politik war bislang also recht vorhersehbar. Doch Trumps neuen Vorstoß haben wohl selbst seine größten Kritiker nicht kommen sehen. (Christiane Jacke, Luzia Geier und Denis Düttmann, dpa/AFP/bearbeitet von ank)

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