Als Statthalter Trumps ist Richard Grenell der Bundesregierung zwei Jahre lang auf die Nerven gegangen. Jetzt soll ihm ein Militär nachfolgen, der seinen Job wahrscheinlich kaum anders verstehen wird. Ob er es jemals bis nach Berlin schafft, ist aber offen.

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Auftritte bei Fox News können bekanntermaßen nicht schaden, um die Aufmerksamkeit von Donald Trump zu erheischen. Und so hat der US-Präsident jetzt einen regelmäßigen Gast des konservativen Nachrichtensenders als neuen Botschafter in Berlin auserkoren.

Douglas Macgregor, pensionierter Heeres-Oberst, Experte für deutsche Militärgeschichte und scharfer Kritiker von US-Auslandseinsätzen, soll den im Juni zurückgetretenen Diplomaten Richard Grenell ersetzen.

Ob es soweit kommt, ist allerdings ungewiss: Die Personalie muss noch vom Senat bestätigt werden, und die US-Präsidentschaftswahl findet bereits in weniger als hundert Tagen statt

Derzeit wird die Botschaft in Berlin noch übergangsweise von der Berufsdiplomatin Robin Quinville geführt, die sich aus der deutschen Politik komplett heraushält - ganz anders als Grenell, der die Bundesregierung wie keiner seiner Vorgänger attackiert und die Positionen Trumps offensiv vertreten hat.

Douglas Macgregor: Polemische Auftritte bei Fox News

Auch Grenell war vor seiner Berufung zum höchsten US-Diplomaten in Berlin Gastkommentator bei Fox News - dem Sender, der Trumps Ohr hat und dem der Präsident häufig und gerne Interviews gibt.

Es ist also nicht erstaunlich, dass das Weiße Haus Macgregor am Montag nicht nur als "dekorierten Kriegsveteranen, Autor und Berater" vorstellte, sondern auch als "regelmäßigen Kommentator zur nationalen Sicherheit in Radio und Fernsehen".

Bei Fox News tritt der pensionierte Oberst immer wieder als Experte in der Sendung des besonders polemischen Moderators Tucker Carlson auf. Macgregor, der in Militärkreisen den Ruf eines Querdenkers hat, vertritt dabei gerne Meinungen, die gegen die offizielle Armee-Linie gehen, aber nahe bei Trump liegen.

So unterstützt er die Kritik des Präsidenten an Deutschland, vor allem in Bezug auf die Verteidigungsausgaben. "Die Deutschen fühlen sich dank uns nicht verpflichtet, sich selbst zu verteidigen. Und der Präsident hat einfach gesagt: Schauen Sie, warum sollte der amerikanische Steuerzahler Sie verteidigen, wenn Sie nicht willens sind, sich selbst zu verteidigen?", sagte er dem Sender zum Beispiel vor zwei Jahren.

Petraeus als "nützlichen Idioten" bezeichnet

Anfang des Jahres sprach er sich für einen vollständigen Truppenabzug aus Syrien und dem Irak aus - die USA hätten dort keine grundlegenden strategischen Interessen. "Dieser Krieg ist vorbei. Wir haben ihn verloren", sagte Macgregor.

Der Iran sei zumindest vorerst in dieser Region der "Sieger", werde sich aber noch gewaltig die Finger verbrennen. Ohnehin sei derzeit die Türkei das größere Problem für die USA als der Iran.

Den angesehenen und von vielen verehrten Ex-General David Petraeus bezeichnete Macgregor einmal als "nützlichen Idioten", der von Politikern benutzt und den Medien hochgeschrieben werde.

Macgregor kennt sich aus mit deutscher Militärgeschichte

Der Absolvent der renommierten Militärakademie West Point diente in seiner langen Armeekarriere unter anderem im Irak-Krieg 1991, wo er an der Panzerschlacht Battle of 73 Easting teilnahm. Auch am NATO-Lufteinsatz im Kosovo 1999 war Macgregor beteiligt. 2004 zog er sich aus der Armee zurück und gründete ein Beratungsunternehmen für Verteidigungs- und Außenpolitik.

Macgregor hat mehrere Bücher über Militärstrategie geschrieben. 1997 sorgte er mit "Breaking the Phalanx" (etwa: Die Phalanx durchbrechen) über eine Neuorganisation des US-Heeres für Aufsehen.

Auch mit deutscher Militärgeschichte hat Macgregor sich ausführlich befasst: 1989 schrieb er das Buch "Die sowjetisch-ostdeutsche Militärallianz" über die Zusammenarbeit von Sowjetunion und DDR während des Kalten Krieges.

"Die NATO stirbt nicht. Sie ist ein Zombie"

Seine Nominierung zum Botschafter in Deutschland erfolgt inmitten einer Eiszeit zwischen den beiden Verbündeten. Trump fährt regelmäßig Attacken gegen Berlin und wirft der Bundesregierung zu niedrige Verteidigungsausgaben und unfaire Handelspraktiken vor. Der Republikaner hat deswegen angekündigt, 9.500 der 34.500 in Deutschland stationierten US-Soldaten abziehen zu wollen.

Ob Macgregor nach dem forschen und ruppigen Grenell für eine Verbesserung der Beziehungen sorgten könnte, ist höchst ungewiss. Macgregor sei nicht als der diplomatischste bekannt, schreibt das US-Medium "Politico".

In einem Artikel zum Zustand der NATO schrieb der Oberst a.D. im März 2019: "Die NATO stirbt nicht. Sie ist ein Zombie." Mit dem Verschwinden der sowjetischen Bedrohung sei ihr das Leben ausgegangen. Das Militärbündnis werde lediglich immer wieder "reanimiert", normalerweise mit "Voodoo-Zauber". "Auch Zombies sterben irgendwann", meinte Macgregor.

Berliner Reaktionen: Irgendein Botschafter ist besser als gar keiner

In Berlin traf die Nominierung zunächst auf positive Resonanz. Unabhängig von der Qualifikation Macgregors, ganz nach dem Motto: Irgendein Botschafter ist besser als gar keiner. "Ich begrüße es, dass die US-Administration den wichtigen Posten des US-Botschafters in Deutschland nicht länger unbesetzt lassen will", sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, der Deutschen Presse-Agentur.

Ähnlich äußerte sich der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour: "Fast die Hälfte der Amtszeit Trumps hatten die USA keinen Botschafter in Berlin. Deshalb freue ich mich schon, wenn Washington überhaupt jemanden schickt."

Und der Grünen-Politiker im Auswärtigen Ausschuss Jürgen Trittin erklärte: "Es braucht jetzt einen Botschafter, der Krisen managen kann, statt sie zu befeuern." Denn es gebe mit den extraterritorialen US-Sanktionen, der Zerstörung der nuklearen Rüstungskontrolle, der Klimakrise und Differenzen im Umgang mit China "reichlich Baustellen für den neuen Botschafter, wenn er denn kommt".

Amtsantritt ist noch nicht sicher

Zunächst einmal bleibt abzuwarten, ob er den Posten überhaupt antreten wird. Nicht nur ist die Zeit für die Bestätigung seiner Nominierung durch den Senat wegen der nahenden Wahl knapp. Zudem ist die Kongresskammer derzeit mit der Corona-Krise mehr als ausgelastet.

Und sollte bei der Präsidentschaftswahl am 3. November Trumps Herausforderer Joe Biden von den Demokraten gewinnen, dürfte die Personalie Macgregor ohnehin schnell beerdigt sein. Zu erwarten ist, dass sich Biden einen anderen Botschafter für Berlin aussuchen würde. (hub/afp/dpa)

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